BVB-Sieg gegen Hoffenheim:Ein Stückchen weg vom Abgrund

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Ilkay Gündogan (re.): Mit dem Tor zur Befreiung gegen Hoffenheim (Foto: AP)

Sebastian Kehl liefert eine feurige Kabinenansprache - und plötzlich klappt es durch ein Tor von Gündogan mit einem Sieg des BVB. So geschlossen wie das Team von Jürgen Klopp gegen Hoffenheim agiert, könnte die Aufholjagd tatsächlich gelingen.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Jürgen Klopp hatte sogar an diesem Abend, an dem es doch eigentlich nur um die elementaren Dinge des Fußballs ging, noch den Blick für das Detail: Dortmunds Trainer berichtete davon, was er beobachtet hatte, als er nach dem Schlusspfiff gemeinsam mit seinen Spielern zur Gelben Wand der Südtribüne ging: "Wenn du in die Augen der Leute blickst, dann siehst du, die sind genauso fertig wie wir."

Borussia Dortmund erfindet sich gerade neu, und wer Klopp zuhörte, der verstand, dass der Ritt am Abgrund nicht nur lähmend sein muss, sondern durchaus auch Lustgewinn bedeuten kann: "Das ist der Abstiegskampf", dozierte Klopp mit fester Stimme, "und den müssen wir annehmen." Erschöpft, sei er, und natürlich: erleichtert.

Wie es aussieht, haben der Trainer, seine Mannschaft, die Fans und alle im Umfeld verstanden, was die Stunde geschlagen hat. In Dortmund haben sie sich von allen großen Ambitionen verabschiedet und bemühen sich stattdessen, sich Schulter an Schulter aus der Krise zu befreien. Die soeben erlebten 90 Minuten waren voller Hingabe und Emotionen, sie kosteten jede Menge Kraft. Aber es hatte sich ja gelohnt, schließlich stand am Ende ein hochverdienter 1:0 (1:0)-Sieg gegen die TSG 1899 Hoffenheim, der den Revierklub für einen Moment durchschnaufen ließ und ihn in der Tabelle zumindest über Nacht von Rang 18 auf 14 beförderte.

14 Punkte hat der BVB nun in dieser für ihn so enttäuschend verlaufenen Saison gesammelt. Das ist zwar immer noch weit von den eigenen Ansprüchen entfernt, "aber immerhin schon mal dramatisch besser als die elf Punkte vor dem Spiel", wie Klopp betonte.

Der überragende Kapitän Mats Hummels sprach davon, dieser Sieg sei zwar "keine Erlösung, aber ein erster Schritt. Nun müssen wir noch viele weitere Schritte gehen." So geschlossen, wie sich die Dortmunder Mannschaft und ihr Publikum gegen Hoffenheim präsentierten, könnte das durchaus gelingen.

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:"Ich bin erschöpft und erleichtert"

Jürgen Klopp gibt einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt, Ilkay Gündogan freut sich über das Publikum und Kevin Großkreutz mahnt zur Ruhe. Die Stimmen zum 1:0 des BVB gegen Hoffenheim.

Einer, der die Tugenden vorlebt, die im angehenden Winter gefragt sind, ist Sebastian Kehl. "Diese Aggressivität", sagt der Routinier, "ist überlebensnotwendig. Wir sind auf Platz 18, wir sind im Abstiegskampf, wir müssen uns wehren." Vor dem Anpfiff hatte Kehl das Dortmunder Team mit einer feurigen Kabinenansprache eingeschworen, von der Klopp und die Spieler unisono schwärmten. Details mochte Kevin Großkreutz hernach im Bezahlfernsehen nicht verraten, aber die Diktion dürfte nicht jugendfrei gewesen sein: "Er hat uns heiß gemacht, aber was genau er gesagt hat, das verrate ich nicht. Es schauen ja noch Kinder zu."

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Das Tor des Abends gelang in der 17. Spielminute dem starken Ilkay Gündogan, der im offensiven Mittelfeld erstmals nach seiner Genesung von einem langwierigen Rückenleiden nachwies, dass er wieder zu der Form zurückfinden kann, die ihn in den Jahren 2012 und 2013 zum europaweit begehrten Spieler werden ließ. "Wir haben als gesamter Verein eines unserer besten Gesichter gezeigt: das Team auf dem Platz, die Fans auf den Tribünen", schwärmte der Torschütze später.

Neben Hummels, Kehl und Gündogan gab es im Dortmunder Ensemble noch einen weiteren Spieler, der in den Blickpunkt rückte. Und das, obwohl er kaum in Erscheinung trat: Allein die Tatsache, dass Mitch Langerak im Dortmunder Tor zwischen die Pfosten rückte, ließ aufhorchen.

Seit Jürgen Klopp vor mehr als sechs Jahren seine Mission in Dortmund antrat, ist Roman Weidenfeller als Torhüter unumstritten. Doch dieser Nimbus bröckelt, weil der 34-Jährige in dieser Saison viel von seiner Souveränität eingebüßt hat. Zuletzt hinterließ der Routinier beim zweiten Gegentor in Frankfurt einen reichlich unsortierten Eindruck, nun bekam er eine Zwangspause verordnet. Klopp sprach von einem "Bauchgefühl", als er gefragt wurde, warum er sich für den acht Jahre jüngeren Australier Langerak entschieden habe: "Ich wollte die Frische, ich wollte den Spaß."

An alte Dortmunder Zeiten erinnert

Mit Weidenfellers Seelenleben, so betonte Klopp, habe er sich im Vorfeld des Spiels nicht weiter befasst: "Er ist Profi und kann damit umgehen. Ich werde den Teufel tun und nachfragen, ob er das cool findet." Ob die langbewährte Torwart-Hierarchie beim BVB damit Geschichte ist, ließ der Trainer offen: "Es war eine Entscheidung für heute, wie ich das nächste Mal entscheide, weiß ich noch nicht." Zumindest auf das Binnenklima sollte sich die Personalrochade nicht negativ auswirken. "Unser Verhältnis ist gut", betonte Langerak, "Roman hat mir vor dem Spiel Glück gewünscht."

Es ist durchaus vorstellbar, dass Langerak weitere Bewährungsmöglichkeiten erhält. Schließlich haben die Dortmunder in dieser Saison noch nicht allzu häufig zu null gespielt, obwohl dieses seltene Erlebnis gegen Hoffenheim nicht dem Torhüter, sondern seinen Vorderleuten zuzuschreiben war. Das Dortmunder Spiel funktionierte ohne die krassen Aussetzer, mit denen sich die Borussia zuletzt regelmäßig selbst im Weg gestanden hatte. Der Gegner habe "unheimlich präsent verteidigt", lobte Hoffenheims Trainer Markus Gisdol, zudem habe ihn "das Umschaltspiel an frühere Dortmunder Zeiten erinnert".

Tatsächlich war der BVB über 90 Minuten das dominante Team und hätte viel mehr Tore erzielen müssen. Unter anderem wurde ein reguläres Tor von Aubameyang wegen angeblicher Abseitsstellung aberkannt. Doch die Borussia hatte auch Glück, dass Schiedsrichter Felix Zwayer kurz vor Schluss ein klares Foulspiel von Subotic an Elyounoussi ungeahndet ließ und den Hoffenheimern einen Strafstoß verweigerte. Dass der Unparteiische die Szene trotz bester Perspektive übersah, war also so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Nun kann sie also losgehen, die lang angekündigte Dortmunder Aufholjagd. Zumindest, wenn es nach Ilkay Gündogan geht: "Ich hoffe, dass wir aus den letzten Spielen bis zur Winterpause das Maximum rausholen."

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