Champions League: FC Bayern:Prüfung für das van-Gaal-Modell

Alaba statt Khedira: Der Champions-League-Auftakt gegen den AS Rom wird zeigen, ob es richtig war, dass Bayern-Trainer Louis van Gaal in diesem Jahr auf teure Zugänge verzichtet hat.

Moritz Kielbassa

Einen Teil der jüngsten Länderspielpause verbrachte Louis van Gaal im "Paradies", wie er es nennt, in Vale do Lobo, seinem Urlaubsdomizil an der Algarve. Zu seinen Nachbarn dort zählt jener Trainer, der ihm die schmerzvolle Niederlage im Champions-League-Endspiel 2010 zufügte, José Mourinho. Hätte van Gaal dieses Finale gewonnen, sein Werk beim FC Bayern wäre früh vollendet gewesen.

Louis van Gaal

Er hatte sich schick gemacht: Bayern-Trainer Louis van Gaal am Dienstag in München. Kann seine Mannschaft ohne teure Zugänge in der Champions League bestehen?

(Foto: AP)

Nach dem 0:2 gegen Inter Mailand blieb Europas Klubkrone als großer Ansporn für die neue Spielzeit übrig, dennoch weiß Manager Christian Nerlinger, dass van Gaal beizeiten öfter im Paradies sein möchte. Irgendwann, sagt Nerlinger, "wird Louis von seinem Ferienhaus in Portugal aus eine Nationalelf coachen". Die Frage ist nur: Wann ist Irgendwann? Wann hat van Gaal genug von der täglichen Mühsal im Verein?

Ohne Ribéry gegen Rom

Sein Vertrag gilt bis 2011, ihn reizte bereits das Angebot, bei der WM in Südafrika Nigeria zu betreuen - dieser Zweitjob gefiel aber weder den Bayern noch Ehefrau Truus. Kokettiert hat der gerne kokette Koloss aus Amsterdam mit einem zeitnahen Abschied schon einige Male. Er nannte die WM 2014 als Ziel - und das Amt des Bundestrainers erstrebenswert, weil 80 Prozent der, so van Gaal, "wunderbaren deutschen Fußballer" eine Siegermentalität wie Mark van Bommel hätten, sein Münchner Kapitän - in Holland aber nur jeder Fünfte.

Zudem legte van Gaal den Bayern bereits seinen Assistenten Andries Jonker als Nachfolger ans Herz, zur Fortsetzung seiner konzeptionellen Arbeit. Das alles sollte man nicht zu ernst zu nehmen - glaubt Uli Hoeneß. Der Präsident bekräftigt vor dem Start der neuen Champions League-Saison am Mittwochabend gegen den AS Rom: "Ich gehe davon aus, dass Louis bleibt."

Der Trainer ist immer der wichtigste Faktor der Planung - erst recht, wenn er so speziell ist wie van Gaal. Kein Bayern-Coach wich bisher von der traditionellen Transferlinie des Hauses so ab wie der 59-Jährige. Van Gaal gab dem Klub - neben der alten Vorliebe für Stars - zwei neue Markenkerne: Jugendstil und offensiven Fortbildungsfußball.

Trotz zuletzt hoher Einnahmen und dem Ziel, in der Champions League auch noch den letzten Schritt zu schaffen, der im Mai misslang, lehnte der Trainer teure Zugänge ab. Er verzichtete auf verfügbare Außenverteidiger (van der Wiel, Coentrao), er setzt auf die hauseigene Entdeckung Diego Contento. Und während Mourinho die deutschen WM-Helden Khedira und Özil zu Real Madrid lotste, verwarf der FC Bayern entsprechende Überlegungen, weil man laut Nerlinger nicht vom internationalen Höchstniveau der beiden überzeugt war. Er hätte auch sagen können: Van Gaal hatte Zweifel.

Alaba ist besser

Sami Khedira mittelfristig als Nachfolger für van Bommel, 33, das zogen die Bayern in Erwägung, doch van Gaal sagte bei internen Klausuren: David Alaba, 18, ist besser! Khedira trotzdem "für 15 Millionen" zu kaufen, weiß Hoeneß, ergäbe keinen Sinn, Khedira säße auf der Bank - "und spielen würde Alaba!" Hoeneß gibt zu, dass diese Haltung für die Vereinsbosse gewöhnungsbedürftig ist - mit einem weiteren konkreten Beispiel: "Bei van Gaal müssen wir unsere Einkaufspolitik ändern. Hätten wir zu Ottmar Hitzfeld gesagt. Wir holen Manuel Neuer als Torwart, hätte der gesagt: wunderbar! Aber Louis tickt anders!"

Van Gaals Modell eines sukzessive verschlankten und verjüngten Kaders war bisher ein Segen für die Klubkasse, es bescherte Titel und begeisternden Sport. Doch die Chefetage bleibt wachsam, die spannende Frage ist, wie intern bei ausbleibendem Erfolg debattiert würde. Auch in der Champions League muss sich der mutige Kurs van Gaals jetzt neu beweisen: Wird die Vorrundengruppe mit Rom, Basel und Cluj souverän gemeistert? Erfüllt sich die Sehnsucht nach einer neuen Bayern-Epoche in Europas Elite?

Steigt die "Bayern-Aktie" weiter?

Vorstandschef Rummenigge hofft nach dem Rausch der Vorsaison auf "Stabilität in der Champions League wie zwischen 1999 und 2001"- mit drei Halbfinals in Serie bis zum Titel in Mailand. Die ersten Vertragsabschlüsse bis 2015, mit Ribéry ("isch abe gemacht fünf Jahre mehr") und Müller ("ich würde sofort für zehn Jahre unterschreiben"), waren Teil der Expansionspläne. Auch Lahm und Schweinsteiger nennt Nerlinger "unverkäuflich, sie sind unser Fundament".

Kein Aspekt ist solchen Spitzenspielern wichtiger als die sportliche Entwicklung. Behält also der junge Müller Recht, der kess vorhersagt, die "Bayern-Aktie" werde weiter steigen? Oder bestätigt sich nach einem Frühling nahe am Limit die Prognose, es werde schwierig, dieses Niveau zu halten, oder gar: zu toppen? Van Gaal sagt: "Es gibt nur einen Favoriten: Barcelona - und zweitens Chelsea."

Behandle die Reservisten gut!

Rom ist für die Bayern eine harte erste Prüfung, denn beide Flügelkünstler fehlen: Franck Ribéry ist noch rotgesperrt, und die Verletzung des im Europapokal zuletzt herausragenden Arjen Robben erwies sich bereits beim zähen Bundesliga- Start als Handicap - neben den allgemeinen physischen Folgen der kraftzehrenden WM. Auch deshalb setzte der Vorstand dem Drang des Trainers, das Aufgebot zu reduzieren, zuletzt Grenzen.

Gomez, Demichelis und Timoschtschuk blieben, trotz derzeit mäßiger Perspektiven, es waren Signale an van Gaal: Wir erfüllen dir Wünsche - aber es gibt keine Alleingänge bei uns. Behandle die Reservisten gut, denn du wirst sie brauchen! Zu wenig Konkurrenzkampf schadet!

Obwohl sie "den Louis" mit dem starken Ego, wie Hoeneß sagt, während der Festwochen im Mai "lieb gewonnen haben", und obwohl van Gaals Fachkompetenz unstrittig ist - es bleibt die Skepsis, dass der konzepttreue Coach das Rad in Personalfragen zuweilen doch ein Stück überdreht. Van Gaal stellt nie nach Namen auf, immer nur nach seinen Idealen von Gruppenfußball, nachzulesen in seiner Biographie, die bald auf Deutsch erscheint. Vorstellen würde van Gaal das Werk dem Vernehmen nach gerne auf der Buchmesse in Frankfurt - in der nächsten Länderspielpause.

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