BVB vor dem Arsenal-Spiel:Blut, Schweiß, Gähnen

Hauptversammlung Borussia Dortmund

Ernster Ton: Hans-Joachim Watzke.

(Foto: dpa)

Finanziell ist Borussia Dortmund so gesund wie seit Jahrzehnten nicht. Und obwohl sich die sportliche Krise verfestigt, geht es weiter kuschelig zu. Nur Vorstandschef Watzke verschärft vor der Partie gegen den FC Arsenal den Ton.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Als Hans-Joachim Watzke mit seiner Rede fertig war, gab es artigen Applaus. Und doch wirkten Borussia Dortmunds Aktionäre eher ein wenig konsterniert. Keine Hurra-Schreie, keine in die Luft geschleuderten Hüte. Watzke hatte sich am Montag bei Churchills berühmtester Rede bedient, mit der Britanniens damaliger Premier das Londoner Unterhaus und das ganze Volk 1940 zum Kampf gegen Hitler-Deutschland mobilisieren wollte. "Blut, Schweiß und Tränen" hatte Watzke gefordert - wie damals Churchill. Dortmunds Aktionäre wussten wohl nicht so recht, wie ihnen geschah.

Churchill also. Die Analogie kann man schräg finden, aber dass die Lage tatsächlich ernst ist, scheint bei Borussia Dortmund im Moment noch niemand so recht zu realisieren. Bis auf Watzke eben und vielleicht noch ein paar wenige sonst. Als die Mannschaft am Samstag beim ebenso braven wie biederen SC Paderborn einen 2:0- Vorsprung noch leichtfertig verspielt hatte, durfte sie sich anschließend dennoch vom Borussen-Fanblock feiern lassen.

So geht das seit Monaten: Der stolze Champions-League-Gruppenerste Dortmund blamiert sich gegen Abstiegskandidaten - und der Anhang feiert. Auch die Gegner sind voll des Lobes. Als der Trainer André Breitenreiter nach dem Spiel schwärmte, wie seine Paderborner sich gegen "dieses Weltklasse-Team" zur Wehr gesetzt hätten, zuckte Breitenreiters Pendent Jürgen Klopp zusammen, als wolle er sagen: Bitte, bitte, kein Lob mehr nach solchen Spielen!

Es drohen eher personelle Folgen

Dortmund krebst weiter auf Platz 16 herum. Elf Punkte aus zwölf Spielen. Wenn Armin Veh bei seinem erratisch zusammengekauften Stuttgarter Haufen nach neun Punkten aus zwölf Spielen freiwillig das Handtuch wirft, was soll einer wie Klopp dann denken? Mit einer Truppe, die sich an guten Tagen auf Augenhöhe mit Real Madrid und dem FC Bayern wähnt?

Blut, Schweiß und Tränen, wie sie Watzke einforderte: Würden diese Banal-Tugenden zu mehr Erfolg führen? Bei einer Mannschaft, die vor zwei Wochen Borussia Mönchengladbach neunzig Minuten lang nach allen Regeln der Kunst demontiert hatte, mit den feinen Mitteln des Spiels?

Es mutet wundersam an, dass Borussia Dortmund trotz seiner schlechtesten Hinrunden-Bilanz noch reelle Chancen hat, sich am Ende noch irgendwie in die Champions-League-Ränge aufzuschwingen, wo man nach eigener Einschätzung und nach der des Anhangs, der Aktionäre und der kuscheligen BVB-Familie hingehört. Mönchengladbach liegt als Dritter gerade mal neun Punkte entfernt. Vielen taugt das als mentale Grundsicherung.

Wie soll man da einer Mannschaft klar machen, dass es um Blut, Schweiß und Tränen gehen soll? Einer Truppe, der am vorletzten Spieltag der Champions-League-Gruppe selbst eine Niederlage beim FC Arsenal kaum noch den Gruppensieg entreißen kann? Und einem Fußball-Unternehmen, für das Boss Watzke gerade wieder zehn Cent Dividende pro Aktie verkündet, weil es so kraftstrotzend ist, dass es nicht recht weiß, wohin mit all dem Geld.

Auch Reus hat Fehlschüsse hinter sich

Finanziell droht Dortmund nicht die geringste Gefahr. Ob das nun eine gute Nachricht ist oder in Anbetracht der Larifari-Haltung vieler Spieler eher eine schlechte, lässt sich schwer beurteilen. Mit dem Einstieg von drei Langzeit-Sponsoren in den Kreis der Aktionäre ist Dortmund, keine zehn Jahre nach der Beinahe-Insolvenz, zum ersten Mal seit den Sechzigerjahren schuldenfrei. Selbst die Rest-Hypothek für das Stadion ist komplett getilgt. Allein dadurch gewinnt Watzke im Jahr fünf bis sechs Millionen Euro an zusätzlicher Liquidität, die er in Spielergehälter investieren kann.

Obendrein hat der BVB, nach den Überschüssen der vergangenen Jahre und dem 140-Millionen-Geldregen durch Kapitalerhöhungen im Sommer, noch eine annähernd dreistellige Millionensumme als Cash-Reserve auf dem Konto. Das Eigenkapital steigt rapide. Geld scheint in Dortmund keine Rolle zu spielen. "Ein Jahr ohne Champions League", kann Watzke feststellen, "ist für uns wirtschaftlich kein Problem. Es würde aber unseren Wachstumskurs bremsen."

Ein Jahr ohne Champions League, sollte es so weit kommen, hätte für den BVB aber andere Konsequenzen. Spieler wie Marco Reus (der nach seiner Außenband-Verletzung in Paderborn für den Rest der Hinrunde ausfällt) haben schon häufiger angedeutet, dass es sie nicht allzu lange bei einem Klub halten würde, der ihnen nicht den Thrill der großen Bühne bietet. Das gleiche gilt für den inzwischen gesunden, aber formschwachen Ilkay Gündogan oder für den ebenfalls noch verletzten Kapitän Mats Hummels. Doch vor allem Reus, der mit seiner inzwischen weltbekannten Ausstiegsklausel jedermanns Spekulationsobjekt zu sein scheint, wird nachgesagt, dass er sich absetzen dürfte, wenn in Dortmund mal keine Champions-League-Hymne mehr gespielt wird.

Spiel mit "echten Freunden"

Dass Dortmunds inzwischen hoch dotierte Stars den Karren durchaus selbst in den Dreck gefahren haben, passt bisher nicht ins Welt- und Selbstbild moderner Ball-Akrobaten. Und so hatte Watzke, als er von der Mannschaft am Wochenende endlich mehr "Konzentration und Konsequenz" forderte, vor allem einige der bisher in Watte gepackten Stars im Visier. Die Spielmacher Henrikh Mkhitaryan und Shinji Kagawa etwa, denen es selten gelingt, ihr theoretisches Potenzial in reale Qualität auf dem Platz umzusetzen.

Aber auch Reus hat, neben ein paar Toren und Assists, eine Unzahl von Fehlschüssen hinter sich - von den kapitalen Böcken zu schweigen, die sich Dortmunds Defensivathleten leisten oder von der unerklärlichen Dauer-Überheblichkeit des früheren Dauer-Renners Kevin Großkreutz, inzwischen ja eine Art Weltmeister.

Von Blut, Schweiß und Tränen allerdings will in Dortmund noch keiner etwas hören. Man hat sich weiterhin hauptsächlich lieb, man "spielt mit echten Freunden", wie Innenverteidiger Mats Hummels das Klima beschreibt, man ist auch als Sechzehnter noch Weltklasse. Und selbst Jürgen Klopp, der das Desaster in Paderborn kritisch beurteilte, kann sich bisher nicht zu einem Wechsel der Gangart durchringen. Bisher dürfen Dortmunds Spieler sich noch als Fall für den Psychologen betrachten, als Opfer einer Kette von Umständen.

Dabei, so meinte Watzke vor staunenden Zuhörern, "sind hier keine bösen Mächte am Spiel". Im Gegensatz zu Churchills Gegnern - damals.

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