BVB-Sieg in Mainz:Aubameyangs irrer Freistoß gegen die Qual

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Der seltsamste Freistoß-Anläufer der BVB-Geschichte: Pierre-Emerick Aubameyang (r.).

(Foto: AFP)

Borussia Dortmund bleibt in der Fußball-Bundesliga vorne dran: Dabei muss Trainer Jürgen Klopp schon zur Halbzeit all seine Rochaden in der Startelf korrigieren, der BVB benötigt gegen starke Mainzer zwei Elfmeter und einen seltsamen Freistoß, um zu gewinnen. Die Schusstechnik von Aubameyang kann nicht mal Klopp erklären.

Von Thomas Hummel

FSV Mainz - das hörte sich nicht nach Endspiel an für einen Champions-League-Finalisten. Dabei hangelt sich Borussia Dortmund derzeit doch bekanntlich von Finale zu Finale. Nach Niederlagen gegen Arsenal, Wolfsburg und Bayern, nach Verletzungen von Ilkay Gündogan, Mats Hummels, Marcel Schmelzer und Neven Subotic kämpft der Klub darum, in diesen Wochen nicht schon die ganze Saison zu ruinieren. Den ersten Pflichtsieg dafür hatte der BVB am Dienstag in der Champions League gegen Neapel vollbracht.

Es werden folgen: Pokal-Achtelfinale in Saarbrücken, Bundesligaduell gegen Leverkusen, Finale um den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale in Marseille. Und nun eben Mainz. Das sollte, so dachte das Trainerteam um Jürgen Klopp, auch ohne die zuletzt starken Nuri Sahin, Sebastian Kehl und Henrikh Mkhitaryan gehen, die zunächst auf der Bank saßen. Er verrechnete sich.

Schon zur Halbzeit hatte Klopp dreimal gewechselt, hatte Sahin, Kehl und Mkhitaryan gebracht, um gegen die starken Mainzer irgendwie das Spiel in eine angenehme Richtung zu lenken. Das ging dann auf. Mit Glück, zwei Elfmetern und einem irren Freistoß von Pierre-Emerick Aubameyang gewann der BVB 3:1. Er bleibt damit in Sichtweite der derzeit unbesiegbaren Bayern und der in der Liga ungewohnt stabilen Leverkusener.

Lukasz Piszczek fing bei Dortmund zum ersten Mal rechts hinten an, neben ihm verteidigte wie gegen Bayern München der 34-jährige Liga-Rückkehrer Manuel Friedrich. Taktik-Allrounder Kevin Großkreutz spielte diesmal im Mittelfeld und Pierre-Emerick Aubameyang startete vorne.

Doch alle Rochaden sollten egal sein, Hauptsache Sven Bender war mit dabei. Denn ein Bender mit Nasenbeinbruch sollte nichts Gutes bedeuten für Mainz 05. Zweimal war der Dortmunder Mittelfeldspieler in den vergangenen Jahren mit dieser Verletzung gegen den FSV angetreten, zweimal hatte das die Dortmunder nicht daran gehindert, das Spiel zu gewinnen.

Der 24-Jährige hatte den Stamm der Oberbayern würdig vertreten. Trotz seiner Fraktur Mitten im Gesicht begann er in der Dortmunder Zweikampf-Zentrale vor der Abwehr - natürlich ohne Schutzmaske. Insofern war es ein bedenkliches Zeichen, als dieser Bender nach schon 32 Minuten das Spielfeld verließ. Doch nicht, weil die Nase schmerzte, nach Auskunft von Klopp hatte Bender muskuläre Probleme.

Schwachstelle Lukasz Piszczek

Mainz gab in dieser Phase das bessere Dortmund. Die Gastgeber störten den Gegner früh, stellten die Passwege und die Räume im Mittelfeld zu, sie bearbeiteten die Gegenspieler mit viel Elan. Die Mainzer Spieler rannten viel und versammelten sich bisweilen um den Ball wie das die kleinen E-Jugendlichen tun. In der Mitte des Platzes gewannen sie Zweikämpfe und fuhren blitzschnelle Konter. Der famose Johannes Geis aus 30 Metern (11.) und Shinji Okazaki (17.) per Fallrückzieher hatten frühe Möglichkeiten, die beste Mainzer Chance durch einen Kopfball von Stefan Bell landete an der Latte (42.).

Vor allem Friedrich und Piszczek hatten erhebliche Probleme mit den Spieltempo und der Präzision im Aufbau. Mit der Einwechslung von Sahin wurde es ein bisschen besser beim BVB, Bells Lattentreffer beantwortete Aubameyang nur Sekunden später mit einem Lattentreffer per Linksschuss aus 20 Metern. Zur Halbzeit herrschte dennoch das Gefühl, dass sich der Favorit erheblich steigern müsste, um nicht wieder eine Enttäuschung zu erleben. Jürgen Klopp sah es genauso und korrigierte weiterhin seine Startelf. Ein bisschen wurde er vielleicht auch zum Glück gezwungen, weil Reus (Wade) und Blaszczykowski (Hüfte) Probleme signalisierten. Mkhitaryan und Kehl kamen.

Die weitreichenden Umbaumaßnahmen führten zunächst zu keinen Veränderungen am Verlauf. Mainz wirkte fitter, schneller in den Beinen und im Kopf, nur mit Erfahrung und gutem Stellungsspiel hielten die Dortmunder die Partie offen. Der effektivste Wechsel gelang Thomas Tuchel. Der Mainzer Trainer brachte Eric Choupo-Moting, der den steif wirkenden Piszczek locker abschüttelte und abzog. Torwart Roman Weidenfeller brachte gerade noch die linke Mittelfingerkuppe an den Ball und lenkte ihn um den Pfosten (48.).

Das Dortmunder Spielaufbau-Dilemma offenbarte sich kurz darauf. Die Mainzer pressten vorne, was beim BVB so viel Unruhe auslöste, dass Weidenfeller und Sahin eine Art Pressball zur Schau stellten. Die Mainzer unter den 34.000 Zuschauern johlten. Allein nach Standardsituationen ging überhaupt etwas beim BVB, Sokratis köpfte knapp über die Latte (60.).

Anschließend schaffte es Dortmund erstmals, sich einmal über ein paar Minuten in der gegnerischen Hälfte festzuspielen, es folgte ein Pfiff - und der wohl seltsamste Freistoßtreffer der Dortmunder Bundesliga-Geschichte. Man dachte ja schon, Marco Reus hat diese neuartige Schusstechnik perfektioniert, bei der der Ball irgendwo in den Himmel geballert wird und er dann herunterfällt wie ein Sack Mehl. Aubameyang lief an, besser gesagt, er joggte an, als wäre er auf dem Weg zum Kiosk, um sich ein Eis zu holen. Nach diesem Anlauf traf er den Ball so, dass dieser mit Wucht in den linken Torwinkel flatterte. "Ich kann die Schusstechnik nicht erklären", sagte Klopp, "nichts ist von mir, ich versuche im Training nicht zu stören, wenn die Jungs das üben." Dortmund führte sehr glücklich 1:0 (69.).

Die Schwächen des BVB wirkten sich kurz darauf aus, und eine Schwäche hieß Lukasz Piszczek. Monatelang war der Pole verletzt, jetzt musste er nach den vielen Blessuren im Team ran und war sichtlich überfordert. Als sich Yunus Malli den Ball viel zu weit vorlegte, schubste Piszczek unkontrolliert und überflüssig, den fälligen Elfmeter verwandelte Choupo-Moting zum 1:1 (73.). Die Mainzer hofften wieder - und verloren gleich darauf das Spiel.

Denn die Dortmunder hatten eben auch ihre Stärken mitgebracht. Robert Lewandwoski zum Beispiel. Oder Aubameyang, der bekanntlich so schnell wie kein Anderer zum Kiosk rennen kann, wenn er denn mag. In der 78. Minute wollte er, Lewandowski lupfte herrlich den Ball in den Raum, Aubameyang umkurvte Torwart Loris Karius und schoss - Mittelfeldspieler Elkin Soto wehrte mit der Hand ab, er sah Rot, und Lewandowski traf den Strafstoß zum 2:1.

Das Spiel dieser lauf- und zweikampfwilligen Mannschaften war in dieser Endphase ein wildes, ein intensives, ein Kampf um den kleinsten Vorteil. Am Ende ließ sich Erik Durm bei einem BVB-Konter in den Rasen des Mainzer Strafraums plumpsen, den letzten Elfmeter dieses Spiels schoss wieder Lewandowski ins Tor - 3:1 (92.).

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