Champions League:Die Nacht der gewetzten Messer

Vor dem Spiel gegen Liverpool drohen die Juve-Anhänger unverhohlen mit Rache für die Heysel-Katastrophe vor 20 Jahren.

Von Birgit Schönau

Es waren einmal die englischen Hooligans. Bei jedem Auswärtsspiel ihrer Teams ging der Kontinent in Deckung, denn die Engländer waren berüchtigt dafür, dass sie, gern unterfüttert mit einigen Dosenrationen Bier, Tribünen wie gegnerische Fans auseinanderzunehmen pflegten. Am Mittwoch spielt der FC Liverpool in Turin gegen den FC Juventus, Viertelfinale der Champions League fast genau 20 Jahre nach dem fatalen Landesmeister-Finale der beiden Mannschaften, das zur Tragödie von Heysel degenerierte, mit 39 Juventus-Fans, die im Stadion von Brüssel in panischer Flucht vor den Liverpooler Hooligans erstickt, erdrückt, zu Tode getrampelt wurden.

An Heysel war vergangene Woche beim Hinspiel in Liverpool erinnert worden, das die Engländer 2:1 gewannen. Bei der Gedenkminute für die Opfer hatte es einen Eklat gegeben - auf Seiten der Italiener. Stinkefinger, Schmährufe, demonstratives Den-Rücken-Kehren. In Liverpool waren sie wie vor den Kopf gestoßen, dabei war der Auftritt der Juventus-Ultràs nur ein weiteres Indiz dessen, was sich mittlerweile in Europa herumgesprochen hat: Geht in Deckung! Die Hooligans kommen jetzt aus Italien. In Turin gibt es seit Dienstag keinen Alkohol mehr: polizeiliches Verbot in der Hauptstadt des aperitivo, der Heimat von Martini und Cinzano. Die Polizei will verhindern, dass die Engländer trinken vor dem Spiel. Aber in Wirklichkeit haben die Ordnungskräfte viel mehr Angst vor den eigenen Fans. Italienische Ultràs neigen nicht zu Alkoholexzessen. Ihre Gewaltbereitschaft senkt das kein bisschen.

Auszüge aus den Internetforen der Juventini: ¸¸Seit 1985 warten wir auf diese Stunde der Rache." - ¸¸Turin, 13. April 2005 - Eröffnung der Jagd auf die Engländer." - ¸¸Bringen wir sie um, wie sie es mit unseren Leuten gemacht haben." - ¸¸Schärft die Messer, sucht eure Schlagstangen." Die liberale Turiner Tageszeitung La Stampa, wie Juve im Besitz der Autodynastie Agnelli, veröffentlichte diese Drohungen in ihrer Dienstagsausgabe und äußerte die ziemlich offenkundige Befürchtung: ¸¸Das Match könnte eine Gelegenheit zum Schlagabtausch zwischen gegnerischen Tifosi werden."

Die Nacht der gewetzten Messer

In Liverpool blieben über 1000 Karten unverkauft, aus Angst vor den Italienern. 900 Polizisten werden in Turin abgestellt, gut 500 davon ins Alpenstadion. In dieser Festung sollen dann Del Piero, Ibrahimovic, Nedved und Co. die Qualifizierung für das Halbfinale vollziehen. Der Klub hat seine Tifosi nicht offiziell zur Räson gerufen. Es handelt sich ja auch nicht um ein neues Phänomen. In der Rangfolge der Fankrawalle stehen die rechtsgerichteten Juventini von Viking auf Platz zwei hinter dem Spitzenreiter Irriducibili von Lazio Rom und noch vor den mittlerweile auch rechtsextrem beeinflussten Fans des AS Rom.

Fanpartnerschaften wie Auseinandersetzungen gründen in Italien längst auf der politischen Couleur der Gruppen. Die rechten Ultràs von Lazio und Inter Mailand verstehen sich bestens, zwischen den einstigen Verbündeten vom AS Rom und Perugia hingegen kann es schon mal knallen. Am vergangenen Wochenende spielte in Rom der AS Livorno gegen Lazio, wie erwartet kam es zu wüsten Szenen. Die Anhängerschaft der Toskaner ist stramm kommunistisch und brachte ins Olympiastadion einen Schwung roter Fahnen mit. In der Lazio-Kurve wehten hingegen Hakenkreuz- banner und ein Spruchband, das erklärte: ¸¸Rom ist faschistisch."

Bloß keine falsche Zurückhaltung, die Polizisten trauen sich ohnehin schon lange nicht mehr, jedes gesetzlich verbotene Faschistendevotionalie zu konfiszieren, ganz davon abgesehen, dass in Rom die Mussolini-Kalender an den Zeitungskiosken verkauft werden - und zwar in vorderster Reihe, nicht etwa wie Pornos hinter der Theke. Lazio-Kapitän Paolo Di Canio, gerade für einen ¸¸römischen Gruß" (Hitlergruß würde man in Deutschland sagen) zu 10 000 Euro Bußgeld verdonnert, hielt sich zurück, während seine Fans grölten: ¸¸Euch bringen wir noch 88 bei." Heil Hitler, also. ¸¸Es ist nicht akzeptabel, dass in Rom, der Stadt mit so vielen Opfern von Nationalsozialismus und Faschismus, die Fahnen der Mörder und Folterknechte wehen", erklärte sichtlich angewidert der römische Bürgermeister Walter Veltroni.

Lazio-Patron Claudio Lotito murmelte unterdessen nur allgemein, er sei gegen die Politik im Stadion, und der rechtskonservative Landwirtschaftsminister Gianni Alemanno forderte, Veltroni solle ¸¸nicht immer nur eine Seite verurteilen. Kein Wort hat er verloren über die roten Fahnen und geballten Fäuste der Livorneser." Im Berlusconi-Italien ist das eben für manche das gleiche. Der Anführer der Lazio-Fans darf übrigens seit Jahren nicht ins Stadion. Er dirigiert seine Ultràs per Handy. Tatsache ist, dass auch die kommunistische Anhängerschaft aus der Toskana in Rom Radau machte und nach dem Match den Bahnhof St. Peter verwüstete, aus dem zum Glück gerade der letzte Pilger den Heimweg angetreten hatte. Es hagelte 248 Strafanzeigen und sechs Verhaftungen. Livornos Torjäger Cristiano Lucarelli schickte drei Busse nach Rom, um seine Tifosi abholen zu lassen - und zahlte dafür aus eigener Tasche.

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