Champions League: FC Kopenhagen:Eigentlich schon klinisch tot

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Ståle Solbakken hat den FC Kopenhagen ins Achtelfinale der Champions League geführt - als erste dänische Mannschaft überhaupt. Das größte Wunder jedoch ist, dass Coach Solbakken überhaupt wieder als Trainer arbeitet.

Boris Herrmann

Der schlaue Franzose Voltaire ist im Laufe seines Lebens zu der noch schlaueren Erkenntnis gelangt: Wenn sich Affen langweilen würden, wären sie Menschen. Der Satz ist unter anderem deshalb so weise, weil er nicht nur auf Schimpansen, sondern beispielsweise auch auf Kühe und Regenwürmer angewendet werden kann. Wenn ein Tier nichts weiter zu tun hat, steht es eben noch ein Stündchen länger glücklich auf der Wiese herum, gräbt sich unbeschwert durch Blumenerde oder schält sich, je nach Neigung, eine Banane.

Historische Tat: Ståle Solbakken hat den dänischen Außenseiter FC Kopenhagen ins Achtelfinale der Champions League geführt. (Foto: dpa)

Wir Menschen hingegen haben nicht von ungefähr das Wort Zeitvertreib erfunden. Wenn sich die Zeit sinnlos dahinschleppt bekommen wir so schlechte Laune, dass es schon fast wieder interessant wird. Aber eben nur fast. Jetzt kann man natürlich in den Tiefen der Evolutionstheorie forschen, weshalb sich ausgerechnet der Mensch immer wieder mit der Langeweile herumzuplagen hat. Vielleicht gibt es aber auch konkrete Gründe. Wohl nur die wenigsten Affen, Kühe oder Regenwürmer haben jemals in die Gruppenphase der Champions-League reingezappt.

Allein am Dienstag fanden auf europäischen Plätzen acht Spiele statt, wovon sechs für den Fortgang der europäischen Eliteliga so gut wie keine Relevanz mehr hatten. Die Beteiligten waren entweder schon definitiv ausgeschieden, wie Werder Bremen, oder sie waren schon definitiv weiter, wie Schalke 04. Lediglich in der Gruppe D war an der Seite des FC Barcelona noch ein Plätzchen für die nächste Runde zu vergeben.

Der solide geführte FC Kopenhagen setzte sich dabei im Fernduell gegen die neureichen Russen von Rubin Kasan durch und steht damit als erster dänischer Klub überhaupt im Champions-League-Achtelfinale. Überraschungsgäste werden dort selten geduldet. Und deshalb kann die Menschheit den Kopenhagenern nun allemal dankbar sein. Sie hatten der Langeweile dieser Vorrunde auch am Dienstagabend wieder ein frisches 3:1 gegen Panathinaikos Athen entgegenzusetzen.

"Wir haben ganz unvermittelt etwas erreicht, wovon wir im August noch nicht zu träumen gewagt haben", sagte Kopenhagens Trainer Ståle Solbakken. Dieser Traum hatte allerdings schon Anfang November allmählich Gestalt angenommen, als seine Mannschaft dem großen FC Barcelona im heimischen Parken-Stadion ein 1:1 abtrotzte. Im Gegensatz zum 2:0 im Nachwuchstest am Dienstagabend gegen Rubin Kasan war Barceolona damals sogar mit seiner ersten Mannschaft angetreten.

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Selbst der katalanische Spielstratege Pep Guardiola schwärmte an diesem Abend vom herausragenden Abwehrsystem der Kopenhagener. Der Norweger Solbakken, 42, hat in den vergangenen fünf Jahren um die erfahrenen Verteidiger Mikael Antonsson aus Schweden und Zdanek Pospech aus Tschechien einen modernen Defensiv-Verbund gebastelt, der selbst Messi, Xavi und Iniesta vor größere Probleme zu stellen vermag.

Freude pur bei den Dänen nach dem abschließenden 3:1-Erfolg über Panathinaikos Athen. (Foto: dpa)

Seit der Verpflichtung des feinen Technikers Claudemir aus Brasilien und des dynamischen Senegalesen Dame N'Doye kann aber auch die Offensive des FC Kopenhagen auf europäischem Spitzenniveau mithalten. Daneben blüht selbst ein altgedienter Däne wie Jesper Grönkjaer wieder auf, der nach seiner Zeit beim VfB Stuttgart (2005-2006) schon als Frührentner abgetan wurde.

Der wundersamste Rückkehrer im Kader von Ståle Solbakken ist allerdings Solbakken selbst. Im März 2001, er war 33 Jahre alt und stand beim FC Kopenhagen als Mittelfeldspieler unter Vertrag, brach er im Training mit einem Herzstillstand zusammen. Den Ärzten zufolge war er sieben Minuten lang klinisch tot, bevor er schließlich doch noch wiederbelebt werden konnte. Solbakken beendete daraufhin seiner Spielerkarriere und entwickelte sich binnen weniger Jahre zu einem der erfolgreichsten Trainer Skandinaviens.

Zunächst führte er den norwegischen Klub Hamarkameratene in die erste Liga und wurde dort auf Anhieb Fünfter, dann kehrte er nach Kopenhagen zurück und gewann in fünf Jahren dreimal die dänische Meisterschaft. Seine Spieler haben ihn am Dienstagabend zum wiederholten Mal angefleht, seinen im Sommer auslaufenden Vertrag doch bitte zu verlängern.

Solbakken aber blieb auch in der Stunde seines größten Triumphes hart, er hat für 2012 bereits als norwegischer Nationaltrainer unterschrieben. "Ich war bereits einmal tot, und ich möchte gerne noch etwas Neues ausprobieren, bevor ich erneut sterbe", sagte er.

Es wäre übrigens falsch zu glauben, Ståle Solbakken engagiere sich mit dem FC Kopenhagen umfassend und grundsätzlich gegen Langeweile im Profifußball. Selbstverständlich steht seine Mannschaft auch in dieser Saison wieder an der Spitze der dänischen Liga. Nach 19 Spieltagen hat sie 19 Punkte Vorsprung auf Platz zwei.

© SZ vom 09.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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