Champions League:Ein Feldversuch mit Namen Luca Toni

Daheim ausgepfiffen, in der Bundesliga erfolgreich: Der Torjäger aus Italien muss sich jetzt erstmals in der Champions League beweisen.

Andreas Burkert

Die Hymne der Champions League gefalle ihm, sagt Luca Toni, seine Augen glitzern noch heller als sonst, "das ganze Ambiente ist schön". Allerdings hat er sich bisher nur über Zeugenberichte und die trügerische Wahrheit der Fernsehbilder einen Eindruck von der Show verschaffen können. Denn er, der inzwischen 31-jährige Weltmeisterstürmer Italiens, ist selbst nie dabei gewesen. Kein einziges Mal. "Daheim mit Freunden am Fernsehen" habe er Europas Stars bisher zugeschaut, sagt er, "und deshalb freue ich mich jetzt natürlich unheimlich". Auf seine Premiere in der Champions League am Mittwoch mit dem FC Bayern, in Rumänien bei Steaua Bukarest.

Champions League: Die Münchner haben zu Torjäger Luca Toni vollstes Vertrauen.

Die Münchner haben zu Torjäger Luca Toni vollstes Vertrauen.

(Foto: Foto: dpa)

Toni fühlt sich derzeit ohnehin wohl in München, nachdem man ihn zuletzt in der Heimat wegen unerfreulicher Auftritte mit der Nationalelf auspfiff. "Früher war es immer so, dass er gern nach Italien gegangen ist, wenn Länderspiel ist", sagt Manager Uli Hoeneß. "Jetzt habe ich das Gefühl, dass er gerne nach München zurückkommt - und das ist nicht das Schlechteste für uns." Dass er ihnen ziemlich gut tut, bezweifeln die Bayern sowieso nicht, nach 39 Toren in 46Pflichtspielen seiner ersten Spielzeit hat Toni ja seine Bilanz am Samstag in Köln früh auf drei Ligatreffer ausgebaut. Aber das ist eben Köln gewesen. Für Toni. Und für Bayern.

Hassparolen am Arno

Nach der vergangenen Double-Saison sind die Münchner ja selbst seltsam unbefriedigt gewesen. Denn sie wussten nicht, welchen Wert ihr kostspielig erneuertes Projekt auf dem Kontinent besitzt; der heftige K.o. im Halbfinale von St. Petersburg im kleinen Uefa-Pokal wirkte nach. Sie hätten sich "im Uefa-Cup eingespielt", sagt Hoeneß heute, für die Rückkehr in die erste Klasse. Erst dort wird ihr Projekt nun überprüft. Und der Klubtrainerdebütant Jürgen Klinsmann mag im Fokus vieler Betrachtungen stehen, doch das Gesicht des Feldversuchs unter verschärften Bedingungen ist Luca Toni.

In der Liga ist er ja nicht zu fassen wegen seiner listigen Art, die weniger auf Technik als auf der Wucht eines 194 Zentimeter großen Körpers beruht. Doch schafft dieser oft germanisch anmutende Stoßstürmer aus Italien den Sprung auf das nächste Niveau? Toni sagt grinsend, er habe keine Angst. "Das ist doch nicht so entscheidend, wie viele Spiele du da gemacht hast - wichtig ist, dass du große Lust hast, und wenn du ein Jahr mitgespielt hast und vielleicht sogar gewinnst, ist es doch auch gut, oder?" Auch Hoeneß sorgt sich nicht um den Debütanten, "Luca braucht sich doch nicht zu beweisen", entgegnet er, "der ist Weltmeister!" Toni habe "nur das Pech gehabt, bislang bei Klubs zu spielen, die für die Champions League keine Rolle spielten. Er ist ja sowieso ein Spätstarter".

Luca Toni empfindet es sogar als "Wunder, in wenigen Jahren Karriere gemacht zu haben". In keiner italienischen Nachwuchsauswahl spielte er mit, erst mit den 30 Toren für den damaligen Zweitligisten Palermo (2003/04) schaffte er den Durchbruch. Ein Jahr später debütierte er, 27-jährig, in der Nationalelf, für deren Rückschritte er nun verantwortlich sein soll. Daheim schlage Zuneigung schnell in Ablehnung um, meint Toni dazu lakonisch, wie in Florenz, wo sie ihren einst innig geliebten Schützenkönig nach der Unterschrift in München mit Hassparolen auf den Kaimauern des Arno verewigten. Zu den Gründen für die missratene EM möchte er lieber nichts konkret äußern. Hoeneß sagt: "So, wie sie in Italien spielen, immer nur lange Bälle - da schießt nicht mal der Kaiser von China ein Tor. Doch wenn man den Gegner hinten reindrückt und im Strafraum viel los ist - das ist seine Stärke." Toni könne man auch nachts um drei wecken. "Er würde trotzdem treffen."

Nervende Theatralik

Den Gegner reindrücken, "dominant" spielen, wie Klinsmann das nennt - in Köln und davor gegen Berlin klappte das. Und in der Champions League? Er werde sein Können beweisen, antwortet Toni stur, "und es müssen nicht viele sein, aber ich will wichtige Tore schießen". Er glaubt wohl weniger an jene Tendenzen, welche Experten ausgemacht haben: dass der klassische Stürmer aussterbe, auch die sich aufreibenden "Wandspieler", wie Klinsmanns Vorgänger Ottmar Hitzfeld den Typ Toni bezeichnete - und dass stattdessen nachrückende Angreifer aus dem Mittelfeld den Trend seien. Wie Spaniens EM-Held Villa, Schwedens Allrounder Ibrahimovic (Inter Mailand) oder Cristiano Ronaldo und Tevez von Titelverteidiger Manchester United.

In München ist das Vertrauen in Luca Toni noch grenzenlos: Er werde wieder am Ohr schrauben. In Italien indes nervte er zuletzt mit Schwerfälligkeit und einer Theatralik, die bei Bayern an schlechten Tagen ebenfalls schon zu sehen war. Gehört dazu, hat Toni mal der Zeit gesagt, "es ist nicht schön, den Gegner betrügen zu wollen. Aber es ist schön, alles dafür zu tun, dass die eigene Mannschaft gewinnt". Jetzt ist er in der Champions League, das war ihm wichtig. Ansonsten zählt: die Heimat. "Mein Land", sagt er, "bleibt Italien."

Toni wird zurückkehren, deutlich vor Vertragsende 2011, daran zweifeln wenige in München. Vielleicht geht er wieder nach Florenz, zu den Enttäuschten. Dort hat Präsident Delle Valle versöhnlich kundgetan, Toni solle "bei Bayern so viel Geld wie möglich verdienen und dann zurückkehren". Das nächste Wiedersehen ist schon terminiert: Am 21. Oktober kommt der AC Florenz nach München. Zur Musik der Champions League.

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