BVB:Reus bekämpft das Mentalitätsproblem

Borussia Dortmund v Hamburger SV - Bundesliga

Kämpfte und gestikulierte: Marco Reus.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Gemäß der Nummerierung hätte der Spieler mit der Nummer elf am Samstag bei der Vorstellung der Startelf als Zweiter nach dem Torwart Roman Bürki genannt werden müssen. Doch der Stadionsprecher Norbert Dickel bewahrte sich den Rückkehrer Marco Reus extra fürs Ende auf und brüllte den Namen dann auch gleich drei Mal ins Mikrofon. 259 Tage nachdem sich Reus, 28, im ersten gewonnenen Endspiel seiner Karriere im DFB-Pokalfinale im Mai 2017 einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, feierte der gebürtige Dortmunder am Samstag gegen den Hamburger SV sein Comeback.

Als Reus acht Monate zuvor letztmals ein Matchtrikot getragen hatte, war Thomas Tuchel noch Dortmunds Trainer und im Sturm spielten Ousmane Dembélé und Pierre-Emerick Aubameyang. Der BVB spielte attraktiven Fußball, es scheint sehr lange her zu sein.

Kann Dortmund mehr als Ergebnisfußball?

Die drei genannten Dortmunder Protagonisten sind nicht mehr da, und als Reus am Samstag mit seinem drei Mal ausgerufenen Namen vom ganzen Stadion euphorisch begrüßt wurde, da ging es nicht nur um die Rückkehr eines sympathischen Fußballers, der in seiner Karriere schon so viel Verletzungspech gehabt hat - es ging auch um die Hoffnung, dass mit ihm die guten alten Zeiten wenigstens ein bisschen zurückkehren. Die Hoffnung wurde zumindest ein kleines bisschen erfüllt. Reus leitete in der 49. Minute die 1:0-Führung durch den neuen Stürmer Michy Batshuayi ein.

Der vom FC Chelsea ausgeliehene Belgier besitzt Anmutung und Effektivität eines Aubameyang, er hat in seinem zweiten Spiel für den BVB schon sein drittes Tor geschossen. Der 2:0 (0:0)-Sieg gegen den Hamburger SV bedeutete den zweiten Dortmunder Sieg nacheinander, aber mit Köln und dem HSV haben sie da auch nur die Letzten der Teams bezwungen. "Es war nicht exzellent heute, wir haben nicht gut gespielt, ganz klar", sagte Reus hinterher. Am Donnerstag in der Europa League gegen Atalanta Bergamo und drei Tage später in Mönchengladbach muss der BVB noch nachweisen, dass seine jüngste Punktausbeute mit attraktivem Fußball unterlegt werden kann. Über die mauen Leistungen tröstet man sich derweil mit dem dritten Tabellenplatz hinweg.

Es ist erst ein paar Tage her, dass der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in einem Zeitungsinterview die Mentalität der aktuellen Mannschaft infrage gestellt und für den kommenden Sommer personelle Veränderungen angedroht hat. Dem Trainer Peter Stöger war das am Samstag sogleich Anlass genug, Reus als Rückkehrer und den Schweizer Innenverteidiger Manuel Akanji sowie dem belgischen Mittelstürmer Batshuayi als zwei Heimspiel-Debütanten in seine Startelf zu berufen. Das erschien dem Dortmunder Publikum rein optisch wie eine halbneue Mannschaft - bloß der Fußball, denn sie dann spielten, der fühlte sich genauso mittelmäßig an wie in den vorangegangenen Wochen.

Es war von Beginn an deutlich zu erkennen, dass Reus mehr versuchte, als nur den Balltransport vor das Hamburger Tor zu optimieren. Er gestikulierte viel, zeigte seinen Mitspielern Stellungsprobleme und Laufwege an und klatschte immer wieder ermunternd in die Hände. Er versuchte, das von Watzke angesprochene mannschaftliche Mentalitäts-Problem zu lösen. Dortmunds Fußball jedoch scheiterte in der ersten Halbzeit an Hamburgs Wellenbrechersystem namens 5-3-2, die Dortmunder Wellen waren dafür einfach nicht groß genug. Und nicht nur das. Die Gäste hatten sogar mehr und bessere Chancen.

Am Ende setzt Schürrle einmal blitzgescheit Götze in Szene

Dass der bis zum Saisonende ausgeliehene Batshuayi bisher ein würdiger Aubameyang-Ersatz ist, bewies er in der 49. Minute, als er die erste richtige Dortmunder Chance des Spiels zur Führung nutzte. Reus brachte den Ball an den Strafraum, von wo ihn Christian Pulisic mit Härte und Präzision vor das Tor weiterleitete. Batshuayi lauerte nahe des zweiten Pfostens und drückte den Ball über die Linie. In seinen ersten beiden Spielen war er damit an vier von fünf BVB-Treffern beteiligt.

Nach seinem 1:0 mussten die arg defensiven Hamburger ein bisschen mehr riskieren und brachten die spielerisch weiterhin arg verhaltenen Gastgeber tatsächlich in Bedrängnis. Nach 70 Minuten wurde Reus unter dem Applaus des Publikums durch Mario Götze ersetzt. Danach verflachte das Dortmunder Spiel - um es freundlich zu formulieren. Der Tabellendritte ließ sich vom Vorletzten in die eigene Hälfte schnüren, erspielte sich in der Nachspielzeit aber trotzdem noch das 2:0 durch Mario Götze, nach einem blitzgescheiten Pass von André Schürrle.

"Es hätte gegen Ende auch noch anders ausgehen können", gestand Götze, "umso wichtiger war, dass wir die drei Punkte zuhause behalten haben." Reus vertraut unterdessen auf weitere Fortschritte in den nächsten Wochen. Seine Aussichten, sogar bei der Weltmeisterschaft in Russland mitspielen zu dürfen, hält er für: "gut".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: