Champions League:Guardiola bastelt an der Harmonie

VfL Wolfsburg - FC Bayern München

Pep Guardiola (re.): Stellt sein Team gerne um

(Foto: dpa)
  • Vor der Champions-League-Partie von Bayern München gegen Olympiakos Piräus ist wahrscheinlich, dass Pep Guardiola seine Startaufstellung rotieren wird.
  • Der Spanier tat das in 127 von 128 Spielen - und hat seine eigenen Gründe dafür.
  • Hier geht es zu allen Ergebnissen der Champions League.

Von Christof Kneer

Etwa eine halbe Stunde war die Pressekonferenz schon vor sich hin gelaufen, Manuel Neuer hatte etwas gesagt, Holger Badstuber hatte etwas gesagt, und auch Pep Guardiola hatte in seinem übrigens immer besser werdenden Deutsch dargelegt, warum er den angeschlagenen David Alaba einerseits gern dabei hätte in der Champions-League-Partie am Dienstagabend, wobei er andererseits "kein Risiko" eingehen wolle. Es war ein Termin, wie man schon viele erlebt hat beim FC Bayern, nichts deutete darauf hin, dass man gleich Zeuge einer Weltsensation sein würde.

Wie er den Gegner aus Piräus erwarte, wurde Guardiola dann noch gefragt, eher defensiv oder eher offensiv? Unter den Pressekonferenzfragen zählt diese eher zu den Standardsituationen, aber Guardiola legte die Stirn in Falten, schaute etwas verzweifelt und sagte: "Ich weiß nicht."

Das hätte also die Nachricht des Tages sein können: Pep Guardiola, der weise, hoch gelehrte, immer vorbereitete, ultraakribische Trainer, der vom Gegner regelmäßig mehr weiß als der Gegner selbst - er ist ratlos. Er weiß es nicht.

Guardiola packt sein Wissen aus

Allerdings hielt diese schöne Nachricht dann nicht sehr lange. Es dauerte nur ein, zwei Sekunden, bis Guardiola fortfuhr, und dann erklärte er halt doch, was er alles über diesen Gegner weiß: sehr gut im Konter, vier schnelle Flügelflitzer, gefährlich bei Standards, große, große Spieler.

Welche Taktik der Gegner plane, wisse er allerdings wirklich nicht, meinte Guardiola, aber er gehe davon aus, "dass sie defensiv stehen und erst mal abwarten". Ein Punkt reicht den Bayern zum Weiterkommen, aber Guardiola hat die Partie sicherheitshalber zum "Finale" stilisiert, das die Bayern "natürlich gewinnen" wollen. Es ist nicht mehr sehr spannend, all das zu erklären, was Pep Guardiola alles weiß. Spannender ist, was er nicht weiß - und zu den wenigen Fußball-Rätseln, die es für den weisen, hoch gelehrten, immer vorbereiteten, ultraakribischen Trainer des FC Bayern noch gibt, zählt die Aufstellung des FC Bayern. "Ich weiß es noch nicht, ich entscheide morgen früh", sagte Guardiola am Montag.

Man kann ihm das abnehmen. Natürlich weiß er, dass Manuel Neuer spielt, möglicherweise sogar im Tor, er weiß, dass Philipp Lahm spielt und er vermutet stark, dass er den gerade genesenen Holger Badstuber erst mal auf die Bank setzen wird; aber wie genau die Elf aussehen und welchen präzisen Auftrag er ihr mitgeben wird, das wird Guardiola erst nach den Eindrücken des Abschlusstrainings entscheiden und nach zwei Kurz-Interviews mit seinem Kopf und seinem Bauch.

Guardiola ist Meister der Rotation

Der FC Bayern und die Rotation: Spätestens seit Ottmar Hitzfeld gehört dieser Begriff zur Vereinsfolklore, aber Guardiola betreibt diese Disziplin noch strategischer als der vermeintliche Erfinder. Am Montag machte eine Statistik die Runde, wonach Guardiola in 127 von 128 Spielen seine Startelf verändert hat; nur im Januar 2014 schickte er in Stuttgart mal eine Formation auf den Rasen, die er schon ein paar Tage zuvor auf den Rasen geschickt hatte.

Never change a winning team? Es ist eine der zahlreichen Retro-Thesen, die Guardiola stillschweigend verabschiedet hat, was man im Übrigen schon aus ganz banalen Gründen gut verstehen kann. Sonst müssten die Bayern ja jedes Spiel mit derselben Elf antreten, weil sie das vorangegangene Spiel ja immer gewonnen haben.

Die Auswahlmöglichkeit ist enorm

"Viele Trainer haben 13 starke Spieler, aber bei Bayern hast du 17 oder 18", sagt Guardiola, für den die Rotation noch wichtiger ist als für seine Vorgänger. "Alle Spieler hier haben großes Niveau, und solche großen Spieler verstehen nicht immer, wenn sie mal nicht spielen. Deshalb denke ich, dass Rotation die beste Lösung ist - für den Kopf und die Beine, aber auch für die Harmonie."

Guardiola braucht die Rotation auch deshalb so dringend, weil die Bayern in der Liga überlegen sind wie nie zuvor. Er muss seine Profis nicht nur bei Laune, sondern auch unter Spannung halten - so lange, bis es endlich ernst wird in der Champions League. "Für den Trainer ist es da am besten, wenn er einen harten Konkurrenzkampf hat", sagt Holger Badstuber.

Guardiola muss eine Elf für die Monate April und Mai schärfen, was nicht so einfach ist, wenn diese Elf sich an Weihnachten schon als deutscher Meister fühlt. Das ist Peps Job in den nächsten Monaten: Er muss den Tanz in den Mai organisieren und dabei Gegenwart und Zukunft in einem coachen. Er muss alle mal aufs Parkett lassen, aber nie ohne aktuellen Grund. "Wir müssen rotieren, aber die Aufstellung muss trotzdem immer die beste Lösung für den Moment sein", sagt er, "sie darf nie ein Geschenk für irgendjemand sein."

Ob er seinen Spielern erkläre, warum er sie auch mal draußen lasse? Normalerweise nicht, sagt Guardiola, "das würde an jedem Spieltag 30 oder 45 Minuten Zeit meines Lebens kosten". Und er braucht diese Zeit doch. Er muss sich doch ultraakribisch auf den Gegner vorbereiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: