BVB in der Champions League:Das Rätsel Aubameyang

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Die Fußballwelt rätselt: Was hat der extrovertierte, gern auch mal exzentrische Fußballer Pierre-Emerick Aubameyang bloß angestellt, um als Borussia Dortmunds mit Abstand erfolgreichster Torjäger für das so wichtige Champions-League-Spiel gegen Sporting Lissabon suspendiert zu werden?

"Diese Entscheidung ist uns sehr schwer gefallen", sagte Trainer Thomas Tuchel zwar. Zu den Gründen befragt, bildeten Fußballer und Funktionäre von Borussia Dortmund aber eine Mauer des Schweigens. Nach dem Dortmunder 1:0-Sieg, der dem Klub am Mittwochabend frühzeitig den Einzug ins Achtelfinale sicherte, wurde gegrinst und kopfgeschüttelt, aber das Schweigegelübde hielt vorerst stand, was zu Spekulationen einlud.

So fragt man sich: Ist der 27-jährige gabunische Nationalspieler etwa verspätet von einer Reise zu seinem Pariser Friseur Barber Gé zurückgekehrt? Hat er in der Teambesprechung auf dem Smartphone laut jubelnd Fifa 16 gespielt? Hat er während des Trainings seinen Rennwagen eigenhändig mit Blattgold überzogen? Kokettiert er im Klub zu offensichtlich mit einem bevorstehenden Wechsel - zu einem Mode-Label? Oder hat er sich vor dem Spiel einfach insgesamt unziemlich benommen, damit ihm eine Suspendierung genau jene Möglichkeiten eröffnet, die er am Mittwochabend auskostete?

BVB spielt ohne Aubameyang mau

Erst twitterte sein Bruder Catalina nämlich ein Foto, wie die beiden gemütlich beim Italiener sitzen, dann erschien Aubameyang gutgelaunt mit seinen zwei Brüdern auf der Stadiontribüne, gekleidet wie Humphrey Bogart in einem Schwarz-Weiß-Film. Schließlich verließ er kurz vor Spielende seinen Platz, huschte unter der Anteilnahme von Fotografen und Kameraleuten zu einem knallroten Flitzer und röhrte mit diesem davon, als habe Trainer Tuchel ihm als Strafe aufgetragen, noch vor Mitternacht und ohne Nachtisch ins Bett zu müssen.

Etwas näher dran dürften die Gerüchte sein, wonach Aubameyang für eine nicht genehmigte Reise nach Mailand gemaßregelt wurde. Der Stürmer sei, wie Bild und Sportbild berichten, am Montag mit Freunden in einem Privatjet nach Italien geflogen und am nächstem Morgen zu spät zum Treffpunkt erschienen. Danach wollte ihn Tuchel nicht mehr im Kader haben.

Doch was verrät das über ein Fußballspiel, wenn die Suspendierung eines Stürmers für genau ein Spiel alles Sportliche überdeckt? Es verrät, dass die Leistung der Dortmunder beim 1:0 gegen Sporting durch einen Treffer des Aubameyang-Ersatzes Adrian Ramos eher mau wirkte, dass von Lissabon keine rechte Gegenwehr zu sehen war und dass die Stimmung im Stadion im Vergleich zu sonstigen Heimspielen irgendwie dünn erschien. Dass der BVB mit diesem dritten Sieg im vierten Gruppenspiel den Einzug ins Achtelfinale sicherstellte, war jedenfalls nicht so richtig zu spüren. Das lag bestimmt auch daran, dass die Spieler selbst ihren Auftritt "zäh" nannten und vor allem das nackte Ergebnis herausstellten.

"Wenn konsequent, dann konsequent konsequent"

"Dieser Sieg hilft uns", sagte auch Tuchel und freute sich über "das Gefühl, dass wir durch sind". Ob man nun den Kopf freier habe, um in der Bundesliga nach vier sieglosen Partien wieder erfolgreicher aufzuspielen, wurde der Trainer gefragt, aber da schüttelte er sofort energisch den Kopf. "Wir hatten in der Liga kein Konzentrations- und auch kein Prioritätenproblem", sagte er. Er rechnet fürs Spiel am Samstag beim Hamburger SV demnach auch nicht mit einem Akt der Befreiung, sondern mit einer routiniert fokussierten Vorstellung.

Aubameyang wird in Hamburg wieder mitspielen, zumal er sich am Mittwochabend in seinem Designermantel mit hochgeschlagenem Kragen und schickem Hut nichts eingefangen haben dürfte. Tuchel hat nach dem Spiel bloß noch erklärt, wie schwer ihm die Sanktion gefallen sei, "weil wir auf seine Qualität nur sehr schwer verzichten können". Trotzdem habe man keine andere Wahl gehabt. "Manche Dinge müssen losgelöst vom Zeitpunkt betrachtet und entschieden werden."

Ob er nun unerlaubt nach Mailand gejettet war oder nicht: Offenbar war Aubameyangs Verfehlung für Tuchel so schwerwiegend, dass aus dessen Sicht fürs zukünftige Verhalten des Spielers ebenso wie für den Mannschaftsgeist keine Alternative bestand.

"Wenn konsequent, dann konsequent konsequent", sagte Tuchel und lieferte damit einen irgendwie nur konsequenten Titel für ein pädagogisches Lehrbuch.

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