BVB in der Champions League:Dembélés Fernziel heißt Barcelona

BVB in der Champions League: Gilt als echtes Schnäppchen: Ousmane Dembélé.

Gilt als echtes Schnäppchen: Ousmane Dembélé.

(Foto: AFP)

Dortmund setzt in der Champions League voll auf die Dribbelkünste von Ousmane Dembélé. Der sieht den BVB nur als Zwischenstation.

Von Christof Kneer

Die Saison ist noch jung, es ist erst Oktober, und doch hat es Mario Götze bereits geschafft. Vermutlich hat er das erreicht, was er erreichen wollte, als er aus München nach Dortmund zurückwechselte. Er ist jetzt wichtig, und beim Blick auf die Daten muss man sagen: Er ist fast der Chef. Götze ist nicht nur Weltmeister, so was kann ja mal passieren, er hat auch so viele Länderspiele (58) wie kaum ein anderer in jener Startelf, der Trainer Thomas Tuchel das Champions-League-Spiel bei Sporting Lissabon anvertrauen wird.

Sollten der angeschlagene Verteidiger Sokratis (62 Länderspiele für Griechenland, Tendenz allerdings: fit) und der zurzeit sehr reserveverdächtige Shinji Kagawa (78 Mal für Japan) draußen sitzen, wäre Götze sogar eine Art elder statesman. Ob das nun für oder gegen die Aussichten des BVB spricht, das muss jeder selbst entscheiden.

Die Bayern haben sich im Sommer auch für Dembélé interessiert

Wenn man ehrlich ist, verfügt Götze, 24, zurzeit nicht über die Form eines Spielers, den man ein Team führen und prägen lassen sollte, aber was sollen sie machen beim BVB? Sie müssen in Lissabon die Elf nehmen, die sie auftreiben können, eine andere haben sie nicht mehr. André Schürrle, Marco Reus, Gonzalo Castro, Raphael Guerreiro, Marcel Schmelzer, Adrian Ramos, Sven Bender: alle verletzt. Mikel Merino, Joo-Ho Park: nicht für die Champions League gemeldet. Und Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan haben, wenn nicht alles täuscht, immer noch den Verein gewechselt. Sie spielen immer noch für den FC Bayern, für Manchester City und für Manchester United.

Nach Lage der Dinge wird es keine stabile und ausbalancierte Elf sein können, mit der die Dortmunder die Tabellenführung in ihrer Vorrundengruppe zu verteidigen versuchen. Umso mehr wird es auf jene Spieler ankommen, die, wie man im Fußball so sagt, den Unterschied ausmachen können. So ein Spieler war Götze mal, aber seinen Unterschied hat man schon länger nicht mehr gesehen. So könnte Dortmunds wichtigster Spieler neben Torjäger Aubameyang ein 19-jähriger Franzose sein, der 56 Länderspiele weniger als Götze aufweist: Ousmane Dembélé - ein spektakulärer junger Mensch, über den man in Europa mindestens so ehrfurchtsvoll raunt, wie man einst über Götze raunte.

Dembélé ist einer jener Flügelspieler, die überhaupt keine Rücksicht darauf nehmen, ob sie jetzt links oder rechts spielen, ob ihr Gegenspieler schnell oder langsam oder rund oder viereckig ist. Dembélé sieht seine Gegenspieler ohnehin nicht so lang, er zieht halt an ihnen vorbei - aber anders als etwa sein Münchner Landsmann Kingsley Coman, 20, bringt Dembélé dabei nicht nur sein hohes Tempo in Anrechnung, sondern auch seine exquisite Dribbeltechnik.

Dembélé ist ein Anfänger, man kann das nicht anders sagen, aber genau das ist es, was diesen Spieler so aufregend macht. Es ist noch nicht mal ein Jahr her, dass Dembélé sein erstes Profispiel absolviert hat, im November 2015 debütierte er für Stade Rennes in der französischen Liga; als er im Sommer nach Dortmund kam, hat er abenteuerliche neue Dinge erlebt, zum Beispiel - huch! - Stabilisationsübungen, die sie dort im Training absolviert und dabei so getan haben, als sei es das Normalste von der Welt.

15 Millionen Euro Ablöse? Ein Schnäppchen

Dembélé hatte noch nie in seinem Leben Stabilisationsübungen gemacht, und er hatte auch noch nie einen Trainer, der ihm erklärt hat, dass es nicht so schlecht wäre, wenn seine Dribblings auch ein Ziel hätten. Manchmal spielt Dembélé ja nicht nur den ersten und zweiten Gegenspieler aus, sondern auch den dritten und vierten, aber nach dem vierten merkt er dann, dass er sieben Meter weiter hinten steht als vor dem ersten Dribbling.

An der Elite-Universität namens "Champions League" ist Dembélé noch ein Abc-Schüler, aber das stört seinen Professor nicht. In den wenigen Wochen ist Dembélé bereits zu einem Lieblingsschüler Thomas Tuchels geworden, nur vom ebenfalls neuen Portugiesen Raphael Guerreiro hört man den Trainer ähnlich schwärmen. Auch beim Rivalen aus München räumen sie ein, dass den Dortmundern auf einem eskalierenden Sommer-Transfermarkt ein bemerkenswertes Geschäft gelungen ist; ein Talent, das ganz am Anfang seiner Entwicklung steht und dafür schon viel zu gut ist. Und ganz ehrlich: 15 Millionen Euro Ablöse? Das ist angesichts der inzwischen irren Marktpreise so preiswert, dass man es fast nicht annehmen kann.

Lieber nicht zu Bayern oder ManCity

Auch die Bayern haben sich natürlich mit Dembélé befasst, aber sie haben bald gemerkt, dass ihre Mühe vergeblich sein dürfte. Stade Rennes ist ein Puma-Klub wie der BVB, aber es waren nicht nur Marketing-Erwägungen, die den Spieler nach Dortmund gebracht haben. Die Münchner Unterhändler erzählen beeindruckt von einem jungen Mann, der sich sehr genau vorstellen kann, wie seine Karriere mal verlaufen könnte. Offenbar wollte der Abc-Dribbler noch nicht gleich zu einem Kaliber Marke FC Bayern oder Manchester City, zu Ausbildungszwecken suchte er einen Topklub auf der Stufe darunter.

Und wenn er sich bei diesem Klub so entwickelt, wie sein aktueller Trainer das erwartet, dann könnte es irgendwann Zeit sein für das große Ziel, von dem Bayerns Unterhändler ebenfalls berichten. Dembélé wolle unbedingt zum FC Barcelona - aber erst, wenn er reif genug ist und seine Dribbling nicht sieben Meter weiter hinten, sondern mindestens sieben Meter weiter vorne beendet.

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