Champions League:Schon wieder 0:1

Atletico Madrid vs Bayern Munich

Saul Niguez (l.): Diesmal ohne Tor, aber nicht ohne Klasse

(Foto: dpa)

Von Claudio Catuogno, Madrid

Nein, Rache sei wohl "das falsche Wort", hatte der weise Philipp Lahm verfügt. Und damit hatte er schon deshalb Recht, weil Rache ja immer das falsche Wort ist im Fußball. "Wir sind halt bitter ausgeschieden damals", erinnerte sich Lahm. Man habe also etwas gut zu machen. Damals, das war im Frühjahr 2016, als der FC Bayern im Halbfinale der Champions League gegen Atlético Madrid antreten musste, 0:1 auswärts, 2:1 zu Hause, aus der Traum. Das war die Blaupause für jene Partie am Mittwoch, die die Münchner schon wieder ins charaktervoll-morbide Estadio Vicente Calderón führte, bloß diesmal zum zweiten Spiel der Gruppenphase.

Die nackten Zahlen dieser Dienstreise: schon wieder ein 0:1 (0:1).

Ausgeschieden sind die Bayern diesmal nicht, aber in der Tabelle liegen sie jetzt drei Punkte hinter den Spaniern. "Atlético hatte den Killerinstinkt, uns hat er heute gefehlt. In München haben wir aber die Chance, gegen sie zu gewinnen", sagte Bayern-Torhüter Manuel Neuer über das Spiel, das die Bayern aggressiv und griffig begonnen hatten, bevor sich mit zunehmender Spieldauer immer mehr Unkonzentriertheiten ins Aufbauspiel einschlichen. "Wir waren nicht bissig und nicht entschlossen genug", meinte Trainer Carlo Ancelotti später.

Auch die kleine Schwester der Rache, die Revanche, ist also ausgefallen. Das war aber nicht das Wichtigste. Die Möglichkeit, sich doch noch irgendwie nachträglich ins Finale zu schleichen, sah die Uefa ja leider nicht vor. Schon eher taugte das zeitige Wiedersehen als erste Standortbestimmung für die neuen Ancelotti-Bayern. Für jene Elf also, die nach grandiosen fünf Siegen in fünf Spielen wieder ihren Stammplatz an der Tabellenspitze der Bundesliga besetzt hält, was nun aber nicht mehr gar so grandios erscheint, wenn man bedenkt, dass die nötigen Punkte gegen Klubs wie Werder Bremen, Ingolstadt oder den Hamburger SV zusammengerafft wurden.

Die neue Elf war die alte

In der Hinsicht fiel nun Folgendes auf: Die neue Bayern-Elf ist - nominell - im Grunde die alte; auf acht von elf Positionen war sie identisch mit jener vom 27. April. Jérôme Boateng war seinerzeit verletzt, David Alaba musste ihn in der Innenverteidigung ersetzen - links spielte Juan Bernat. Nun war Boateng wieder dabei, Alaba durfte nach links hinausrücken (der von einer Knieblessur genesene Mats Hummels saß zunächst nur auf der Bank). Der Mittelfeldkern war sogar komplett der gleiche wie im April (Thiago, Vidal, Alonso).

Die größte Veränderung betraf die Außenstürmer: Der Trainer Pep Guardiola hatte damals nach taktischer Intensivrecherche auf Douglas Costa und Kingsley Coman vertraut - die Frage, ob diese Besetzung womöglich zu verkopft war, beschäftigte den immer sehr emotionalen Bayern-Kosmos bis zum Rückspiel. Verkopft war diesmal nix, eher im Gegenteil: Links durfte Franck Ribéry seine Dribblings versuchen, rechts war der unkonventionelle Thomas Müller gesetzt. Ribéry und Müller brachte Guardiola damals in der zweiten Halbzeit. Für Costa und Coman. Es war nicht überraschend, dass die Münchner erst mal auf ihre eingeübten Handlungsmuster zurückgreifen konnten, es ergaben sich dadurch viele Spielanteile in der gegnerischen Hälfte. Eine Direktabnahme von Müller nach Lupfer von Thiago war in der 13. Minute die beste Bayern-Chance - der Atlético-Torwart Jan Oblak stand genau in der Schussbahn.

Griezmann hätte es noch schlimmer machen können

Allerdings entsprach das, was anfangs noch nach kontrolliertem Bayern-Spiel aussah, genau der Strategie von Atlético. Abwarten, lauern - und dann blitzschnell kontern. Diese Spielweise ist dank des Trainers Diego Simeone längst zur DNA der Madrilenen geworden. Die Überfälle misslangen zwar häufiger, weil die Münchner anfangs noch robust im Weg standen, selbst Samtfuß Thiago gab den Balleroberer. Aber oft genug, um die Münchner in Schwierigkeiten zu bringen, gelangen die Konter doch - zumal die Bayern im Aufbauspiel fahriger wurden und zu oft die Bälle verloren.

Nach 18 Minuten musste Manuel Neuer das erste Mal auf den Boden - Yannick Ferreira-Carrasco zog aus der zweiten Reihe ab, Neuer parierte. Javi Martínez war zuvor ein Pass missglückt. Was ins Bild passte - schon in der 12. Minute hatte Martínez den Ball zu Torres gestolpert, nur mit Mühe konnte er ihn wieder wegstochern. Kurz darauf traf Torres nach einer Ecke den Pfosten (23.). Die Führung gelang Atlético in der 35. Minute: Ferreira-Carrasco hatte, bedient von Antoine Griezmann, an der Strafraumgrenze viel Platz zum Abschluss. Und auch, wenn die Bayern nicht so düpiert aussahen wie seinerzeit nach dem berühmten Slalomlauf des Saúl Níguez - das Tor war typisch für die einreißenden Schludrigkeiten.

Einen Münchner Fehlpass fing Atlético ab, der Konter rollte, Alonso verlor ein Kopfballduell, Boateng rutschte aus - am Ende klatschte der Ball an den Innenpfosten und von dort ins Tor. Die zweite Halbzeit unterschied sich von der ersten durch zweierlei. Atlético erzielte kein Tor. Und die mit drei neuen Akteuren (Robben, Hummels, Kimmich) bestückte Bayern-Elf kam noch seltener zwingend vors Tor. Am Ende gab es noch einen Elfmeter für Madrid - Griezmann setzte ihn an die Latte (84.). Vidal hatte Filipe Luís rustikal aus dem Weg gerempelt. Aus Rache? Dabei ist die doch streng verboten.

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