Champions League:Auf ihn müssen die Bayern achten

Champions League: "Wenn wir gewinnen, dann werden wir Geschichte schreiben": Jonas - hier im jüngsten Ligaspiel gegen SC Braga.

"Wenn wir gewinnen, dann werden wir Geschichte schreiben": Jonas - hier im jüngsten Ligaspiel gegen SC Braga.

(Foto: AFP)

Von Javier Cáceres, Barcelona

Kulturübergreifenden Legenden zufolge gibt es nicht sehr viele Männer, die ihrer Schwiegermutter das Buch "Gesund altern" schenken würden. Andererseits: Es ist immer so eine Sache mit den Verallgemeinerungen, es gibt mehr Gegenbeispiele, als man denkt. Zum Beispiel: Jonas Gonçalves Oliveira, genannt Jonas, der an diesem Dienstagabend im Hinspiel des Viertelfinals der Champions League den Sturm von Benfica Lissabon beim FC Bayern anführen wird (ab 20.30 Uhr im SZ-Liveticker). Er ist seiner Schwiegermutter in ewiger Dankbarkeit verbunden.

Vor ein paar Tagen leuchtete auf dem Display seines Smartphones eine Telefonnummer, die ihm unbekannt war, einzig die Vorwahl der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro vermochte er zu identifizieren. Jonas reichte das Telefon an die Mutter seiner Frau weiter, und sie verwünschte den ungebetenen Anrufer nicht. Sondern identifizierte ihn als Gilmar Rinaldi, Koordinator der brasilianischen Fußballnationalmannschaften. Er wollte Jonas den Einberufungsbefehl vom General der Seleção, Carlos Dunga, für die WM-Qualifikationsspiele gegen Uruguay (2:2) und in Paraguay überbringen.

Erst mit 19 Jahren beginnt Jonas' Fußballkarriere ernsthaft

Jonas folgte der Einladung. Gegen Paraguay wurde er zwar erst in der 79. Minute, beim Stand von 0:2, eingewechselt, Brasilien glich aber tatsächlich noch aus. Und auch wenn er selbst nicht traf, so kann man doch behaupten, dass er seinem Ruf gerecht wurde: Detonador nennen sie ihn, den Zünder, wobei sein nom de guerre etwas verkürzt daher kommt. Denn Jonas, der in einem kleinen Ort im Bundesstaat São Paulo zur Welt kam, ist: ein Spätzünder.

Im Grunde fing er erst mit 19 ernsthaft an, Fußball zu spielen; den in der Jugend gehegten Traum, es dem älteren Bruder nachzutun und als Apotheker zu arbeiten, gab er auf, als dieser ihn aus seiner Pharmazie jagte: Geh' kicken, das kannst du besser, lautete dessen Rat. Jonas musste 21 Jahre alt werden, ehe er bei Guaraní sein Profidebüt gab, und 27, bis europäische Klubs auf ihn aufmerksam wurden.

Nachdem er beim FC Santos, Grêmio Porto Alegre - wo er mit dem heutigen Bayern-Profi Douglas Costa zusammenspielte - und Portuguesa auf sich aufmerksam gemacht hatte, landete er beim FC Valencia in Spaniens Primera División. Obwohl er nicht auf seiner Lieblingsposition spielte, weil ihm im Angriffszentrum die spanischen Nationalstürmer Roberto Soldado (heute FC Villarreal) und Aritz Adúriz (nunmehr Athletic Bilbao) vorgezogen wurden, erhielt er passable Kritiken.

Jonas ist ein Stürmer, der gut den Körper einsetzt, beidfüßig schießen kann, auch aus der Distanz, einen tauglichen Instinkt besitzt und gut zu kombinieren weiß. Gehen musste er nach 156 Spielen und immerhin 51 Toren trotzdem: Die Anhänger Valencias geißelten ihn, vor allem, weil er sich zu Unzeiten vom Platz stellen ließ, unter anderem bei einem immens wichtigen Duell um die Champions-League-Qualifikation beim FC Sevilla.

In Lissabon findet Jonas sein Glück

Für Jonas war das ein spätes Glück, wieder einmal. Er wechselte im September 2014 nach Lissabon, ablösefrei, und triumphierte. "Ich habe hier mein Glück gefunden", sagt er heute. Die Berufung des explosiven Schwiegermuttersöhnchens ins Nationalteam war die erste nach fast vierjähriger Abwesenheit, in den Jahren 2011 und 2012 hatte er insgesamt acht Spiele für Brasiliens kanariengelbe Truppe bestritten.

Es gibt nicht wenige Brasilianer, die sich schon voriges Jahr fragten, warum Jonas bei Trainer Dunga keine Rolle spielte, immerhin galt er als derjenige, der Benficas Renaissance ausgelöst hatte. Benfica ist zwar mit 34 nationalen Titeln Rekordmeister. Aber von den letzten zehn Titeln räumte der FC Porto sieben ab. In den vergangene beiden Spielzeiten hatte dann wieder Benfica die Nase vorn, auch in der aktuellen Tabelle liegen die Águilas, die Adler, vorn. Am Freitag, als Jonas seinen 32. Geburtstag feierte, siegte Benfica gegen den SC Braga 5:1.

In 29 Spielen der aktuellen Saison hat Jonas bereits 30 Treffer erzielt

Jonas traf, per Elfmeter. Noch steht der Beweis aus, dass Jonas seine Qualitäten auch gegen die absoluten Topklubs durchzubringen versteht. Gegen Bayern brauche man "zwei brillante Spiele", um eine Chance zu haben, sagt Jonas, "aber wenn wir gewinnen, dann werden wir Geschichte schreiben".

Mit seinem Elfmetertor vom Wochenende summieren sich Jonas' Treffer in dieser Saison auf 30 - in nur 29 Spielen. Zudem gilt er als vorzüglicher Vorbereiter: Er war bisher an mehr als 40 Prozent aller Tore Benficas beteiligt. Mit seinen 30 Toren liegt Jonas im Rennen um den Goldenen Schuh - die Trophäe, die den besten Torschützen der europäischen Ligen auszeichnet - aktuell an der Spitze, gemeinsam mit Gonzalo Higuaín (Neapel).

Und vor so namhaften Torspezialisten wie Cristiano Ronaldo (Real Madrid, 29 Tore), Luis Suárez (FC Barcelona, 26), Robert Lewandowski (FC Bayern, 25), Pierre-Emerick Aubameyang (Dortmund, 23) sowie Lionel Messi (FC Barcelona) und Harry Kane (Tottenham, je 22).

Dass Jonas den Goldenen Schuh tatsächlich gewinnt, gilt aber als unwahrscheinlich: Ronaldo und Higuaín stehen in Spanien und Italien vier Spieltage mehr zur Verfügung, um den Zünder auszuschalten.

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