BVB-Sieg in Sankt Petersburg:Begrenzt souverän

Turbulentes Spiel in Sankt Petersburg: Beim 4:2-Sieg im Achtelfinale der Champions League gegen Zenit führt Dortmund schon nach fünf Minuten mit 2:0. In der zweiten Hälfte macht es sich der BVB unnötig schwer. Robert Lewandowski verschafft der Borussia dennoch eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel.

Die letzten Minuten spielte Borussia Dortmund nicht mehr, wie Borussia Dortmund zu spielen pflegt, es sah eher nach einer rustikalen Mannschaft aus, die ihren Vorsprung irgendwie über die Zeit retten will. Ein ums andere Mal wagte Zenit St. Petersburg einen Vorstoß, suchte Lücken zwischen den vielen gelb-schwarzen Beinen, um noch einmal zu kontern in diesem turbulenten Duell. Aber der deutsche Vertreter strauchelte jetzt nicht mehr und brachte das Achtelfinalhinspiel in der Champions League beim russischen Vertreter mit einem 4:2 (2:0)-Sieg verdient zu Ende.

Nur Fahrlässigkeiten in der zweiten Halbzeit hatten den Westfalen die Arbeit unnötig erschwert, denn alles andere als ein Erfolg der Dortmunder wäre nicht gerecht gewesen. In drei Wochen, am 19. März, kann der Bundesliga-Dritte zu Hause den Einzug ins Viertelfinale perfekt machen.

"Wir sind noch nicht durch", warnte BVB-Coach Jürgen Klopp mit einem verschmitzten Lächeln, "auf uns wartet noch ein bisschen Arbeit."

Aber wohl auch nicht viel mehr. Es gibt ja diese Fußballspiele, bei denen es gerne heißt: Die beiden Mannschaften tasteten einander erst mal ab. Dass diese Herangehensweise im Grunde eine sinnlose Zeitverschwendung ist, belegte Dortmund mit einem Blitzstart sondergleichen. 4. Minute: Marco Reus lässt auf der rechten Seite die beiden Gegenspieler Neto und Domenico Criscito stehen wie Straßenlaternen, der Ball springt kurz zu weit weg, aber Henrikh Mkhitaryan steht ideal und verwertet die Kullerkugel zum ersten Treffer ins kurze Eck.

5. Minute: Mkhitaryan flankt in die Mitte, Kevin Großkreutz lässt den Ball abperlen, und diesmal belohnt sich Reus mit dem linken Außenrist. 74 Sekunden lagen zwischen diesen Treffern, da durfte man schon wie Jürgen Klopp an der Seitenlinie stehen und klatschen.

"Das war natürlich ganz wichtig. Wir haben das Spiel in die richtige Richtung gebracht und Zenit verunsichert", sagte Kapitän Sebastian Kehl später zur schnellen Führung.

In der jetzigen Phase, so die Bestandsanalyse zu diesem Zeitpunkt, kam der für Champions-League-Verhältnisse krass unterlegene Gegner gerade recht, denn nach einer Rumpelsaison bislang in der Bundesliga (inklusive des 0:3 zuletzt beim Hamburger SV) sowie nicht enden wollender Personalsorgen muss der Bundesligist für jede leichtere Aufbaumöglichkeit dankbar sein, ehe schwierige Hürden kommen.

Das oft gerühmte Zirkulationsspiel der Dortmunder funktionierte jedenfalls wieder prächtig in St. Petersburg, wobei die Russen eine fürwahr altertümliche Defensivtaktik anwendeten: Verteidigung fängt ja inzwischen schon im Sturm an, das weiß heutzutage jeder gut geschulte E-Jugendkicker. Bei Zenit begann die Verteidigung erst bei den Verteidigern, was es den Dortmundern natürlich leicht machte, die Kontrolle zu bewahren.

Der heimische Trainer, der kahlköpfige Italiener Luciano Spalletti, hatte dieses Defizit dann offenbar auch schnell selbst bemerkt und den leicht angeschlagenen Angreifer Andrej Arschawin vom Platz genommen und durch den früheren FC-Bayern-Profi Anatoli Timoschtschuk ersetzt. Das Mittelfeld sollte so gestärkt werden, aber Dortmund scherte sich nicht um diese Rochade des Kontrahenten. Das 0:3 fiel fast: Lukasz Piszczek legte den Ball per Hacke für Reus auf, der knapp links verzog.

Ouvertüre eines unterhaltsamen Spiels

Dass der so lange am Fuß verletzte und nun fast wieder genesene Mats Hummels kurzfristig seinen Einsatz stornierte, fiel nicht ins Gewicht. Manuel Friedrich vertrat den Innenverteidiger bestens, wobei der 34-Jährige auch nicht allzu oft intervenieren musste. Das Beste an Petersburg - als Bestandsanalyse zu diesem Zeitpunkt - waren Äußerlichkeiten der gastgebenden Spieler. Michael-Jackson-Gedächtnislook (Axel Witsel) Piratenpagenkopf (Timoschtschuk), perfekt getrimmter Vollbart (Hulk) - diesbezüglich hatte sich Petersburg nichts vorzuwerfen.

In der zweiten Halbzeit erinnerte sich Dortmund wieder an eine sehr gängige Fußballtaktik - und tastete sich erst einmal in die zweiten 45 Minuten hinein. Bei einer souveränen 2:0-Führung ist die Ausgangslage eben eine andere, doch von den vielen Weisheiten, die in der Branche existieren, gibt es leider auch diese: Manches rächt sich.

José Salomon Rondon stand zwar bei einem Anspiel klar im Abseits, aber Schiedsrichter William Collum aus Schottland (dort mögen sie wohl Abtasten nicht so) pfiff nicht, woraufhin eine Pingpong-Situation im Strafraum entstand. Der Ball flog von Hulk zu BVB-Torwart Roman Weidenfeller, Marcel Schmelzer köpfte in die Mitte statt ins Aus, Rondon schoss an den Pfosten, den Abpraller hämmerte dann Oleg Schatow ins Netz zum 1:2 (58.). Diese Aktion war die Ouvertüre der folgenden höchst unterhaltsamen 13 Minuten.

Klopp, der schon länger nicht geklatscht hatte, erfreute sich in der 61. Minute an einem feinen BVB-Konter. Robert Lewandowski schickte Piszczek, der lief in den Strafraum, passte quer, und der polnische Stürmer schob zum 3:1 ein. Sieben Minuten später war Zenit an der Reihe, nach einem Solo lief Viktor Fayzulin direkt auf Piszczek auf, Elfmeter, meinte Herr Collum. Hulk machte seinem Namen alle Ehre und verwandelte mit Urkraft unters Lattenkreuz. Dortmund schien die Kontrolle etwas zu verlieren in diesem eigenwilligen Spiel, doch wie auf Knopfdruck setzte sich abermals Lewandowski in Szene und vollstreckte nach einer Vorlage von Reus aus rechter Position ins linke untere Eck (71.).

Erst jetzt begann St. Petersburg, leicht nachzulassen, wobei die Dortmunder Defensive auch immer öfter nicht im Sturm beginnend ihre Arbeit aufnahm - woraufhin Klopp zünftige Worte in Richtung Lewandowski sprach. Nach den vielen Wendungen, die diese Partie bisher genommen hatte, war ja wahrlich mit der nächsten zu rechnen. Doch sie blieb aus.

"Das war heute nah am Optimum", resümierte Klopp zufrieden. Der Trainer des BVB konnte generös über ein paar wacklige Momente seiner Profis hinwegsehen.

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