Champions League:Cristiano Ronaldo schaltet Wolfsburg aus

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Drei Tore des Portugiesen kosten den VfL die Chance auf das Halbfinale der Champions League. Wolfsburg wehrt sich lange, bis sie eine löchrige Freistoß-Mauer bauen.

Von Carsten Eberts, Madrid

"¡Hala Madrid!" schallte es von den steilen Tribünen des Estádio Santiago Bernabéu, "Vorwärts, Madrid!". Ob die Wolfsburger Nerven halten würden, wenn dieses Tollhaus von Fußballstadion brüllt, das war ja die entscheidende Frage vor dem Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League. Die Fans von Real Madrid taten ihr Möglichstes, um die Nerven der Spieler des VfL Wolfsburg zum Flattern zu bringen - sie brüllten und pfiffen wirklich extrem laut, als die Deutschen das Estádio betraten. Es war ihr Beitrag, um in diesem Duell noch die Wende herbeizuführen.

Die Nerven der Wolfsburger hielten nicht ganz, und so verpasste der VfL trotz des formidablen 2:0-Vorsprungs aus dem Hinspiel das erste Champions-League-Halbfinale der Vereinsgeschichte. Cristiano Ronaldo egalisierte mit zwei Treffern frühzeitig das Hinspielergebnis (16. und 17. Minute), und es war ebenfalls Ronaldo, der eine Viertelstunde vor Schluss per Freistoß auf 3:0 (2:0) stellte - eben jenes Ergebnis, das Madrid zum Halbfinaleinzug reichte.

"Wir waren von Anfang an sehr überzeugt, sonst hätten wir nicht in das Spiel gehen brauchen. Wir wissen, was wir leisten können und sind absolut verdient weitergekommmen. So haben wir uns das vorgestellt", sagte Toni Kroos nach dem Spiel.

Das Bernabéu brüllte nach zwei Toren noch lauter

Dieter Hecking hatte sich, wenig überraschend, für dieselbe Startelf entschieden, die Real sechs Tage zuvor so sicher im Griff hatte: mit Naldo und Dante in der Innenverteidigung, Julian Draxler, Maxi Arnold und Überraschungsmann Bruno Henrique im Mittelfeld, André Schürrle als Solo-Spitze. Der ursprüngliche Plan der Madridistas, die Wolfsburger in der ersten Viertelstunde zu überrollen, scheiterte noch. Ein im Fallen auf die Torlatte geköpfter Ball von Sergio Ramos (6.) war der größte Ertrag. Das war verschmerzbar, da Real eben nicht bis Minute 15 traf - dafür aber sehr kurz darauf. Real erzeugte in dieser Phase unwahrscheinliche Druck, es war Ronaldo, der die Kugel binnen 86 (!) Sekunden gleich zweimal im Wolfsburger Tor unterbrachte. Erst konnte Naldo bei einer abgefälschten Flanke von Carvajal nicht verhindern, dass der Portugiese in seinem Rücken an den Ball kam (16.). Gleich darauf sprang der dreimalige Weltfußballer höher als Josuha Guilavogui - und köpfte seinen zweiten Treffer (17.). Das Hinspielergebnis hatte Real damit bereits zu diesem Zeitpunkt egalisiert, nun brüllte das Bernabéu noch lauter.

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"Wir haben die ersten 20 Minuten nicht richtig angenommen. Dann haben wir es besser gemacht. Aber es hat das letzte Zwingende gefehlt. Das brauchst du, wenn du ins Halbfinale der Champions League willst", sagte Trainer Dieter Hecking bei Sky. "Letztendlich hat der Punch gefehlt."

Den Wolfsburgern war es anzurechnen, dass sie sich anschließend fingen - und nicht sofort einen dritten Gegentreffer kassierten. Real zog sich ein wenig zurück, das erste Etappenziel war ja erreicht. Wolfsburg übernahm das Spiel, allerdings ohne Draxler, der nach einer halben Stunde signalisierte, dass es nicht weitergehen würde. Für ihn kam Max Kruse. Und doch kam Wolfsburg zu Chancen, erst musste Real-Keeper Navas einen fulminanten Distanzschuss von Luiz Gustavo entschärfen (33.), dann hatte Henrique verblüffend viel Platz im Sechzehner von Real.

Im Hinspiel war er noch der Überraschungsfaktor, den Real massiv unterschätzte. Nun zeigte sich Henrique selbst übertölpelt, brauchte viel zu lange, um den Ball zu kontrollieren, Ramos rauschte im letzten Moment dazwischen. Das war sie, die große Wolfsburger Chance, die es Madrid richtig schwer hätte machen können. Gustavo knöpfte sich seinen brasilianischen Landsmann vor und erklärte ihm eindringlich auf Portugiesisch, dass er beim nächsten Mal doch bitte schneller abschließen möge (38.). Trotzdem, Wolfsburg gefiel in dieser Phase.

Ramos' Kopfball landet am Innenpfosten

Der Druck, den Real zu Beginn der zweiten Halbzeit erzeugte, war erneut beeindruckend. Drei Ecken binnen drei Minuten, dazu ein Ronaldo-Freistoß und ein Fast-Eigentor von Guilavogui brachten Wolfsburg ins Schlingern. Und ins Rutschen, denn es begann heftig zu regnen. Fast hätte Ramos das 3:0 erzielt, sein Kopfball (wiederum nach einer Kroos-Ecke) klatschte jedoch an den Innenpfosten, sprang von dort zu Benaglio, der ihn auf der Linie sichern konnte (65.). Kurz darauf war für Henrique Schluss, der ebenfalls verletzt vom Platz musste, für ihn kam Daniel Caligiuri.

Und Real setzte zur Schlussoffensive an. Es war Ronaldo - Künstlername CR7 -, der das Spiel in die finalen Bahnen lenkte. Ein Freistoß mittig vor dem Sechzehner, sein typischer Anlauf inklusive Gockelgehabe - der Ball rauschte rechts ins Tor, zu Benaglios Leid durch die löchrige Wolfsburger Mauer voller Statisten hindurch zum 3:0 (77.). "Es ist ärgerlich, 0:3 zu verlieren und dabei zwei Standardtore zu kassieren", bilanzierte Dieter Hecking.

Der Trainer brachte Bas Dost, doch die Nerven, um in diesem Spiel noch einmal zurückzukommen, konnte der VfL nicht aufbringen. Chancen hatte jetzt nur noch Real, allesamt vereitelt von Diego Benaglio. "Wenn man sieht, wie groß die Erleichterung bei Real Madrid war, wird deutlich, dass sie alles geben mussten", sagte Wolfsburgs Torhüter, als suche er darin Trost.

14 Jahren lang hatte Real im Europapokal kein verlorenes Hinspiel mehr umgebogen, ein 0:2 gar seit 23 Jahren nicht aufgeholt. Beide Serien sind nun gerissen.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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