Real Madrid in der Champions League:Harte Stirn des Stierkämpfers

Atletico Madrid vs Real Madrid

Sergio Ramos (Mitte) überspringt im Hinspiel die Atlético-Verteidiger Guilherme Siqueira (links) und Diego Godin.

(Foto: dpa)
  • Im Viertelfinal-Rückspiel gegen Stadtrivale Atlético setzt Real Madrid auf seinen vielseitig begabten Abwehrchef Sergio Ramos.
  • Der 29-Jährige ist nicht nur für seine rabiate Spielweise bekannt, sondern auch für seine wuchtigen Kopfbälle.
  • Beim torlosen Hinspiel war Real das bessere Team und gilt am Mittwochabend im heimischen Stadion als Favorit.
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Von Oliver Meiler, Madrid

Als Sergio Ramos klein war, ein Kind in Andalusien, schwankten seine Zukunftsträume zwischen Torero und Fußballer. Etwas mit Heldentum, mit Triumph, auf Schultern getragen. Sein Vater war ein einfacher Funktionär, Anhänger von Felipe González, Spaniens sozialdemokratischem Ministerpräsidenten des Post-Franquismus. Man lebte in Camas, einem glanzlosen Vorort von Sevilla, wo Träume nun einmal immer ganz groß sind.

Corrida oder Fußball - nirgendwo sind die Grenzen der Genres fließender als in dieser staubigen, stolzen Ecke im Süden Spaniens. Ramos, so sollte die Welt des Sports bald erfahren, wurde Fußballer, einer mit gewölbter Brust und herausfordernd hohem Kinn. Da drückt der Torero in ihm durch, manchmal geht das Temperament aber auch mit ihm durch. Gerade in den epischen Momenten. Und ein solcher Moment steht nun wieder an.

Wenn Real Madrid nach dem torlosen Unentschieden im Hinspiel des Viertelfinales in der Champions League den Stadtrivalen Atlético im eigenen Stadion empfängt, dann hängt wieder viel an diesem laut herumbrüllenden und eindeutig gestikulierenden Andalusier im Zentrum der Abwehr. Ramos ist so etwas wie der Feldwebel der Mannschaft, der Antreiber und Schinder.

Ein Ramos-Tor als Tattoo

Dünkt es Ramos, die Vorderleute kümmerten sich nur leidlich um die Defensive, was bei diesen stürmischen Stargesellen chronisch vorkommt, zitiert er sie zurück, oft einzeln. Und erklärt ihnen die Grundregeln des Spiels, appelliert an ihre Opferbereitschaft. Er ist der Chef, ein "amo", wie die Spanier sagen: der Hirsch auf dem Platz. Der Stier verzeih's!

Und ein Held ist er auch, einer für die Vereinsalben, seit er Real im vergangenen Jahr die Décima, die zehnte Trophäe in der europäischen Spitzenklasse, mit wuchtigen und wohl platzierten Kopfbällen gegen den FC Bayern und gegen "Atleti", im Halbfinale und im Finale, fast im Solo beschert hat. Es gibt Leute, die sich die Szene des Ausgleichs in der 93. Minute gegen Atlético tätowieren ließen. "Ich kann nun in Frieden sterben", sagte Ramos im Triumph allen, die ihm ein Mikrofon hinstreckten, mit diesem Hang zur Selbstüberhöhung. Die Hoffnung auf die Undécima, die Elfte, hat das Ende dieses jungen Lebens zum Glück aufgeschoben.

Sergio Ramos war erst 19 Jahre alt, als er 2005 vom FC Sevilla zu Real Madrid wechselte. Für rund 30 Millionen Euro, eine hohe Summe für einen so jungen Spieler, einen Verteidiger obendrein. Er begann als rechter Außenverteidiger, folgte auf Michel Salgado, der die unverhohlenen Ambitionen des Neuen zunächst schlecht ertrug. Dann rückte er in die Innenverteidigung, ins Zentrum des Strafraums, seinem Ring. Ramos ist ja ein beachtlich sprunggewaltiger, akrobatischer und torgefährlicher Verteidiger, einer, der das Spiel gut liest und gegnerische Züge antizipiert. Doch er kann auch anders, er kann auch schmutzig spielen.

Rekordsammler von Platzverweisen

Legendär sind die groben Zwischenmenschlichkeiten, die er mit Diego Costa austauschte, als der noch in der Stadt spielte: Da wurde gefährlich gegrätscht, versteckt gekniffen, gespuckt, bevor man sich dann jeweils nach Spielende mit einer Umarmung trennte. Mario Mandzukic gibt nun einen guten Ersatz für Costa, nicht zuletzt in der Rolle des Prüglers, des Provokateurs. Ramos ist anfällig. Kein Spieler in der Geschichte Real Madrids sah häufiger rot als er. Und wahrscheinlich müsste man auch darin eine Metapher aus dem Stierkampf sehen. Ramos mangelt es jedenfalls nie an Kampflust, an "garra".

Und so empfand er es lange Zeit als unfair, dass ihn der Verein nicht so gut bezahlte, wie etwa der FC Barcelona, Paris Saint-Germain, Manchester United und der FC Chelsea ihre gefeierten Innenverteidiger entlohnten. Barça lockte ihn vor einigen Jahren mit einem Spitzensalär. Man wollte Gerard Piqué den Kameraden aus der spanischen Nationalmannschaft auch im Klub zur Seite zu stellen. Doch Sergio Ramos ist nun mal Real, Ramos ist Madrid, Ramos ist Spanien. Als Piqué, ein bekennender Katalanist, sich einmal beschwerte, auf Pressekonferenzen der Nationalmannschaft nicht Katalanisch reden zu dürfen, sagte Ramos: "Ich rede nur noch Andalusisch."

Nur Cristiano Ronaldo verdient bei Real mehr

Immer wieder gab es auch Lockrufe aus England, wo er gut hinpassen würde. Nun aber wurde Ramos' Lohn endlich aufgerundet, auf zehn Millionen Euro im Jahr, netto. Er gehört jetzt zu den Großverdienern, in die zweite Lohnklasse Reals, mit Gareth Bale. Nur Cristiano Ronaldo verdient noch mehr. Ramos ist mit den Jahren zum Star gereift, rundum. Seinen Appeal schärfte er mit einigen viel beachteten Korrekturen am Auftritt, von denen man gemeinhin annimmt, dass sie Teil einer fein abgestimmten Imagekampagne sind. Aus dem Vorstadtjungen mit ausgebeulten Jeans und langen Haaren, der sich nichts aus protzigen Autos macht, wurde ein gestylter Großstadt-Hipster, gern gesehen auf Modeschauen und mondänen Partys. Das Haar ist kurz, der Bart immer perfekt getrimmt. Ramos zieht nun Koffer von Louis Vuitton hinter sich her.

Man nannte ihn schon "Beckham für Arme". Ein bisschen erinnert er auch an Xabi Alonso. Selber entdeckt er an sich eher Ähnlichkeiten mit dem Schauspieler Val Kilmer, dem Iceman im Hollywood-Film "Top Gun". Im Sommer gibt sich Ramos wenig Mühe, seinen bloßen Körper vor den Paparazzi zu verstecken. Die Klatschmagazine ¡Hola! und Cuore sind dann jeweils voll mit Sujets vom Strand.

Und natürlich half bei der "Glamourisierung von Sergio Ramos", wie die Zeitung El País unlängst eine lange Stilanalyse des Spielers betitelte, auch die schöne Pilar Rubio, ein bekanntes Fernsehstarlet und Mutter von Ramos' kürzlich geborenem Sohn Sergio. Es gab Zeiten, da überstrahlte die paillettenreiche Liebe gar das Fußballerische. Als wäre er ein ganz normaler "Galactico". Und das ist der Junge aus Camas ja auch geworden.

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