Am Ende dieses Champions-League-Abends, als über London schon die Nacht gekommen war, präsentierte Mesut Özil seinen 13,5 Millionen Twitter- und 30 Millionen Facebookfreunden noch den Beweis: Er hatte den Ball mit nach Hause genommen, mit dem er Stunden zuvor den ersten Hattrick seiner Karriere erzielt hatte. Davon zeugen ein Bild und ein Video. Im Video verschwindet er in seinem Haus, die Tür fällt ins Schloss. "Gute Nacht, Gunners", schreibt Özil dazu.
6:0 (2:0) gewann der FC Arsenal sein drittes Gruppenspiel gegen den bulgarischen Fußballmeister Ludogorez Rasgrad, drei Treffer davon erzielte Özil - in der 56., 83. und der 87. Minute. Da hatten die Engländer den Widerstand der Bulgaren bereits gebrochen, Özil traf zweimal mit rechts und einmal mit links, die letzten beiden Tore versenkte er im Stil des One-Touch-Football, den der FC Arsenal einst populär gemacht hat. Alexis Sanchéz (12.), Theo Walcott (42., nach Özil-Vorlage) und Alex Oxlade-Chamberlain (46.) trugen sich ebenfalls in die Torschützenliste ein, doch der Mann des Abends war Özil.
Beim FC Arsenal hoffen sie auf Özils Vertragsverlängerung
"Dieses Team ist unwiderstehlich", schrieb der Guardian und hatte recht: Der FC Arsenal bewegt sich im zwanzigsten Jahr unter Teammanager Arsène Wenger womöglich auf der Höhe seiner Kunst. Das Team ist Tabellenzweiter der Premier League, punktgleich mit Tabellenführer Manchester City und führt die Gruppe A der Champions League mit sieben Punkten aus drei Spielen an. Nach Özils Auftritt am Mittwochabend ist einmal mehr klargeworden, wie eng der Aufschwung mit dem deutschen Nationalspieler zusammenhängt.
"Özil scheint inzwischen hungrig nach Toren zu sein", sagte sein Trainer Wenger. "Wenn man ihm im Training zusieht, trifft er im Grunde, wann er will. Früher wollte er nur den Ball, um seine Mitspieler zu versorgen. Wir wollten, dass er ein Vorlagengeber und Torschütze wird. Jetzt bewegt er sich in Richtung dieser Balance", sagte der Franzose.
Mit 28 Jahren hat Özil seine Fähigkeiten auf eine höhere Ebene gehoben. Er tritt jetzt stärker, selbstbewusster und kaltschnäuziger als in der Vergangenheit auf und nähert sich damit endgültig der Weltklasse, das heißt: Müsste man eine Auswahl der elf besten Fußballer zusammenstellen, könnte man mit Özil problemlos die Zehn besetzen. Keine hängenden Schultern, kein trauriger Blick kennzeichnen ihn mehr, stattdessen eine durchgestreckte Brust und ein aufrecht getragener Kopf. Özils neue Weltklasse ist allerdings auch der Grund, weshalb sie beim FC Arsenal gerade etwas nervös werden.
Ein großer Vergleich geistert durch die Medien
Bis 2018 läuft der Vertrag des deutschen Nationalspielers noch, die Engländer würden ihn aber gerne frühzeitig langfristig an den Verein binden. Dieselben Gedanken treiben Arsenal in Bezug auf Özils offensiven Mitspieler Alexis Sanchéz um. "Wenn Arsenal ein Klub sein möchte, der die kommenden Jahre auf dem nächsten Level spielt, muss er diese beiden Spieler an sich binden. Es wäre ein Desaster, wenn sie gehen", sagte die irische Fußballlegende Roy Keane im englischen Fernsehen und brachte damit auch die Gefühlslage der Fans auf den Punkt.
Arsène Wenger zufolge legen Özil und Sanchéz weniger Wert auf die Bezahlung als auf die Leistung des Klubs insgesamt, was heißt: Sie wollen jetzt auch mal Titel gewinnen. "Ich denke, diese Spieler können ein bisschen über den finanziellen Aspekt des Spiels hinausschauen, weil sie ohnehin nicht arm sind. Sie müssen den fußballerischen Aspekt betrachten", sagte Wenger. Solange Arsenal gewinnt, spricht wenig gegen eine Vertragsverlängerung.
Ihren Höhepunkt erfährt die Wertschätzung für Özil und Sanchéz durch eine Reverenz, die in letzter Zeit vermehrt durch die britischen Medien geistert. Je stärker Arsenal auftrete, desto "weniger phantastisch" wirke der Vergleich mit Dennis Bergkamp und Thierry Henry, schreibt der Telegraph. Es sind große Fußstapfen: Als der Niederländer und der Franzose in London wirbelten, gewann der FC Arsenal seine vorerst letzte Meisterschaft, mit dem Rekordwert von 90 Punkten. Das war 2004.
Daran muss Özil sich jetzt messen lassen. Die Fans hat er schon mal auf seiner Seite, sie sangen nach seinem dritten Treffer gegen Rasgrad lange seinen Namen. Wer Legendenstatus erreicht, für den geht sogar noch mehr: Für Dennis Bergkamp haben sie vor zwei Jahren eine Statue gebaut. Sie steht vor dem Stadion im Londoner Ortsteil Holloway, in dem der FC Arsenal seine Heimspiele austrägt.
