BVB-Sieg beim FC Bayern:Klopps Schüler gehorchen perfekt

FC Bayern München - Borussia Dortmund

Gelehrige Schüler: Pierre-Emerick Aubameyang (links) und Marco Reus.

(Foto: dpa)

Was für eine Woche für den BVB: Nach dem Heimsieg gegen Real Madrid gewinnt Borussia Dortmund auch beim Meister aus München. Trainer Jürgen Klopp entschlüsselt das Erfolgsmodell der Bayern mit einer überfallartigen Defensivtaktik aus alten Zeiten.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Jürgen Klopp stand minutenlang wie eine schwarz-gelbe Statue mit verschränkten Armen in der Nähe der Mittellinie und blickte dem Gegner bei den Aufwärmübungen zu. Was er wohl gedacht hat unter seiner gelben Kappe? Vielleicht: Genießt es, gleich ist der Spaß vorbei. Oder: Hey Arjen, schieß' noch mal aufs Tor, es wird dein letztes Mal gewesen sein.

Zwei Stunden später saß der Trainer von Borussia Dortmund auf dem Podium im Presseraum der Münchner Arena und sagte: "Das war eine Außergewöhnliche Woche mit Siegen gegen Real und Bayern." 2:0 und 3:0 gegen zwei der besten vier Mannschaften Europas. Das kleine aber unfeine Manko, dass dem BVB eine umgekehrte Verteilung der Tore in den beiden Spielen lieber gewesen wäre, geriet am Samstagabend zum Randthema.

Aus Dortmunder Sicht war in München auch unwichtig, dass die Bayern als längst feststehender Meister nicht ganz bei der Sache waren. Sie hatten sich einen Plan zurecht gelegt. Dabei erläuterte Klopp, dass er seinen Spielern diesen Plan nicht auf dem Trainingsplatz, sondern im Besprechungsraum beigebracht hatte. In dieser Phase der Saison sei nur noch körperliche Regeneration möglich. "Wir mussten das alles erzählen, konnten nicht trainieren", sagte Klopp. Seine Spieler sind gute Schüler, denn sein Plan funktionierte perfekt.

Die Bayern hatten mehr als 70 Prozent Ballbesitz, passten sich mehr als doppelt so oft den Ball zu, hatten 12:2 Ecken, 18:4 Flanken in den Strafraum - und verloren doch 0:3. An diesem Samstagabend ist das Erfolgsmodell der Münchner entschlüsselt worden. Zumindest von müden, leicht demotivierten Münchnern. Aber einige Aspekte fielen doch auf.

Jürgen Klopps Trainerteam hat sich wie damals im Champions-League-Finale getraut, seine Mannschaft weit nach vorne zu schieben, die Bayern weit in deren Hälfte zu attackieren. Der BVB spielte praktisch Mann gegen Mann über das ganze Spielfeld. "Wir wussten, dass die Bayern normal gegen Mannschaften spielen, die weit hinten drin stehen. Deshalb wollten wir sie früh attackieren", erklärte Kapitän Sebastian Kehl.

Damit neutralisierten die Gäste die von Bayern-Trainer Pep Guardiola so hochgeschätzte Dominanz im Zentrum. Der Spanier schickte bei eigenem Ballbesitz die Außenverteidiger Rafinha und David Alaba ins defensive Mittelfeld, die Dortmund Außenspieler taten es ihnen gleich, womit in der Mitte ein Gedränge herrschte wie am Münchner Stachus am Samstagnachmittag.

"Die Bayern wussten nicht, wie sie vorkommen sollen", stellte Erik Durm zufrieden fest. Was auch daran lag, dass er als Linksverteidiger gegen Arjen Robben eine hervorragende Partie machte. Für Guardiola allerdings gründete sich der Misserfolg aus dem zähen Aufbauspiel aus der Abwehr heraus: "Wir haben unsere Pässe hinter die Mittellinie nicht gefunden, unser Aufbau war ein bisschen langsam", kritisierte der Bayern-Trainer.

"Brutal harte Arbeit"

So plätscherte das Spiel scheinbar dahin, die Bayern hatten fast ständig den Ball, kam aber kaum in die Nähe des Strafraums. Für die Dortmunder bedeutete das ständige Anlaufen des Gegners über den ganzen Platz "brutal harte Arbeit", wie Klopp ausführte.

Vor allem die Offensiven und die Mittelfeldspieler bedrängten die Gegenspieler fast wie in alten Zeiten, als der BVB noch Titel gewann, und nervten die Wir-sind-ja-schon-Meister-Bayern erheblich. Klopp lobte seine Dauerrenner: "Das frühe Stören erfordert vor allem Mut. Wenn du hoch und alleine anläufst, ist die Gefahr groß, dass du ausgespielt wirst."

Die Münchner verloren zusehends die Lust gegen diesen nervtötenden Gegner. Es folgten seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehene Unpässlichkeiten: Das 1:0 fiel nach einem Einwurf, das 2:0 nach einer Ecke für Bayern und anschließendem Turbo-Konter, das 3:0 nach einem 70-Meter-Pass über alle Spieler hinweg zu Jonas Hofmann, der plötzlich alleine vor dem Tor stand.

Die Defensivtaktik plus Überfallangriff nach Ballgewinn war in München ähnlich perfekt umgesetzt wie am Dienstag gegen Madrid. Und dass über weite Strecken ohne den geschonten Robert Lewandowski und mit einigen Wechseln in der Anfangself. Dafür diesmal mit dem Torschützen Henrikh Mkhitaryan. Ob er denn nicht lieber eine seiner drei Chancen gegen Real genutzt hätte, als diese hier in München? Die Szenen gegen Madrid seien immer noch in seinem Kopf gewesen, sagte der Armenier, selbst noch als er das 1:0 erzielt hatte. Danach aber wirkte er wie befreit und bereitete das 2:0 herrlich vor.

Hat diese Partie nun Auswirkungen auf ein eventuelles Pokalfinale in Berlin? Beantworten wollte diese Frage niemand, es sind ja noch die Halbfinals zu spielen. Die Bayern freuen sich auf das Heimspiel gegen Zweitligist Kaiserslautern, Dortmund erwartet am Dienstag mit dem VfL Wolfsburg das ungleich schwierigere Spiel. Da nun der Champions-League-Platz in der Bundesliga bei elf Punkten Vorsprung praktisch perfekt ist, ist das Pokal-Halbfinale die letzte echte Herausforderung für den BVB. Die Wolfsburger dürfen gespannt sein, was Lehrer Klopp mit seinen Schülern diesmal im Besprechungsraum ausheckt.

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