Champions League:Die verbrannte Milliarde

Mit viel Geld aus Katar sollte Paris Saint-Germain die Champions League gewinnen - doch das teuerste Projekt der Fußballgeschichte versinkt im Pyro-Nebel des Prinzenparks. Trainer Unai Emery muss wohl gehen.

Von Javier Cáceres, Paris

Da stand er nun, Nasser Al Khelaifi, der Patron von Paris Saint-Germain, die Hände leger in den Hosentaschen seines dreiteiligen blauen Anzugs vergraben, und versuchte sich an Erklärungen für das spektakuläre Scheitern des teuersten Projekts der Fußballgeschichte. Mit einer Reihe von Floskeln, die auf Französisch ein wenig verführerischer klangen, aber deswegen nicht gehaltvoller waren. "Wenn wir das erste Tor gemacht hätten, hätte das Spiel anders ausgesehen", sagte der Präsident von PSG etwa, oder: dass man ja gegen einen großen Gegner wie Real Madrid ausgeschieden sei, weshalb nun, unmittelbar nach dem Champions-League-K.-o. auch gar "nicht der richtige Moment" sei, "um über Veränderungen zu sprechen". Vor allem aber sagte er dies: "C'est le foot!" Zu Deutsch: "So ist Fußball."

Auf weit mehr als eine Milliarde Euro lassen sich die Gesamtinvestitionen addieren, seit das katarische Fürstenhaus im Jahr 2011 PSG übernahm. Allein im vergangenen Sommer warfen sie für gerade einmal zwei Spieler mehr als 400 Millionen Euro in den Markt: Es kamen die 222-Millionen-Euro-Investition Neymar jr. (der wegen seiner verletzungsbedingten Abwesenheit am Dienstag dann doch schmerzlich vermisst wurde) sowie der vorerst ausgeliehene Kylian Mbappé, für den PSG im Sommer 180 Millionen Euro an den AS Monaco abdrücken muss. Doch die petrodollarfinanzierte Champions-League-Revolution bleibt weiter aus.

Paris Saint-Germain - Real Madrid

Kommt ein Ronaldo geflogen, dann brennt Paris: Nach dem Kopfball des Torjägers (in Weiß) zum 1:0 für Real Madrid war die Partie entschieden.

(Foto: Christophe Ena/dpa)

Noch nie ist PSG seit dem Einstieg der Katarer über das Viertelfinale der Königsklasse hinausgekommen; diesmal gab's sogar schon nach dem Achtelfinale bloß Häme. 1:3 im Hinspiel in Spanien. Und nun 1:2 im Rückspiel daheim. "Scheich matt", wortspielte die Zeitung El Mundo Deportivo in Barcelona. Als in der Mixed Zone ein spanischer Radioreporter zu Al Khelaifi sagte, dass man Reals (am Dienstag wieder einmal brillanten) Marco Asensio für besser halte als Mbappé, und im Anschluss fragte, ob er nicht besser den Mallorquiner holen wolle (Ausstiegsklausel: 700 Millionen Euro), warf ihm Al Khelaifi furchterregend strafende Blicke zu. Im eigenen Haus veralbert werden - das war für Al Khelaifi dann doch zu viel.

"Da war ich überrascht und auch ein bisschen sauer" - Draxler kritisiert PSG-Trainer Emery

Andererseits: Was anderes hätte er erwarten können? Zu offensichtlich war die Bankrotterklärung gewesen, auf allen erdenklichen Ebenen. Sportlich, aber auch institutionell. Zwei Mal musste der deutsche Schiedsrichter Felix Brych die Partie unterbrechen, weil die vom PSG-Präsidium hofierten Ultras im Prinzenparkstadion eine sorgsam choreografierte Pyronale abhalten konnten. Eingedenk der strikten Einlasskontrollen beim Hochrisikospiel, oder auch gemessen an den fast schon paramilitärischen Methoden, mit denen über das Rauchverbot im Stadioninneren gewacht wird, erscheint völlig undenkbar, dass so eine an den Balkan oder Argentinien gemahnende Menge an bengalischen Feuern ohne Einwilligung - oder gar Zutun - des Klubs ins Stadioninnere gelangen konnten. Passend dazu dankte Nasser Al Khelaifi den Fans für ihre Unterstützung ausdrücklich.

Umso frappierender, dass der sprichwörtliche Funke so gar nicht übersprang. Beziehungsweise: dass der Ballon namens PSG nicht etwa laut und spektakulär platzte, sondern 45 000 Zuschauer vergleichsweise erstaunt zusahen, wie die Luft über die Dauer von 90 Minuten bloß schleichend entwich. "Ich hatte ein Team mit einem Messer zwischen den Zähnen erwartet", sagte der frühere italienische Meistertrainer Arrigo Sacchi in Anspielung auf PSG; "stattdessen sah ich ein Real Madrid, das mit einer Zigarette im Mundwinkel spielte". Sogar L'Équipe war entgeistert: "Die Remontada im Camp Nou war besser; das Leiden war schöner. Da gab es wenigstens ein Gefühl", leitartikelte das Sportblatt voller Melancholie. Die Remontada, muss man dazu wissen, steht für die monumentale 1:6-Pleite der Pariser aus dem Vorjahr beim FC Barcelona - durch die, ebenfalls im Achtelfinale der Champions League, ein 4:0-Hinspielerfolg perdu ging.

Paris Saint-Germain v Real Madrid - UEFA Champions League Round of 16: Second Leg

Ultra-Fans von PSG veranstalteten auf der Tribüne im Prinzenpark Feuerwerke in extremem Ausmaß.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Trainer war damals schon der Baske Unai Emery, der im vorangegangenen Sommer als dreimaliger Europa-League- Sieger mit dem FC Sevilla an die Seine kam. Nun ist er derart entzaubert, dass er mit dem Ende seiner Zeit bei PSG rechnen muss - und für einen Anschlussjob bei einem anderen der großen Klubs Europas kaum noch infrage kommen dürfte. Seine Niederlage an der Taktiktafel gegen Madrids coolen Coach Zinédine Zidane war derart monumental, dass Emerys Beschwichtigungen nur hohl klangen.

"An Madrid zu scheitern, ist nicht enttäuschend; im Achtelfinale auszuscheiden, schon", sagte er nach einer Partie, in der Real durch Cristiano Ronaldo (51.) und Casemiro (80.) zu den Siegtreffern kam. Emery selbst wollte nicht über seine Zukunft sprechen ("Daran denke ich heute nicht"), doch wie sehr sein Schicksal besiegelt ist, ließ sich daran erkennen, dass sich sogar Julian Draxler zu massiver Kritik hinreißen ließ. Dass Emery nach dem zwischenzeitlichen Ausgleichstor von Cavani mit seiner, Draxlers, Einwechslung (76.) zögerte, verärgerte den Deutschen: "Da war ich überrascht und auch ein bisschen sauer. Das 1:1 ist zwar gefallen, aber ein 1:1 hätte uns gar nichts gebracht. Deswegen habe ich gedacht, dass wir weiter auf die Tube drücken und offensiv spielen sollten", sagte Draxler im ZDF.

Fussball

Die PSG-Spieler (ganz rechts: der deutsche Weltmeister Julian Draxler) schlichen geknickt vom Feld.

(Foto: FranckFaugere/WITTERS)

Und nun? "Unsere Strategie und unsere Investitionen stehen nicht infrage", sagte PSG-Boss Al Khelaifi - als spiele keine Rolle, dass das Scheitern chronisch zu werden droht. Jedoch: In Paris grassiert schon die Angst, dass der fußverletzte Neymar das anders sehen könnte. Schon die Art und Weise, wie er sich über den Wunsch von PSG hinwegsetzte, mit der Fuß-Operation bis nach dem Spiel gegen Real zu warten, sprach Bände; dass er sich das so bei einem anderen Top-Klub hätte leisten können, erscheint kaum vorstellbar.

Am Dienstagabend sorgte nun der brasilianische Verteidiger Marquinhos für Panik an der Seine. Er warb um Geduld, "um Automatismen zu entwickeln und als Mannschaft Reife für Spiele wie diese zu erlangen" - und bezog das auf Neymar. Er hoffe, dass sich auch sein Landsmann "das Vertrauen in unser Projekt, unsere Spieler, unser Team" bewahre: "Ich bitte ihn, zu bleiben." Eine Bitte, die bei 47 Millionen Euro Nettogehalt und langfristigem Vertrag nur einen Grund haben kann: dass Neymar Zweifel geäußert hat, dass der Wechsel zu PSG die beste Idee für seine Karriere war.

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