Champions League: Bayern - Bordeaux:Der Präsident schweigt

Ohne große Worte hat Laurent Blanc die Elf von Girondins Bordeaux zum Spitzenteam entwickelt: Nun will er zum zweiten Mal binnen zweier Wochen gegen Bayern siegen.

Josef Kelnberger

Laurent Blanc wurde am 19.November 1965 in Ales geboren. Anne, seine Frau und Mutter von drei Kindern, kam am 21.November 1965 zur Welt, ebenfalls in Ales. Die beiden Familien waren befreundet. Es gibt ein Foto vom Frühjahr 1966, auf dem halten die Babys Anne und Laurent Händchen. Die beiden besuchten den gleichen Kindergarten, die gleiche Schule.

Champions League: Bayern - Bordeaux: Sein größter Triumph und zugleich seine größte Niederlage: 1998 wurde Frankreich Weltmeister, doch Laurent Blanc (re.) war im Finale gesperrt.

Sein größter Triumph und zugleich seine größte Niederlage: 1998 wurde Frankreich Weltmeister, doch Laurent Blanc (re.) war im Finale gesperrt.

(Foto: Foto: AP)

Die 40.000-Einwohner-Stadt liegt "im Norden des Südens", wie die Franzosen sagen, in den Cevennen, eineinhalb Autostunden entfernt vom brodelnden Marseille. Bittet man Laurent Blanc, sich selbst und sein Wesen zu erklären, sagt er meist nur einen Satz: Er komme aus den Cevennen. Die Menschen dort gelten als ruhig, heimatverbunden, solidarisch.

Begehrter Wanderarbeiter

Auch die Eltern von Anne und Laurent engagierten sich in allen möglichen Vereinen und Sozialverbänden. So hätten Laurent und Anne also ein beständiges, beschauliches Leben führen können, wie es ihnen vorbestimmt schien. Ales ein Leben lang. Aber es kam ganz anders.

Montpellier, Neapel, Nimes, Saint-Etienne, Auxerre, Barcelona, Marseille, Mailand, Manchester. In seinen 20 Jahren als Fußballprofi spielte Laurent Blanc für neun Vereine, davon die ersten acht in Montpellier. Er war einer der großen und begehrten Wanderarbeiter des europäischen Fußballs, auch die Münchner Bayern hatten mal ein Auge auf den 1,90 Meter großen Abwehrspieler geworfen, den sie für einen Libero hielten zu einer Zeit, als Laurent Blanc schon längst den Innenverteidiger moderner Prägung in einer Viererkette interpretierte.

Wie das zusammenpasst, der Erdenschwere und der Zugvogel? Laurent hat eine einfache Antwort: Er habe die Heimat mitgenommen auf seine Reise.

Im Video: Angespannte Lage bei den Bayern vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Girondins Bordeaux.

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Welt -und Europameister

Seine größten Titel gewann er mit der Nationalelf, Weltmeister 1998, Europameister 2000. Ansonsten gewann er als Spieler nur eine nationale Meisterschaft, 1996 die französische mit Guy Roux bei AJ Auxerre. Aber Blanc hat auf allen seinen Stationen mächtig Eindruck gemacht. Selbst in Barcelona, wo er sportlich nicht Fuß fasste, nannten sie ihn ehrfürchtig "Monsieur Blanc". In Marseille, wo er von 1997 bis 1999 spielte, verpasste man ihm den Namen "Le Président". Die große, hagere Erscheinung. Das schmale, kantige Gesicht. Vor allem: sein Schweigen. "Die stärksten Führungspersönlichkeiten sind nicht die, die am meisten reden", sagt Laurent Blanc. Er zieht es vor, schweigend voran zu marschieren. Wer so führt, findet umso mehr Aufmerksamkeit, wenn er den Mund aufmacht.

Spektakulär machte Laurent Blanc Anfang des Jahres 2007 auf sich aufmerksam. In einem Interview mit L'Equipe meldete er seinen Anspruch auf ein Traineramt in der ersten französischen Liga an. Er hatte nach seinem Karriereende, 2003 bei Manchester United, den Trainerschein erworben, bei großen Klubs hospitiert, ein Studium der Sportwirtschaft absolviert. Wenn ihm nun die Verantwortlichen der großen Klubs mit Hinweis auf seine Unerfahrenheit einen Job verweigerten, sei das einfach "feige", sagte Blanc. Für einen gewöhnlichen Ex-Spieler kann so eine Aussage das Ende der Trainerkarriere bedeuten, bevor sie überhaupt begonnen hat. Laurent Blanc aber wurde ernst genommen. In der Saison 2007/2008 gaben ihm die Girondins Bordeaux eine Chance. Er führte das Team auf Anhieb auf den zweiten Platz, gewann im Jahr darauf bereits die Meisterschaft und formte, nebenbei, das große Talent Yoann Gourcuff zum Spielmacher, der auch im Nationalteam die Führung übernahm. Monsieur Le Président herrscht inzwischen uneingeschränkt über den französischen Fußball.

Laurent Blanc legt hohen Wert auf die Physis seiner Spieler und lässt sehr offensiven Fußball spielen. In seiner Herangehensweise unterschied er sich nicht allzu sehr vom deutschen Vereinstrainerneuling Jürgen Klinsmann. Doch in Krisenzeiten hilft ihm die Reputation, die er bei Vereinsführung und Medien genießt - etwa Anfang vergangener Saison, als sein Team durchs Tabellenmittelfeld trudelte. Der Klub verlängerte seinen Vertrag vorzeitig als Zeichen des Vertrauens. In der aktuellen Saison hat Blanc mit den Girondins schon wieder die Tabellenführung erobert, und in der Champions League liegt er auf einem guten Weg Richtung Achtelfinale, nach einem Remis bei Juventus Turin (1:1) und einem Sieg gegen die Bayern (2:1). Als sein Team Anfang dieser Saison in ein Tief geriet und zweimal hintereinander verlor, räsonierte Laurent Blanc gelassen über den Wert von Niederlagen. "Auch gute Fußballer brauchen Demut", sagte er, "und in Niederlagen lernt man Demut."

"Fußballer brauchen Demut"

Laurent Blanc selbst hat in seiner Laufbahn seinen Anteil an Niederlagen einstecken müssen, die größte Niederlage ist mit seinem größten Triumph verknüpft. Ausgerechnet im WM-Endspiel gegen Brasilien fehlte er seinem Team, weil er sich im Halbfinale vom Kroaten Slaven Bilic hatte provozieren lassen. Ein Schlag ins Gesicht, die rote Karte - ausgerechnet Le Président, der erdverbundene Mann aus den Cevennen, verlor die Nerven. Er kann es sich bis heute nicht erklären. Er verschob damals seinen bereits angekündigten Rücktritt und hängte zwei Jahre dran. So gewann er auch noch den EM-Titel 2000.

Die Equipe tricolore ist ihm die größte Herzensangelegenheit geblieben. Am übernächsten Samstag kommentiert er für den Fernsehsender M6, den Hauptanteilseigner von Girondins Bordeaux, das entscheidende WM-Qualifikationsspiel der Franzosen gegen Irland. Sollte Nationaltrainer Raymond Domenech scheitern, so gilt in Frankreich eines als ausgemacht. Nachfolger wird nur einer: Monsieur Le President.

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