BVB und Schalke im Europapokal:"Der Pott ist im Pott"

20 Jahre sind vergangen, seit der BVB und Schalke binnen einer Woche Champions League und Uefa Cup gewannen. Erinnerungen an zwei magische Nächte - und eine Jahrtausendgrätsche.

Von Jonas Beckenkamp

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Borussia Dortmund ist Champions League Sieger hi v li Frank Riethmann Jürgen Kohler Jovan Kirov; Borussia Dortmund

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Der Münchner Nachthimmel hatte sich über dem Olympiastadion breitgemacht, als Borussia Dortmund am 28. Mai 1997 den größten Triumph seiner Vereinsgeschichte feierte. Es war eine teuflisch gute Saison des BVB, der im Finale der Champions League Juventus Turin mit 3:1 besiegte. Und so konnten die Dortmunder auf ihre Art jubeln: Jürgen Kohler mit erhobenen Händen, Trainer Ottmar Hitzfeld im stilprägenden Trenchcoat - und Andy Möller mit der Hand am Pokal.

Juventus Turin

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Begonnen hatte der Tag mit großer Gespanntheit, Juve galt als favorisiert. Schließlich vereinten sich im Kader der Italiener die besten Fußballer ihrer Zeit: Im Tor hielt Angelo Peruzzi, im Mittelfeld kümmerte sich Didier Deschamps ums Sachliche, während Zinedine Zidane und Alessandro Del Piero für die Magie zuständig waren. Und vorne baute Juve auf die Wucht eines Christian Vieri. Die Turiner waren als Titelverteidiger angetreten, nachdem sie 1996 das Finale gegen Ajax Amsterdam gewonnen hatten.

Didier Deschamps gegen Paulo Sousa

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Deschamps, der später einmal Juve-Trainer werden sollte, lieferte sich einige Duelle mit Gegenspieler Paulo Sousa. Die Dortmunder konnten sich im Endspiel erneut auf ihre eiserne Defensive verlassen. Neben Sousa gab der Schotte Paul Lambert einen Aufpasser, dahinter regierten die unüberwindbaren Matthias Sammer, Jürgen Kohler und Martin Kree. Und wenn es schnell gehen musste, flitzte über rechts Stefan Reuter nach vorne.

Borussia Dortmund

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Das 1:0 und das 2:0 erzielte Stürmer Karl-Heinz Riedle, der nach seiner Italien-Zeit nach Deutschland zurückgekehrt war und gegen Turin eines seiner besten Spiele machte. Schon vor der Pause erlebte München einen Jubelabend für Gelb-Schwarz - die Dortmunder Mannschaft agierte am Limit, während Juventus etwas eingerostet wirkte.

BVB feiert 100.

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Und dann kam der Moment von Lars Ricken, einem echten Dortmunder Jungen, der zu dieser Zeit eine beachtliche Karriere hinlegte. Gerade 20 Jahre alt, schnell wie ein Rennflitzer und ohne Angst vor großen Momenten. Ricken hatte bereits das Halbfinale in Manchester mit einem Tor für den BVB entschieden - als er gegen Juve rein durfte, war gerade das 2:1 für die Italiener durch Del Piero gefallen. Nur eine Minute nach seiner Einwechslung spurtete Ricken auf das Tor der Turnier zu, er sah Peruzzi zu weit vor seinem Gehäuse stehen und tat das einzig Richtige: Er lupfte. Und der Ball senkte sich zum 3:1 ins Tor. Die Fans wählten das 3:1 später zum "BVB-Tor des Jahrhunderts".

FUSSBALL CHAMPIONS LEAGUE FINALE SAISON 1996 1997 Borussia Dortmund Juventus Turin 28 05 1997 Lars; Lars Ricken

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Rickens Aufstieg kulminierte genau im richtigen Moment: Seine insgesamt vier Treffer im Wettbewerb halfen dem BVB, sich gegen Steaua Bukarest, Widzew Łódź, Atlético Madrid, Auxerre und Manchester United durchzusetzen. Im Ruhrgebiet standen alle auf Ricken, den Abiturienten aus Dortmund-Eving. Der Henkelpott landete schließlich auch beim Jungen aus dem Pott, während daheim auf dem Borsigplatz zehntausende BVB-Fans ausflippten.

FUSSBALL: CHAMPIONS LEAGUE TURIN

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Zu den tragenden Charakteren der Dortmunder Mannschaft zählte auch Weltmeister Jürgen Kohler. Er hatte im Wettbewerb als Vorstopper halb Europa ausgebremst. Seinen Saisonhöhepunkt erlebte er mit einer Jahrtausend-Rettungstat im Halbfinale im Old Trafford. Dort lag er wie eine Krake vor der Torlinie, als Eric Cantona aus einem Meter ins Tor schießen wollte. Er scheiterte am hochgezogenen Fuß von Kohler, der später dem Magazin 11Freunde sagte: "Das war pures Glück. Den macht Cantona eigentlich im Tiefschlaf, aber in dem Moment schießt er genau dahin, wo ich meine Fuß hinhebe." Egal, am Ende hatte Kohler den Pokal in der Hand.

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Und wer beim BVB gerade nicht die Trophäe stemmte, beteiligte sich eben am Hochwerfen des Trainers: Ottmar Hitzfeld, der "Gentleman", wie er seither heißt. Ihm war es gelungen, zurückgekehrte Legionäre wie Sammer, Riedle oder Reuter in ein Team zu integrieren, das mit Keeper Stefan Klos, Michael Zorc, Ricken oder Kree auch einen regionalen Kern besaß. 1995 und 1996 wurde die Borussia Meister, 1997 folgte dann die Champions League. Die magische Nacht von München ist ein Höhepunkt in der Geschichte des Ruhrpott-Fußballs.

Ein anderes hatte sich eine Woche zuvor in Mailand ereignet.

Inter Mailand - Schalke 04

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Wenige Tage vor dem Dortmunder Triumph hatte Europa erfahren, warum Schalke 04 in jenem Jahr ein Team aus "Eurofightern" beisammen hatte. Diese gewannen in zwei Finalspielen den Uefa Cup, damals ein höher angesehener Wettbewerb als heute die Europa League. Gegen Inter Mailand gab es daheim ein 1:0, das Marc Wilmots mit einem Treffer sicherstellte. Im Rückspiel hielt die Schalker Defensive um Yves Eigenrauch (li.) und Olaf Thon (hinten) bis zur 85. Minute stand - dann traf Ivan Zamorano. Es gab Verlängerung und ...

Ingo Anderbrügge FC Schalke 04 verwandelt im Elfmeterschießen gegen Torwart Gianluca Pagliuca Int; Schalke 04

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... schließlich Elfmeterschießen. Dort halfen S04 eiserne Nerven: Ingo Anderbrügge (beim Schuss), Thon, Martin Max und Wilmots verwandelten sicher, während bei Inter Zamorano und Aaron Winter scheiterten. Schalke holte den Pott in den Pott, weil an diesem Abend die Maloche belohnt wurde. In den Runden zuvor hatte man Roda Kerkrade, Trabzonspor, Brügge, Valencia und Teneriffa ausgeschaltet - und im Endspiel eine Inter-Mannschaft, in der sich neben Zamorano auch Bekanntheiten wie Ciriaco Sforza, Guiseppe Bergomi, Youri Djorkaeff oder der ewige Argentinier Javier Zanetti versammelten.

FC Schalke 04 UEFA Cup Sieger 1996 1997 v li Martin Max Marc Wilmots und Torwart Jens Lehmann; Jens Lehmann

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Es war die große Schalker Nacht, auf die im Ruhrgebiet viele seit Ewigkeiten gewartet hatten. 25 000 mitgereiste Fans, ein Team aus echten Typen, Spielern mit engster Verbindung zum Klub, Leuten wie: Marc Wilmots (Mitte), genannt "Willi" das Kampfschwein. Aber auch Torwart Jens Lehmann (re.) trug mit seinem gehaltenen Elfer gegen Zamorano zum Erfolg bei. Schalke feierte im Giuseppe-Meazza-Stadion ein überschwängliches Fest ...

FC Schalke 04 UEFA Cup Sieger 1996 1997; Schalke 04

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... und wer bis dahin nicht wusste, was dieser Klub ist, der durfte es jetzt erfahren: Ein hochemotionales Gebilde, ein Traditionsverein mit Sehnsüchten nach der alten Zeit, als S04 sogar Deutscher Meister war (zuletzt 1958). Der FC Bayern war in dieser Saison übrigens in der ersten Runde des Uefa Cups am FC Valencia gescheitert - auch daran ist zu erkennen, wie lange alles her ist. Bayern im Uefa Cup, Schalke als Sieger: Das erscheint aus heutiger Sicht weit, weit entfernt.

2 UEFA Cup Finale 97 Inter Mailand Schalke 04 21 05 2016 V l Jiri Mulder Charly Neumann un; Schalke 04

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Youri Mulder (li.) und sein holländischer Landsmann Marco van Hoogdalem (re.) waren in Zivil nach Mailand gekommen, beide wurden im Finale nicht eingesetzt. Überhaupt tummelten sich im Kader weitere Persönlichkeiten: Andreas Müller (später Schalke-Manager), Thomas Linke, Jiří Němec oder auch Mike Büskens sind bis heute gern gesehen in Gelsenkirchen. Das würde sicher auch für Teambetreuer Charly Neumann (Mitte) gelten, der so etwas wie das inoffizielle Mannschaftsmaskottchen der Schalker war. Doch Neumann, eine wahre Ruhrpottlegende, verstarb im Jahr 2008. Diesen einen Triumph auf europäischer Bühne hatte er aber immerhin noch miterlebt.

FC Schalke 04 UEFA Cup Sieger 1996 1997 Anzeigetafel im Stadion Der Pott ist im Pott; Schalke 04

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Im Gelsenkirchener Parkstadion, der damaligen Heimat von S04, trudelten tags darauf Spieler und Mannschaft zum Autokorso ein. Dass in der Kurve noch reichlich Platz war, muss aber eine Ausnahme gewesen sein, denn: Die ganze Region schmiss sich ins königsblaue Feiergewand. Endlich war Schalke wieder wer - und der Uefa Cup wanderte nach 1996 (FC Bayern) erneut in den Vitrinenschrank eines Bundesligisten.

Schalke 04

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Natürlich ließen sich auch die Macher des Schalke-Wahnsinns feiern: Coach Huub Stevens, während der Saison aus Kerkrade gekommen, und Manager Rudi Assauer zelebrierten ihre Kumpelhaftigkeit. Assauer, der Mann mit der Zigarre, führte seinen Klub wie ein richtiger Zechenboss: Hart, aber herzlich, derbe Sprüche und ein ausgeprägtes Machotum. Er und Stevens passten bestens zusammen, schließlich pflegte auch der "Knurrer von Kerkrade" ein Image als Anpacker. Und so erlebte das Ruhrgebiet im Jahr 1997 eine Fußballekstase, wie es sie seither nicht mehr in dieser geballten Form gab. Schalke und der BVB - Europas Fußball florierte in diesen Tagen im Pott.

© SZ.de/schma/dd
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