Champions-League-Finale:Schönheit ist kein Kriterium

Egal, wie das Champions-League-Finale in München endet - die beste Klub-Elf der Historie wird dort nicht zu sehen sein. In dieser Kategorie streiten sich der moderne FC Barcelona, der AC Mailand der 1990er, das Real Madrid der 1950er und die Ajax-Schule. Doch um Schönheitspreise hat sich der FC Bayern ohnehin nie bemüht.

Klaus Hoeltzenbein

Die Trainer Udo Lattek, 77, Arrigo Sacchi, 66, und Pep Guardiola, 41, können sich in Ruhe zurücklehnen, ihr Status ist nicht gefährdet. Und das liegt nicht nur daran, dass die Finalisten nicht in Bestbesetzung einlaufen können, weil eine dringend zur Überarbeitung empfohlene Gelbe-Karten-Regel die Abwehrketten des FC Chelsea und des FC Bayern gesprengt hat. Beide Trainer müssen improvisieren, müssen Defensivreihen basteln, die sich erst auf dem Rasen kennenlernen, begleitet von der Angst, dass sie unter dem Wettkampfdruck auseinanderfallen.

Bayern - Chelsea: Die Aufstellungen

Das allein sind mildernde Umstände, weshalb sich beide Teams zwar um Europas Krone 2012 duellieren, nicht aber um das Attribut für die Ewigkeit: nämlich jenes, die beste Klub-Elf der Historie zu sein. In dieser Kategorie haben sich alle Experten längst festgelegt - ohne sich dabei einig zu sein. Die meisten behaupten, kein Zweifel, perfekter als Guardiolas Tiqui-taca-Künstler aus Barcelona, die im Vorjahr Manchester United beherrschten (3:1), habe nie zuvor ein Klubteam triumphiert.

Einspruch - sagt nicht nur Arrigo Sacchi. Das ist der Mann, von dem nicht wenige meinen, er habe den Fußball in die Moderne geführt, indem er dem AC Mailand eine para-militärische Ordnung vermittelte, ohne die Spielphantasie zu strangulieren. Über die Disziplin wachte eisern Abwehrchef Franco Baresi; für die schönen Momente, die Milan die Europacupsiege 1989 und 1990 brachten, sorgten die Niederländer Gullit, Rijkaard und van Basten.

Import aus der Ajax-Schule

Apropos Niederlande. Die Basis des schönen Fußballs, des Voetbal totaal, behaupten nicht wenige, sei niemals in Mailand, Madrid, München zu finden, sondern nur in Amsterdam. Zwar verlor die Ajax-Schule jüngst an Bedeutung, doch die Elf um Regisseur Johan Cruyff (Europacupsieger 1971 bis 1973) und jene Elf des Trainers Louis van Gaal (1995) haben Grenzen durchbrochen. Beide zusammen, die heute verfeindeten Cruyff und van Gaal, hätten später dem FC Barcelona überhaupt erst die Idee für das Tiqui-taca geliefert.

Unfug!, Veto!, entgegnen die Königstreuen. Wer verkündet, der Fußball beginne bei Ajax, Milan, Barça, der habe in Geschichte geschlafen und keine Idee mehr vom weißen Ballett. Von Alfredo di Stéfano, Puskás, Gento, Copa, jenen Rasen-Rastellis, die nach 1955 mit Real Madrid fünf Europapokale in Serie gewannen.

Wo da der Platz des FC Bayern ist? Um Schönheitspreise hat dieser Klub offiziell nie kandidiert, obwohl Latteks 74er-Tormaschine um Gerd Müller grandiose Momente hatte. Stolz war der Klub stets auf seine Effektivität. Und wenn sie jetzt siegen sollten, mit Plan und letzter Ansage gewissermaßen, unter dem enormen Druck, in der eigenen Stadt bestehen zu müssen, fit für den Augenblick, dann wären sie in einer historischen Kategorie allein: als nervenstärkste Klubmannschaft des Planeten.

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