Champions League:Der Baske mit Pflaster darf endlich feiern

Champions League - Celtic vs Bayern Munich

Der Mann des Spiels Javi Martínez mit Sebastian Rudy und Joshua Kimmich.

(Foto: REUTERS)

Von Benedikt Warmbrunn, Glasgow

Der Mann des Abends lag auf dem Rasen. Er war gerannt, hatte gegrätscht, sich in Bälle geworfen, in Gegenspieler, und nun hatte er auch noch kurzzeitig erfolgreich die Rolle eingenommen, um die es im Vorfeld des Spiels so lange gegangen war: die des Angreifers. Nun aber lag er am Boden, die Ärzte kamen angerannt, sie behandelten ihn, pflasterten eine Wunde über dem rechten Auge zu. Wenige Augenblicke später konnte Javi Martínez wieder aufstehen. Doch eines hatte er verpasst: das Tor zu feiern, das soeben diese Partie entschieden hatte. Sein Tor.

Es war ein routinierter Auftritt des FC Bayern am Dienstagabend bei Celtic Glasgow. Die Mannschaft verzichtete auf große Experimente, phasenweise verzichtete sie auch auf die Inspiration in den Offensivaktionen. Doch weil sie gegen einen Gegner, der ganz auf Härte, Körperlichkeit und Leidenschaft setzte, weitgehend stabil verteidigte, und weil sie nach einem Schockmoment schnell und konsequent reagierte, gewann sie 2:1 (1:0). Manchmal braucht es eben kein Spektakel, und dennoch gibt es ein bisschen was zu feiern. In diesem Fall war die vorzeitige Qualifikation für das Achtelfinale der Champions League.

Es gab vor dieser Partie in Glasgow ein Thema, das es so beim FC Bayern seit Jahren nicht mehr gegeben hat. Es ging um die Frage, wer im Sturm spielt. Robert Lewandowski, der einzige echte Angreifer im Kader, war aufgrund leichter muskulärer Probleme nicht mitgereist; Trainer Jupp Heynckes schonte ihn vor dem wichtigen Bundesliga-Spiel am Samstag bei Borussia Dortmund. Lewandowski hatte zwar auch schon in den Jahren zuvor hin und wieder gefehlt, aber dann war eigentlich immer klar, wer spielt - meistens Thomas Müller. Der allerdings fällt zur Zeit ja ebenfalls verletzt aus.

Würde Heynckes also mit zwei Stürmern spielen, mit Arjen Robben und Kingsley Coman? Die Variante hatte er selbst angedeutet. Oder mit Arturo Vidal, der chilenischen Wuchtbrumme? Oder mit Robben alleine, mit Coman alleine? Er entschied sich für die sicherste Variante, die keine weitere Veränderung mit sich brachte: Er stellte James Rodríguez ganz vorne auf. Unterstützt wurde er in der ersten Halbzeit von den beiden Außenspielern Coman und Robben, auch Vidal und Corentin Tolisso rückten oft weit auf.

Heynckes hatte also wieder einmal allen taktischen Feinschmeckern eine kleine Rätselaufgabe gegeben. Zumindest bis zum Anpfiff - denn eine wirkliche Rolle spielte die Frage nach dem Stürmer im Spiel dann nicht mehr. Lange spielte der FC Bayern gefühlt ohne Stürmer, und dann hatte er in einer Szene einen Spieler als echten Angreifer, Martínez eben. Das reichte für den Sieg.

Ulreich schlug einen weiten Ball - den Celtic-Keeper Craig offenbar als Gruß verstand

Celtic versuchte in den ersten Minuten der Partie, dem FC Bayern das Spiel aufzuzwängen, das sie selbst am besten beherrschen: ein unbequemes, körperliches und leidenschaftliches. So hielten die Gastgeber einen FC Bayern in Schonungsaufstellung (Thiago, Kimmich und Hummels saßen auf der Bank) zumindest ein paar Minuten lang vom eigenen Tor fern. Auch erspielte sich der Gastgeber ein paar kleinere Torchancen, durch Stuart Armstrong (5.) und Moussa Dembélé (15.). Die Gäste kamen das erste Mal in der 20. Minute in den Celtic-Strafraum; David Alaba passte zu Kingsley Coman, der am Fünfmeterraum von Dedryck Boyata gestoppt wurde. Viel passierte jedoch erst einmal nicht. Was auch daran zu erkennen war, dass James keine nennenswerte Szene hatte.

Doch dann führte der FC Bayern dennoch plötzlich. Torwart Sven Ulreich hatte einen langen Ball nach vorne geschlagen, und irgendwie musste Celtic-Keeper Craig Gordon das als einen persönlichen Gruß verstanden haben. Er rannte jedenfalls weit aus dem eigenen Tor heraus. Hastig - und unnötig. Coman tänzelte ihn aus, tänzelte zwei weitere Verteidiger aus, dann schoss er den Ball ins leere Tor.

Bitton spielte mit Turban weiter, Martínez mit Pflaster

Der FC Bayern blieb auch nach der Führung souverän, nur einmal wurde es vor der Halbzeitpause noch gefährlich: Nach einem Querpass von Armstrong klärte Alaba gerade so vor Dembélé (30.). Und James, der Mann auf der so stark diskutierten Stürmerposition? Hatte weiterhin keine nennenswerte Szene.

In der zweiten Halbzeit stellte Heynckes dann um, Coman und James tauschten die Positionen. Prompt gab es auch gleich eine gute Gelegenheit - allerdings für Celtic. Den Schuss von Armstrong wehrte Ulreich mit einem glänzenden Reflex ab (48.). Die Gäste wechselten nun immer wieder munter die Positionen durch, meist spielte Coman in der Spitze, mal auch Robben, mal sogar wieder James. Doch ein Lewandowski war keiner von ihnen. Keiner konnte auch mal die Bälle festhalten, keiner war ein wirklicher Zielpunkt der Angriffe. Und so drückte sich Celtic mit Härte, Körperlichkeit und Leidenschaft immer näher an das Münchner Tor heran. In der 73. Minute zum Beispiel klärte Hummels-Vertreter Niklas Süle gerade noch vor Dembélé.

Eine Minute später stand es plötzlich 1:1. Der unermüdliche Armstrong passte den Ball durch den Münchner Strafraum, Rafinha war einen Schritt zu langsam und schon stand Callum McGregor frei vor Ulreich, der Ausgleich (74.).

Erst das weckte plötzlich den Kampfgeist der Münchner. Und dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis die Gäste endlich wieder etwas inspirierten nach vorne spielten. Flanke von Alaba, Kopfball des starken Javi Martínez, die erneute Führung (77.). Der Baske und sein Gegenspieler, Nir Bitton, mussten behandelt werden; beide konnten zunächst weiterspielen, Bitton allerdings mit einem Turban, Martínez mit Pflaster.

Der Baske, der Mann des Abends, er kämpfte nun gegen die Erschöpfung an; er schleppte sich auch durch sechs Minuten an Nachspielzeit. Doch er blieb stehen. Und als das Spiel dann vorbei war, holte er endlich auch das mit dem Feiern nach. Müde zwar. Aber er feierte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: