Champions League: FC Bayern:Wer ist hier eigentlich das Oberhaupt?

Der Hoeneß-Streit überschattet den Champions-League-Auftritt des FC Bayern in Cluj. Von der Aufarbeitung der Krise dürfte abhängen, ob Louis van Gaal tatsächlich Trainer des Klubs bleibt.

Andreas Burkert

Es ist auch am Mittwoch den ganzen Tag sehr diesig gewesen über Cluj im welligen Siebenbürgenland, ein Offizieller aus dem Tross des FC Bayern witzelte, in der schweren Luft liege wohl noch der Rauch der Friedenspfeife. Als Friedensgipfel ist ja zunächst die rund anderthalbstündige Unterredung von Bayern-Trainer Louis van Gaal, 59, und Präsident Uli Hoeneß, 58, bewertet worden, die sie am späten Dienstagnachmittag im sechsten Stock ihres Mannschaftshotels "Opera Plaza" abgehalten hatten.

Uli Hoeneß FC Bayern München

Nicht abgestimmter Angriff: Uli Hoeneß möchte Oberhaupt der Bayern-Familie bleiben.

(Foto: dpa)

"In einer offenen Diskussion hat man sich ausführlich ausgetauscht und auch ausgesprochen", hatte der Klub dann schriftlich zur verblüffenden Wendung in diesem Streit unter meinungsstarken Männern mitgeteilt. Doch nach allem, was man bisher in Erfahrung bringt zu diesem Gipfeltreffen, wird die Europacup-Reise nach Rumänien wohl doch eher weniger als Friedensmission in die Klubhistorie eingehen.

Dass Karl-Heinz Rummenigge, der bislang noch nicht als Mediator in Erscheinung trat, die zwei Kombattanten überhaupt an den Tisch brachte, an dem auch sein Finanzvorstand Karl Hopfner und Sportdirektor Christian Nerlinger saßen - das darf sich der Vorstandschef mit Recht als Erfolg zuschreiben lassen. Nur kurz zuvor hatte ja van Gaal in seiner denkwürdigen Pressekonferenz zum Spiel in Cluj mit seiner Replik ("erstaunt und enttäuscht") auf Hoeneß' Angriffe vom Sonntag Rummenigges Mission massiv erschwert. Doch eine große Freundschaft werde das nicht mehr werden, heißt es nun aus dem Verhandlungskreis. Es sei einfach zu viel passiert.

Hoeneß hat sich dem Vernehmen nach auch nicht entschuldigt, wofür auch, wird er sagen. Van Gaal wiederum habe erstaunlich besonnen und ruhig debattiert. Vor sechs Jahren hat er mal seinen Posten als Direktor von Ajax Amsterdam kurzfristig niedergelegt, weil er die Unterstützung der Klubspitze vermisste; er hat beim FC Barcelona mit Diven wie Hristo Stoitschkov gebrochen, ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen für seine Stellung. Van Gaals Rücktritt habe seit Sonntag aber niemals zur Debatte gestanden, sagt ein Beteiligter. Dafür schätze er zu sehr die Arbeit mit dem Team, das mehrheitlich hinter ihm steht.

Doch ob van Gaal seinen kürzlich bis Juni 2012 verlängerten Vertrag erfüllen wird, hängt jetzt vielleicht auch von der internen Aufarbeitung des Vorgangs ab. Wer das Kleingedruckte des Friedensabkommens von Cluj liest, dem erschließt sich bereits eine gravierende Änderung, die Hoeneß womöglich beabsichtigte: Er, der - nach rund drei Jahrzehnten als Manager - vorigen Herbst ins Ehrenamt und Kontrollorgan wechselte, er rückt wieder näher an das Geschehen heran.

"Es wurde vereinbart, künftig öfter sich genau in diesem Kreis zu treffen und alle anstehenden Themen des FC Bayern München zu besprechen", heißt es in der Bayern-Depeche zur Aussprache. Hoeneß soll offenkundig wieder an den "Montagsgesprächen" zwischen Vorstand und Trainer, die alle zwei, drei Wochen stattfinden, teilnehmen. Er wäre demnach zurück im operativen Geschäft.

Kochen für Schweinsteiger

Was Rummenigge oder Nerlinger davon und über Hoeneß' nicht abgestimmten Angriff auf den Trainer denken, wäre spannend zu wissen. Rummenigge, 55, hatte jedenfalls Gefallen daran gefunden, aus dem Schatten des populären Kollegen zu treten, der als Gesicht, Gewissen und Instanz des FC Bayern galt - und weiter gilt. Und Hoeneß' Nachfolger Nerlinger, 37, darf sich nach dem öffentlichen Tribunal, das der Präsident im TV-Studio abhielt über jenen Mann, mit dem er täglich arbeitet, noch mehr zurückgestuft fühlen. Indirekt hat Hoeneß Vorstand und Sportchef mit seinen Tiraden ja auch mitgeteilt, dass er Zweifel an der neuen Machtstruktur hegt.

Dass Louis van Gaal bisweilen den Bogen überspannte mit seinem schroffen Humor, etwa zuletzt bei seiner Buchpräsentation, als er mal wieder "meinen Vorstand" und "meinen Präsidenten" belehrte, ist allerdings Konsens im Verein. Andererseits haben sie alle gewusst, auf wen sie sich da einließen, auch Hoeneß. Van Gaal hat ihnen, als die Münchner ihn im April 2009 in Holland umwarben, lückenlos erklärt, wie er arbeitet, was er voraussetzt, wie er tickt.

Aber auch Hoeneß möchte wohl bleiben, was er ist: das Oberhaupt der Familie FC Bayern. Und so empfängt er natürlich weiterhin daheim am Tegernsee Spieler, die ihm ihr Leid klagen. "Wir werden es nie akzeptieren, dass ein Spieler, der Probleme hat, nicht mit mir reden kann", sagte Hoeneß erst am Freitag in einer kleinen Runde mit internationalen Journalisten.

So hat er schließlich Franck Ribéry von der Vertragsverlängerung überzeugt. Hoeneß will demnächst auch den nächsten Kandidaten daheim umgarnen, Bastian Schweinsteiger: "Meine Frau wird für Bastian und seine Freundin kochen."

Mit Differenzen über solche Dinge könne er leben, sagt Hoeneß. "Ich muss den Verein glücklich machen, nicht den Trainer."

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