Champions League: FC Bayern:Putsch gegen den eigenen Torwart

Michael Rensing wird von Cheftrainer Klinsmann degradiert und Hans-Jörg Butt kassiert vier Gegentreffer.

Klaus Hoeltzenbein

Tragischer sind nur selten in der Historie des Fußballs die ersten zwanzig Minuten einer Partie verlaufen, als es am Mittwochabend in Barcelona dem Torwart Hans-Jörg Butt widerfuhr. Mitleiderregend, der gesamte Akt. Den ersten Ball, den Butt berührte, war jener, den er nach dem 0:1 von Messi aus dem Netz holen musste. Der zweite Ball, bei dem er einen Rolle spielte, war jener, den er nach dem 0:2 aus dem Netz holen musste - Eto'o hatte ihn ihm durch die Beine gespielt.

Champions League: FC Bayern: Hans-Jörg Butt steht im Tor der Bayern gegen den FC Barcelona.

Hans-Jörg Butt steht im Tor der Bayern gegen den FC Barcelona.

(Foto: Foto: dpa)

Fast schon die Höchststrafe, so ein frühes 0:2, so ein Beinschuss, nicht nur für einen Torwart. Und kurz darauf folgte jener körperliche Schmerz, der noch zunächst weit schlimmer war als der Schmerz über das grausame Resultat. Butt hatte sich Henry entgegengeworfen, der über den feuchten Rasen in ihn hineinschlitterte, mit gestreckter Schuhsohle, die den Torwart frontal ins Gesicht traf.

Es dauerte Minuten, ehe die Medizinmänner der Münchner ihre Arbeit beendet hatte. Notdürftig geklammert, gezeichnet von einer tiefroten Wunde unter seinem rechten Auge, sah Butt fortan aus wie ein Indianer mit Kriegsbemalung. Nur, dass die Schlacht von Nou Camp zu diesem Zeitpunkt schon verloren war. Aber wie war dieser Jörg Butt, 34, der nie zuvor ein Bundesligaspiel für die Bayern bestritten hatte, überhaupt hierher geraten? Wie kam es, dass ausgerechnet er dort stand, an diesem verfluchten Ort, im Zentrum der Blamage?

Butt ist von seinem Charakter her ja keiner, der einen Putsch anzettelt. Einmal hatte er für die Bayern halten dürfen seitdem er im Sommer 2008 von Bayer Leverkusen kam, beim 7:1 gegen Sporting Lissabon. Es sollte nur eine kleine Geste sein, ein Dank dafür, dass Hans-Jörg Butt, 34, so lange stillgehalten hatte.

Deshalb durfte er ran im Achtelfinale der Champions League gegen Sporting Lissabon, nachdem das Hinspiel 5:0 gewonnen worden war. Butt siegte zu seiner Bayern-Premiere 7:1, er war machtlos beim Gegentor - und zog sich widerstandslos zurück auf die Bank. Wie gesagt: vorbildlich, genau der richtige Mann, um Michael Rensing, 24, bei seinem schweren Start in die Nachfolge der Vereinsikone Oliver Kahn den Rücken freizuhalten. Butt ist keiner, der einen Putsch ausruft.

Er ist eher ein Charakter, dem der Putsch befohlen werden muss. Dem der Trainer Jürgen Klinsmann irgendwann an diesem Mittwoch in Barcelona erklärt haben muss, dass hier und heute eine Revolte stattfinden werde, nämlich die Ablösung der eigenen Nummer 1. Nicht eine Bundesligapartie hatte Rensing in der ersten Saison nach Kahn versäumt, nur dieses eine Spiel Sporting, war Butt überlassen worden.

Rensing bekommt seine nächste Chance am Samstag

Und nun stand dieser Butt ausgerechnet in dieser Partie im berühmten Camp Nou zwischen den Pfosten. "In Barcelona sind besonders Erfahrung und Ausstrahlung gefragt", sagte Klinsmann. "Das spricht für Butt, der schon mit Leverkusen im Champions-League-Finale stand. Diese Entscheidung ist aber in keinster Weise eine Demontage von Michael Rensing".

Aber natürlich war es ein Urteil von Klinsmann über Rensing, dass der FC Bayern in Barcelona den Torwart tauschte. Sein Chef traute ihm dieses extreme Spiel nicht zu, das ja auch richtungsweisend für seine, Klinsmanns, Zukunft war. Er entzog ihm den Sicherheitsauftrag.

Ein Torwart aber, dem so das Misstrauen ausgesprochen wird, der wird sich von diesem Verdikt nur schwer, wenn überhaupt, erholen. Auch wenn Klinsmann nachschob: "Rensing ist in einer Entwicklung. Wir sind zufrieden. Es ist das erste Jahr bei Bayern München. Es geht nicht immer zwei Schritte nach vorne, sondern auch mal einen zurück."

Was hatte sich Rensing zu schulden kommen lassen? Nicht viel, aber das war das Problem. Vermutlich hatte er nur eine minimale Chance, sich in Kahns mächtigem Schatten zu behaupten, aber ein Spiel wie am Samstag in Wolfsburg war wohl typisch für diesen Schlussmann: Er bekam fünf Gegentore, für keines konnte er persönlich verantwortlich gemacht werden, aber er verhinderte auch keines. Er hält die Unhaltbaren nicht, hieß es. Er hat nicht Aura des Kahn geerbt, hieß es. Er gewinnt keine Spiele, hieß es. Fazit: das wird nie ein Titan.

Klinsmann schien schon so ähnlich gedacht zu haben, als er vergangenen Sommer beim FC Bayern begann. Im Herbst, sickerte aus den gewöhnlich gut informierten Kreisen durch, habe er bereits wechseln wollen, von Rensing zum Nachwuchsmann Thomas Kraft, 20, doch dies wurde ihm untersagt. Rensing habe, so Manager Uli Hoeneß, sein Ehrenwort, dass er eine faire Chance auf das Kahn-Erbe erhalte. Vor diesem Hintergrund hat der Wechsel vom 8. April 2008 eine historische Parallele zum Titanensturz des damaligen Bundestrainers Klinsmann vor der WM 2006, als er Oliver Kahn zum Reservisten degradierte und Jens Lehmann zur Nummer 1 ausrief.

Rensing bekommt seine nächste Chance am Samstag im Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt, versicherte Jürgen Klinsmann. Und Hans-Jörg Butt hatte Mittwoch Nacht in Barcelona eigentlich wieder keine echte Chance. Bei keinem der vier Gegentore.

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