Champions League: FC Bayern:"Unser Wille ist groß"

Drei Verteidiger lädiert, Anatolij Timoschtschuk krank, Franck Ribéry gesperrt: Den FC Bayern plagen Personalsorgen in Lyon - aber er glaubt dennoch ans Endspiel.

Moritz Kielbassa, Lyon

Anlässlich des Halbfinal-Rückspiels bei Olympique Lyon, das war sonnenklar, musste diese Frage kommen, und irgendwer hat sie Hermann Gerland vor der Reise tatsächlich gestellt: Ob er denn stolz sei, weil sie da unten in Lyon ihr Stadion nach ihm benannt haben: das Stade Gerland - in einem gleichnamigen Stadtteil der drittgrößten Stadt Frankreichs. Gerland, der knuffig-knurrige Assistent von Cheftrainer Louis van Gaal, konterte den müden Kalauer mannhaft: "Mein Stadion", sagte er wie aus der Pistole, "ist das Grünwalder."

Daniel van Buyten

Lädierter Verteidiger: Daniel Van Buyten verletzte sich beim Spiel in Gladbach.

(Foto: Foto: Getty)

Im Grünwalder Stadion in MünchenGiesing zog Gerland als langjähriger Trainer der Reserve all jene Talente groß, wegen denen der FC Bayern nun mit der Kraft seiner Jugend ins Finale der Champions League vordringen könnte, zum ersten Mal seit 2001. Für all diese früheren Gerland-Eleven ist Lyon das erste Halbfinale der Karriere: Lahm, Müller, Schweinsteiger, Badstuber, Contento.

Gerland, der von Juli an wieder Bayern-II-Trainer sein wird (für Mehmet Scholl), inszeniert den Stolz auf sein Lebenswerk nicht öffentlich. In der ihm eigenen Art schwärmt er aber doch. Beim Senkrechtstarter der Saison klingt das so: "Müller kann laufen, Müller kann Fußball spielen, Müller bereitet Tore vor, Müller schießt Tore."

Heißt: Thomas Müller kann vieles - wobei die kleinen Schwächen aller Hochgelobten niemand besser kennt als Gerland. Bei Müller etwa: die technische Feinausführung; bei Bastian Schweinsteiger: das Sprintvermögen. Dennoch: Schweinsteiger spiele in seiner neuen zentralen Mittelfeldrolle "einmalig", flötet Gerland, "EIN-malig".

Einmalig sind auch die Personalsorgen in der Abwehr des FC Bayern vor dem Spiel in Lyon. Martin Demichelis (Wadenzerrung) und Daniel van Buyten (Schienbeinprellung) bestiegen den Charterflieger am Montag mit eher unrundem Gang. Laut Mannschaftsorthopäde Müller-Wohlfahrt ist eine Genesung bis Dienstag, 20.45 Uhr "in beiden Fällen offen". Da es im Aufgebot nur noch einen Innenverteidiger gibt, Holger Badstuber, wog es um so schwerer, dass Anatoli Timoschtschuk die Reise wegen eines Magen-Darm-Infekts nicht antrat.

Der Ukrainer wäre die Notlösung für die Abwehrmitte gewesen. Eine andere ist nun: Mark van Bommel, der im Hinspiel gesperrt war und in Lyon eigentlich im Verbund mit Schweinsteiger die Hoheit in der Feldmitte sichern soll. Immerhin nahm Linksverteidiger Diego Contento, zuvor leicht angeschlagen, bei Sonne und 20 Grad am Abschlusstraining teil. Altintop wäre ein weiterer Mann für hinten, Pranjic (Gelbsperre) nicht. Vielleicht hat ja der frühere Bundesliga-Abwehrrecke Gerland, 55, seine Stollenschuhe in den Trolley gepackt.

Lustig ist die Sache natürlich nicht. Fielen van Buyten und Demichelis aus, müsste van Gaal improvisieren. Doch man hat Vertrauen in die Blitzheilkünste Müller-Wohlfahrts, und Lyons Offensive um Torjäger Lopez erregte im Hinspiel keine große Furcht. Der Trainer blieb daher bei seiner Rhetorik der Stärke: "Wir haben viele Verletzte, aber unser Wille ist groß - und auswärts machen wir fast immer ein Tor", sagte van Gaal. Zuletzt hatten die Bayern günstige Rahmenbedingungen bei ihrem Weg ins Halbfinale.

Trotz vier Niederlagen blieben sie im Wettbewerb, auch dank Schützenhilfe von Bordeaux im Herbst. Im Achtelfinale halfen das Los (Florenz) und ein Abseitstor, zum zweiten Viertelfinale trat Manchesters Wayne Rooney lädiert an, und Lyons Anreise zum Hinspiel (1:0) erschwerte der Vulkan Eyjafjallajökull.

Van Bommel verspricht den Effenberg-Tiger

Es ist das Verdienst einer Mannschaft mit starker Mentalität, dass trotz all jener kleiner Glücksfälle keiner vom berüchtigten Bayern-Dusel spricht. Der Kernfaktor heißt nun: Dominanz - begründet in Willenskraft und im strukturierten Spielstil. Für den Fall des Titeltriples verspricht Kapitän van Bommel, sich das Markenzeichen des Anführers der Bayern-Helden von 2001 in den Nacken rasieren zu lassen: einen "Effenberg-Tiger". Präsident Uli Hoeneß erwartet in Lyon jedoch einen "heißen Tanz". Der zum Realo gereifte Schweinsteiger betont, dass "noch nichts erreicht ist".

Der Finaleinzug würde die Einkünfte aus dem internationalen Wettbewerb auf mehr als 50 Millionen Euro steigern - auch dank der vielen entscheidenden Tore von Arjen Robben. In Lyon fehlt sein Flügelpartner Franck Ribéry (Rotsperre), und das ist die zweite große Aufstellungsfrage: Wer ersetzt den Franzosen, von dessen Können die Bayern nur noch in einem gesunden Maße abhängig sind?

Olic könnte links aushelfen oder Müller, der im Hinspiel mit dem Haaransatz Robbens Schuss zum 1:0 abfälschte, dank eines abgesagten Friseurbesuchs. Ganz vorne könnte in Lyon mal wieder Mario Gomez zum Zug kommen, denn auch Miroslav Klose fehlte beim Training am Montag wegen einer Erkältung. Van Gaal übte nur mit 14 Mann.

Für die Mittelstürmer ist das von zündenden Aktionen der Flügeldribbler geprägte Bayern-Spiel nicht ideal, die Rückkehr von Toni Kroos legt für die Zukunft sogar ein System mit nur einer Spitze nahe. Ein Hinweis auf rar gewordene Vorlagen von außen war Kloses trockene Antwort darauf, was er sich am Samstag in Gladbach bei seinem Tor zum 1:1 gedacht habe: "Endlich mal 'ne Flanke!"

Endlich mal ein Titel, das denkt vermutlich Torwart Jörg Butt, der 2002 mit Leverkusen in zwei Wochen drei Titelchancen verspielte. "Dieser Vergleich verbietet sich, die Situation hier ist völlig anders", sagt Butt. Finalgegner der Bayern in der Champions League wäre Inter Mailand oder Barcelona (22. Mai).

Beim Stichwort Barça sei daran erinnert, dass das große Spiel in Lyon an einem Jahrestag stattfindet. Am 27.April 2009 entließ der FC Bayern Trainer Jürgen Klinsmann.

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