Champions League:Aubameyangs Verwandlung beseelt den BVB

  • Borussia Dortmund besiegt Benfica Lissabon und steht erstmals seit drei Jahren wieder im Viertelfinale der Champions League.
  • Pierre-Emerick Aubameyang findet nach schwierigen Wochen mit drei Toren wieder zu seiner alten Treffsicherheit zurück.
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Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Als Thomas Tuchel am späten Mittwochabend seine Trainerkabine im Dortmunder Stadion betrat, hatte er draußen auf dem Platz vier Tore erleben dürfen. In der Kabine lief der Fernseher, dort sah er gerade die Tore Nummer fünf und sechs - in der Nachspielzeit, in Barcelona. "Okay", sagte Tuchel später grinsend, als er seine Kabine wieder verlassen hatte, "da wusste ich, dass nicht wir am Donnerstag das große Gesprächsthema sind - sondern Barças 6:1 gegen Paris."

4:0 gegen Benfica Lissabon, erstmals seit drei Jahren wieder im Viertelfinale der Champions League, vier tolle Tore, allein drei davon durch Pierre-Emerick Aubameyang - und dann müssen die Spieler vom FC Barcelona ihnen trotzdem noch die Show stehlen. Genervt hat das die Fußballer von Borussia Dortmund aber nicht. Im Gegenteil. Real Madrid, Bayern München und dieses wahnsinnige Barça. Mit solch großartigen Teams stehen die Westfalen unter den besten acht Klubs der Champions League. Das ist wichtiger, als am Donnerstag die Schlagzeilen der europäischen Sport-Zeitungen zu beherrschen.

Es war fast Mitternacht, als Aubameyang die kleine Treppe aus dem Kabinengang nahm und in die Busgasse im Souterrain des Dortmunder Stadions trat. Hier stehen nach einem Heimspiel Laster, die mit Ausrüstung beladen werden, hier rattern Mitarbeiter mit Paletten voller Getränkekisten entlang, hier wird aufgeräumt. Hier stehen auch Reporter und Kamerateams mit Mikrofonen und grellen Scheinwerfern in langen Reihen, um die Spieler zu interviewen. Aubameyang seufzte kurz, als er die Massen von Fragestellern sah, aber dann stellte er sich tapfer an mehreren Stellen der Reihe zum Gespräch zur Verfügung. Nach drei Treffern war er natürlich der gefragte Mann.

Die ganze Zeit hatte er dabei den Ball des vorangegangenen Spiels in der Hand. Es gibt im Fußball die ungeschriebene Regel, dass ein Spieler, der drei Tore geschossen hat, den Ball behalten darf. Aubameyang also antwortete auf die Fragen, wie ihm das Spiel gefallen habe ("sehr gut"), wie es sich anfühlt, im Viertelfinale der Champions League zu stehen ("sehr schön") und wen er sich nun als Gegner wünsche ("ganz egal"), und während er sprach, drehte und wendete er den Ball liebevoll in seinen Händen. "Dieser Ball", sagte er, "kommt ins Zimmer meiner Söhne Curtys und Pierre. Sie haben dort alle Bälle, die ich behalten durfte, wenn ich mal drei Tore geschossen habe. Vier haben sie, glaube ich, das müsste der fünfte sein."

Aubameyang muss in der Pause Dembelé beruhigen

Aubameyang hat sich am Mittwochabend rechtzeitig wieder in jenen treffsicheren Torjäger verwandelt, als der er im Hinspiel nicht zu erkennen gewesen war. Drei Wochen zuvor hatte er beste Chancen und einen Elfmeter vergeben, weshalb das Hinspiel 0:1 verloren ging. Tuchel sagte: "Nachdem in Lissabon noch sein Zwillingsbruder gespielt hat, sind wir froh, dass es diesmal wieder Auba selbst war." Tuchel wirkte extrem entspannt, erleichtert, das könnte auch an jenem Glas Champagner gelegen haben, das er mit seiner Trainer-Crew ja nach wichtigen Siegen in der Kabine trinkt. Diese Anekdote hat er im Januar in einem Radio-Interview erzählt, und die wird er jetzt nicht mehr los. Jeder Reporter fragt nach dem Champagner, und das wird nicht weniger werden. Bundesliga, Pokal, Champions League - Dortmund ist groß im Rennen, das werden die Winzer in der Champagne dieses Jahr an den guten Absatzzahlen spüren.

Auch Aubameyang war über das 4:0 voll des Lobes. Vergessen, dass Dortmund bis zum 2:0 und 3:0 in der 59. und 61. Minute Probleme gehabt hatte, dass Lissabon dem 1:1 näher war und dass dies womöglich das Aus für den BVB bedeutet hätte. "Ich bin sehr glücklich", sagte Aubameyang nach dem Schlusspfiff und seinen drei Toren, "das Team hat hart gearbeitet und ich bin froh, ins Viertelfinale einzuziehen. In der zweiten Halbzeit haben wir wirklich gut gespielt."

Aubameyang ist in einem Team voller junger Heißsporne ja längst mehr als nur der Torjäger, diesmal hatte er in der Pause sogar den extrem gelb-rot-gefährdeten Ousmane Dembelé beruhigen müssen. Tuchel wollte den Franzosen keinesfalls aus dem Spiel nehmen, weil die Dortmunder zu diesem Zeitpunkt erst 1:0 führten und unbedingt weitere Tore brauchten. "Ich habe Ousmane in der Pause gesagt, dass er sich bloß keine rote Karte holen soll, weil es sonst vorbei ist für uns", berichtete Aubameyang. "'Bleib ruhig!', habe ich ihm gesagt."

Er äußert sich nicht zu seiner Zukunft

Und schließlich, da hatte er den Ball mit seinen Händen schon etliche Minuten gestreichelt und gedreht, wurde Aubameyang noch gefragt, wie gut ihm die Stimmung im Stadion gefallen habe und wie stolz er sei, für Borussia Dortmund zu spielen. "Sehr gut", "sehr stolz", antwortete er brav. Die Fragen zielten auf die Gerüchte ab, er wolle Dortmund im Sommer womöglich verlassen. Solche Spiele wie am Mittwoch, mit tollen Siegen in wunderbarer Atmosphäre zum Zwecke des Vorankommens in der Champions League, die müssten seine Ambitionen, in Dortmund zu bleiben, ja erhöhen.

Andererseits kam nach dem Spiel die Nachricht vom 6:1 des FC Barcelona, und auch Real Madrid ist im Viertelfinale. Die großen spanischen Klubs, von denen Aubameyang träumt, standen dem BVB mal wieder in nichts nach. Da müssen die Dortmunder im Viertelfinale wohl oder übel noch einen draufsetzen.

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