BVB in der Bundesliga:Tuchel grinst, so lange es um Fußball geht

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  • Nach dem 1:1 in Augsburg muss Borussia Dortmund um die direkte Qualifikation zur Champions League bangen.
  • Trainer Tuchel schwärmt trotzdem, aber die Stimmung beim BVB ist nicht ganz unbeschwert.
  • Einer, der Tuchel lange kennt, sagt: "Um Sachen, die ihm wichtig sind, streitet er sich gerne."

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Es gibt in diesen Tagen voller Geheiminformationen und Verschwörungen beim Ballspielverein Borussia Dortmund auch noch Gewissheiten: Der Fußballtrainer Thomas Tuchel spricht gerne über Fußball. Als es am Samstagabend in Augsburg galt, das 1:1 des BVB zu erklären, beugte er sich in der Pressekonferenz über ein Blatt Papier voller Statistiken und sagte zur Begrüßung, er würde nun "sehr gerne" über das Spiel sprechen. Dann referierte er über Ballbesitzquoten und den Schwierigkeitsgrad von Eins-gegen-Eins-Situationen auf stumpfen Rasen. Er grinste und witzelte, als würde er jeden von seiner guten Laune überzeugen wollen. Solange es um Fußball ging.

Das Problem ist bloß: Es geht in Dortmund gerade nur am Rande um Fußball auf Statistikzetteln. Es geht um Beziehungen und um die Frage, ob sie die Beziehungskrisen mindestens zwei Wochen lang beiseite schieben können, um noch ein paar Ziele zu erreichen: die Champions-League-Qualifikation und den Pokalsieg.

"Die Ausgangslage hat sich nicht dramatisch verändert", hat Tuchel am Samstag gesagt, er meinte die Tabelle. Dortmund muss am kommenden Samstag wohl gegen Bremen gewinnen, um Rang drei vor der punktgleichen TSG Hoffenheim zu verteidigen. Personell hat sich dagegen viel verändert. Der Mittelfeldspieler und Jung-Regisseur Julian Weigl fällt mit einem gebrochenen Sprunggelenk mehrere Monate lang aus. Und wer wollte, der konnte aus Tuchels Worten über Weigl mal wieder ein paar Interpretationen ableiten.

Thomas Tuchel spricht von "maximalem Vertrauen" zwischen ihm und den Spielern

Weigl, schwärmte Tuchel, sei ein Spieler, mit dessen Pässen der Ball "eine Sekunde schneller da" sei. Weigls Ausfall - er war nach einem Zweikampf im Rasen hängen geblieben - sei "ein Verlust, den wir eins zu eins nicht kompensieren können. Wir müssen versuchen, eine Lösung zu finden für zwei Spiele, was sehr schwierig wird". Ein paar Stunden später saß Nuri Sahin, der wohl diese Lösung im zentralen Mittelfeld sein wird, im ZDF-Sportstudio. Auf die Frage nach der Beziehung zwischen Trainer und Mannschaft sagte er, sie sei "so, wie es sein muss: ein sehr professionelles Verhältnis". Er sagte dies mit einem sehr professionellen Gesichtsausdruck.

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:Julian Weigl fällt monatelang aus

Der BVB-Profi bricht sich beim Spiel in Augsburg das rechte Sprunggelenk. Damit fehlt er im Pokalfinale und beim Confed-Cup.

Zur Erinnerung: Zwischen Tuchel und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gibt es seit Wochen einen "Dissens", den Watzke in einem WAZ-Interview vor einer Woche zugab. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Tuchel und Watzke sich demnächst vertragen. In der vergangenen Woche, in der es nach dem öffentlichen Wirbel um eben jenes Interview durchaus nötig gewesen wäre, habe kein Gespräch zwischen beiden stattgefunden, sagt Tuchel. Aber wohl wichtiger - kurzfristig für den BVB und langfristig auch für Tuchels Ruf als Trainer -, ist die Frage nach einem möglichen Dissens mit den Spielern.

Ein BVB-Profi, der anonym bleiben wollte, hatte der SZ gesagt, die Beziehung sei, wie nach dem Anschlag auf den BVB-Bus vor einem Monat eigentlich kommuniziert, nicht besonders eng. Marco Reus wollte dazu am Samstag nichts sagen. Und Marcel Schmelzer erklärte, die Spieler würden sich nur darauf konzentrieren, am Ende der Saison den DFB-Pokal zu gewinnen.

Auf dem Rasen dagegen, wo überraschenderweise auch beim BVB gelegentlich noch entscheidende Dinge geschehen, hatte nichts auf einen Dissens hingewiesen. Dortmund spielte gegen einen unangenehmen Gegner überlegen und teilweise sehr schön. Nur vier Minuten nach dem 0:1-Rückstand in der 28. Minute traf Pierre-Emerick Aubameyang zum Ausgleich.

Borussia Dortmund
:Tuchel zeigt sich verletzt

"Alles konzentriert sich auf mich": Auf einer emotionalen Pressekonferenz kritisiert Thomas Tuchel die Auswüchse der BVB-Krise und die Berichterstattung. Seine Zukunft lässt er offen.

Tuchel dirigierte am Rand, änderte immer mal wieder in Nuancen die Formation, schob nach Weigls Verletzung Matthias Ginter im 3-3-2-2-System ins Mittelfeld. Inklusive des Schönheitsfehlers, dass der BVB kein zweites Tor erzielte, funktionierte alles: 77 Prozent Ballbesitz, 57 Prozent gewonnene Zweikämpfe, 87 Prozent erfolgreiche Pässe. So stellt Tuchel sich das vor.

Er selbst spricht von "maximalem Vertrauen" zwischen ihm und der Mannschaft. Und es ist ja auch keine drei Wochen her, da lachte er nach dem Sieg im DFB-Pokal-Halbfinale beim FC Bayern auf dem Rasen mit seinen Spielern so ausgelassen, dass man mit den Fotos einen Bildband über Teamwork hätte bestücken können. Am Samstag verglich Tuchel das BVB-Trainingszentrum mit einer "Oase", in der er ungestört arbeite. Er sagt: "Im Zentrum des Sturms ist es oft am ruhigsten."

Wer in der Frage, wie Tuchel mit Fußballern zusammenarbeitet, eine neutrale Position hören möchte, der kann es mal bei Nikolce Noveski versuchen. Kein Fußballer hat länger mit Tuchel zusammengearbeitet als der frühere Mainzer, der inzwischen selbst Trainer werden möchte. Noveski berichtet aus fünf Jahren mit Tuchel: "Wenn man die Aufgaben erledigt, dann kommt man mit ihm klar." Ja, er sei "ein Mensch, der seinen Plan durchgesetzt haben will", fordere sehr viel, "aber ich konnte offen mit ihm reden", auch konfrontativ: "Um Sachen, die ihm wichtig sind, streitet er sich gerne." Tuchel ordne dem Erfolg zwar viel unter, doch er lege auch sehr viel Wert auf einen positiven Mannschaftsgeist.

Eigentlich ist es also einfach eine Art soziologisches Experiment: Zwei Wochen lang arbeiten ein ehrgeiziger Trainer und ehrgeizige Fußballer an gemeinsamen Erfolgen. Und ob sie sich leiden können, das muss egal sein.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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