BVB-Trainer vor dem Bayern-Spiel:Klopp lernt Demut

FC St. Pauli v Borussia Dortmund - DFB Cup

Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund, braucht trotz anhaltender Niederlagen in der Bundesliga nicht um seinen Job fürchten.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Jürgen Klopp ist als Trainer von Borussia Dortmund unantastbar, weil er größer ist als die "Mechanismen des Geschäfts". Doch in der Krise seines Klubs ist er immerhin kleinlauter geworden. Das schadet ihm nicht.

Von Philipp Selldorf

Um das Phänomen Jürgen Klopp zu erklären, muss man diesmal zunächst über Werder Bremen sprechen. Bevor dieser Verein am Freitag vergangener Woche zum Spiel gegen den 1. FC Köln antrat, war in sämtlichen einschlägigen Publikationen und Fernsehsendungen von einem "Endspiel" für Trainer Robin Dutt die Rede.

Und das, obwohl doch erst der neunte von 34 Spieltagen auf dem Programm stand und kein einziger Vereinsoffizieller dem Coach explizit ein Ultimatum gestellt hatte. Als die Bremer dann in Rückstand gerieten und sich erkennbar vergeblich um den Ausgleich mühten, kündigte der TV-Kommentator während der Live-Übertragung eindringlich und oft Dutts bevorstehende Entlassung an, als wäre sie eine unvermeidliche, von überirdischen Mächten vorbestimmte Tatsache.

Was Jürgen Klopp und Freiburg gemeinsam haben

Dieses Gerede mochte man für leichtfertig und infam halten. Doch schon am nächsten Nachmittag verkündete Werder die Beurlaubung des Trainers, und alle Beteiligten und Beobachter waren sich einig, dass das zwar bedauerlich, aber das logische Resultat der "Mechanismen des Geschäfts" sei. Es sah so aus, als hätten die Bremer nicht aus eigenem Willen gehandelt, sondern lediglich ausgeführt, was ihnen das Naturgesetz der Bundesliga auferlegt hatte.

Zudem führte der Bremer Manager Thomas Eichin genau jenes serienmäßige Argument an, das Manager heute benutzen, wenn sie einen Trainer vor die Tür gesetzt haben: Die Mannschaft brauche jetzt "einen neuen Impuls". Ob selbständiges Denken stattfand, als er diesen Satz sprach? Man weiß es nicht.

Die "Mechanismen des Geschäfts" stehen über den Menschen, die in der Bundesliga tätig sind; sie entwickeln, wie in Bremen, ihre eigene Dynamik. Es gibt aber Orte und Personen, die dieser unheimlichen Instanz widerstehen können. So ein Ort ist Freiburg, und so ein Mensch ist Jürgen Klopp.

Beim Sportclub in Freiburg hat der Trainer Christian Streich ebenso wenige Spiele wie Dutt in Bremen gewonnen, nämlich keines, trotzdem hat noch kein Reporter, der nicht verblödet ist, den dortigen Präsidenten an die sogenannten Mechanismen erinnert. Die Frage stellt sich in Freiburg einfach nicht.

Dass sich bei Borussia Dortmund noch niemand nach der Entlassung von Trainer Klopp erkundigt hat - das hingegen hat mehrere konkrete Gründe. Erstens kann es für einen Reporter sehr unangenehm werden, mit dem wortgewaltigen und autoritären Klopp aneinanderzugeraten.

Zweitens ist der eine absolut gewinnbringende Persönlichkeit; sowohl in charismatischer wie in kommerzieller Hinsicht. Drittens gibt der Verein deshalb nicht zu erkennen, dass er auch nur entfernt daran denkt, den Trainer zu entlassen, obwohl das Team vor der Begegnung mit dem FC Bayern am Samstagabend eine erbärmliche Bilanz in der Bundesliga aufweist.

Sechs Niederlagen binnen neun Spielen, das ist miserabel für einen Klub, der nach dem Willen seines Wortführers Hans-Joachim Watzke den Ehrgeiz hat, den FC Bayern herauszufordern, und der sich zu diesem Zweck im Sommer viel Geld von neuen Partnern beschafft hat. Aber Watzkes Ehrgeiz führt noch nicht in den Wahnsinn, weshalb Klopp selbstverständlich keine Kündigung zu befürchten hat. Weder an diesem Sonntag noch, im Falle des fortgesetzten Misserfolgs, an einem der nächsten Wochenenden.

Der Trainer Klopp, 47, ist größer als die Mechanismen, aber er ist im Laufe der Krise immerhin kleinlauter geworden. Das schadet ihm nicht. Die Demut, die er zuletzt nach den verlorenen Spielen in Köln und Hannover zu erkennen gab, erweitert das Bild des selbstgewissen Mannes, das im Laufe der sechs Jahre in Dortmund auch selbstgefällige Züge angenommen hatte.

Plötzlich sah der ständige Kraftmeier Klopp erschöpft aus, er musste zum ersten Mal seine Ohnmacht entdecken, die Niederlagen ließen ihn älter aussehen, als er ist. Doch bis auf Weiteres gilt, dass Klopp nur sein Erfahrungsspektrum vergrößert.

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