Celtic Glasgow schlägt den FC Barcelona:Rod Stewart braucht ein Taschentuch

Der Rocksänger heult, das Stadiondach fliegt beinahe davon: Nach dem 2:1-Sieg von Celtic Glasgow gegen Barcelona überschlagen sich auf der britischen Insel die Emotionen. Am 125. Geburtstag des Klubs reichen 16 Prozent Ballbesitz zum Sieg gegen Lionel Messi - Helden des Abends sind ein Torhüter und ein 18-Jähriger.

Jonas Beckenkamp

Rod Stewart

Da wusste er noch nicht, wie das alles enden würde: Sänger und Celtic-Fan Rod Stewart auf den Rängen des Glasgower Stadions. 

(Foto: AP)

Der Novemberregen in Glasgow kannte kein Erbarmen, aber Rod Stewart war das egal. Der Rocksänger mit schottischen Wurzeln heulte Freudentränen und musste von seinem Sitznachbarn umarmt werden - so etwas hatte selbst der alte Mann mit der Krächzstimme noch nicht erlebt. Am Fluss Clyde werden sie wohl noch in den nächsten 125 Jahren des Bestehens des Fußballklubs Celtic Glasgow von der magischen Nacht schwärmen. Jener Nacht, in der ein paar wackere Grün-Weiße die Berühmtheiten des FC Barcelona 2:1 besiegten.

Was klingt wie ein Braveheart-Heldenepos, wurde an diesem Abend Wirklichkeit, und wer kein Herz aus Zement hat, muss bilanzieren: Für solche Spiele wurde der Fußball erfunden. "Was für eine Nacht, unsere Jungs überrumpeln Barça", titelte die Zeitung Daily Record, während andere Blätter mit Worten wie "historisch", "unvergesslich" und "episch" um sich warfen.

Es mag nur eine Partie in der Gruppenphase der Champions League gewesen sein, aber für die Sieger bedeutete sie die Welt. "Das ist mit das Größte, was ich in meinem Leben erreicht habe", sagte Glasgows Trainer Neil Lennon überwältigt vom kollektiven Ausrasten im Celtic-Park.

Dass dort das Stadiondach nicht in Richtung Shetland-Inseln davonrauschte, war wohl nur der Tatsache zu verdanken, dass seit Eröffnung der Arena im Jahr 1892 findige Ingenieure ganze Arbeit geleistet haben. Überhaupt, die Geschichte: Natürlich trug sich dieser legendäre Erfolg nicht an irgendeinem lausigen Mittwoch zu, sondern just einen Tag nach dem 125. Jahrestag der Klubgründung. "Für mich sind die Spieler Helden", schwärmte der Nordire Lennon, "sie werden in die Geschichtsbücher eingehen als jenes Team, das die beste Mannschaft der Welt geschlagen hat."

Ganz oben dürften in jenen Berichten die Namen der Torschützen stehen: Victor Wanyama, ein Mittelfeldspieler aus Kenia, und Tony Watt, ein 18-jähriger Debütant, der mit seinem Milchbubengesicht wohl nicht mal ein Pint im Pub bekommen würde. Wie es den beiden gelang, gegen Barcelona zwei Treffer zu erzielen, ist kaum zu fassen: In der 21. Minute übersprang Wanyama bei einer Ecke Barças Millioneneinkauf Jordi Alba und köpfelte das 1:0, später stolperte just Ballmagnet Xavi über einen Abschlag von Celtic-Keeper Fraser Forster, woraufhin der eingewechselte Watt zum 2:0 vollstreckte (83.).

"Very british"

Es waren zwei Aktionen der Marke "very british", auf die Lionel Messi (traf erst in der 91. Minute zum 1:2) und seine Künstlerkollegen trotz zahlreicher Chancen keine Antwort fanden. "Glückwunsch an Celtic, dass sie vor einer so unglaublichen Kulisse gewannen", sagte ein beeindruckter Barça-Coach Tito Vilanova, "wir wussten, dass es für uns bei hohen Bällen schwierig wird, aber sie haben das auch toll gemacht."

Celtic team manager Neil Lennon reacts as the final whistle is blown during their Champions League soccer match victory against Barcelona at Celtic Park stadium in Glasgow

Ekstase eines Nordiren in Schottland: Celtic-Trainer Neil Lennon kann den Sieg seines Teams gegen Barcelona kaum glauben. 

(Foto: REUTERS)

Dabei hätten die Katalanen gewarnt sein müssen, denn schon im Hinspiel zwei Wochen zuvor hatten sich die Schotten als wuchtige Kontrahenten erwiesen - erst ein untypisches Stochertor von Alba bescherte Barcelona in der Nachspielzeit den späten 2:1-Erfolg.

Bei Celtic konnten sie ihr Glück nach der erfolgreichen Revanche nur schwer analysieren - mit 16,4 Prozent Ballbesitz hatten sie eigentlich kaum mitgespielt. "Das muss ich erst mal sacken lassen. Es ist vermutlich der schönste Moment meines Lebens", stammelte Torschütze Watt, dessen Werdegang bisher erst elf Profi-Einsätze geprägt hatten.

Nicht weniger heroisch hatte sich in den 90 Minuten im Glasgower Regen Celtic-Keeper Forster präsentiert - der Engländer im Tor der Schotten war bei seinen Paraden gegen Alexis Sanchez, Messi und den Rest der Barcelona-Elf ein nur einmal zu überwindendes Hindernis.

"Es kommt darauf an, dass man seine Chancen nutzt. Ihr Torwart war heute sehr gut, und wir hatten zweimal Pech mit dem Pfosten", resümierte ein relativ gelassener Vilanova. Er konnte sich die Anerkennung für die Sieger leisten, denn ernsthafte Sorgen muss sich Barcelona ums Weiterkommen in Gruppe G kaum machen. Die Katalanen führen weiter das Tableau an, während Celtic jetzt auf Platz zwei hoffen darf. Vier Jahre, nachdem die Grün-Weißen letztmals die Gruppenphase überstanden, genießt der schottische Fußball wieder ein wenig Ehre. Rod Stewart konnte am Ende sogar lachen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: