Champions League: FC Schalke:Mit Schere und Klebstoff

Die Abwehr des FC Schalke bleibt eine skurrile Versuchsanordnung. Und nun trifft sie in der Champions League auf eine beunruhigend starke Offensive von Benfica Lissabon.

Philipp Selldorf

Am Wochenende haben sie Rafinha mit der Note sechs nach Hause geschickt, und damit war er gar nicht schlecht bedient. Im Bewertungssystem der Gazzetta dello Sport stellt eine sechs guten Durchschnitt dar, Rafinha hatte recht erfolgreich seinen Landsmann Ronaldinho bekämpft, sein Team verlor das Spiel beim AC Mailand dennoch 0:1. Bei seinem neuen Klub Genua 93 hat sich der kleine Brasilianer auf einer Außenstelle im defensiven Mittelfeld etabliert, die Fans des FC Schalke hören es mit Sehnsucht.

Schalke 04's Metzelder reacts during the German Bundesliga soccer match against Borussia Moenchengladbach in Gelsenkirchen

Enttäuschung in Schalkes Abwehr: Christoph Metzelder.

(Foto: REUTERS)

Bis ihn Felix Magath im Sommer für rund sieben Millionen Euro ans Mittelmeer exportierte, hatte Rafinha die Anhängerschaft der Königsblauen fünf bewegte Jahre durch seine Widerspenstigkeit und seinen Eigensinn irritiert, es gab die Lager seiner Fürsprecher und seiner Gegner, aber jetzt sind sich alle einig: Rafinha fehlt Schalke vorne und hinten, Magath findet keinen Ausgleich für den Verlust des giftigen Rechtsverteidigers, am Samstag missbrauchte er den bedauernswerten Innenverteidiger Benedikt Höwedes als Behelfslösung.

Doch nicht mit Fahrenhorst

Dabei hatte der Generaldirektor bereits im vorigen Winter kostengünstig Ersatz beschafft, als er Tim Hoogland zur Heimkehr nach Gelsenkirchen überredete. Der Kapitän von Mainz 05 hatte seine Ausbildung in Schalke erhalten und sich beim FSV bestens weiterentwickelt, aber jetzt ist er am Knie verletzt, ein Comeback hat Magath vage für einen Zeitpunkt "im Laufe der Vorrunde" in Aussicht gestellt. Für das Champions-League-Heimspiel gegen Benfica Lissabon am Mittwoch wäre Hoogland sowieso nicht verwendbar - der Verein hat ihn erst gar nicht für die Vorrunde gemeldet.

Dafür steht Frank Fahrenhorst auf der Liste der Uefa, der 33-jährige Innenverteidiger, früher in Bochum, Bremen, Hannover und Duisburg tätig und eigentlich als Verstärkung des Schalker Regionalliga-Teams ausersehen. Er hat zuletzt ein paarmal in Magaths A-Kader mitgeübt, ein Einsatz gegen Lissabon schien möglich bis wahrscheinlich - bis Magath am Dienstagabend doch Abstand nahm von de gewagten Personalie. Er nominierte den ehemaligen Nationalspieler nicht für den Lissabon-Kader. Tatsächlich bezeugt Fahrenhorsts Einbeziehung in die Profi-Trainingsgruppe aber ebenso wie die Verpflichtung des Veteranen Hans Sarpei, dass die Reform der Abwehrreihe noch kein Meisterwerk ist - um es liebenswürdig zu formulieren.

Erstaunen über Plestan

Derzeit ähnelt Magaths Personalpolitik in der Defensive einer Bastelarbeit, bei der man immer wieder aufs Neue Schere und Klebstoff hervorholt und von vorn anfängt. Schalkes Umbruch bleibt eine Versuchsanordnung mit skurrilen Zu- taten. Dass der Karrieresprung des französischen Abwehrroutiniers Nicolas Plestan vom OFC Lille zum Champions-League-Klub Schalke in dessen Heimatland Frankreich für großes Erstaunen sorgte, können viele Schalke-Fans inzwischen gut verstehen.

Auch die hohen Erwartungen an den spanischen Linksverteidiger Sergio Escudero haben mittlerweile stark nachgelassen - nachdem Magath zügig festgestellt hat, dass er den neuen Mann nicht so recht brauchen kann. Escudero kam bisher lediglich zu einem Einsatz im Reserveteam, auf seinem Posten in der Stammelf spielt jetzt wieder die Vorjahres-Entdeckung Lukas Schmitz, der aber auch kein begnadetes Linksverteidiger-Talent ist.

Immerhin bietet er eine realistische Lösung an, und die Lage der Dinge in Schalkes Abwehr vermag Schmitz auch richtig einzuschätzen, wie er am Montag bei der Analyse der Abwehrsituation verriet: "Ich weiß nicht, ob es Abstimmungsprobleme sind oder individuelle Fehler - das wechselt sich bei uns relativ häufig ab."

Gegen Lissabon wird sich Schalke den Luxus häufig wechselnder Notlagen nicht leisten können. Portugals Rekordmeister bringt eine beunruhigend starke Offensive mit: Hinter den Stürmern Oscar Cardozo und Javier Saviola steuert der 52-mal in Argentiniens Nationalelf erprobte Pablo Aimar das Spiel. Torwart Manuel Neuer muss darauf hoffen, dass er einen perfekten Tag erwischt - oder dass Huntelaar und Raúl einfach ein Tor mehr schießen, als Magaths neue Abwehr zulässt.

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