BVB in den Europa-League-Playoffs:Tuchels Ideen zünden

Borussia Dortmund - Wolfsberger AC

Zumindest mit einer Halbzeit konnte er zufrieden sein: Thomas Tuchel.

(Foto: dpa)
  • Nach unbefriedigender erster Halbzeit zerlegt der BVB den Wolfsberger AC mit 5:0 und zieht in die Playoffs zur Europa League ein.
  • Die Tore erzielen Reus, Aubameyang und dreimal Mkhitaryan.
  • Trainer Tuchel verspricht, dass sein Team noch besser spielen kann.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Wenige Minuten nach dem Abpfiff war die Stimmung im Dortmunder Lager entspannt. Kapitän Mats Hummels stand in den Katakomben des größten Stadions der Republik, plauderte mit seinem Gegenspieler aus Österreich, schenkte ihm das Trikot, um dann ein Liedchen pfeifend in der Kabine zu verschwinden. Als er wieder heraus kam, grinste er immer noch. "Unzählige Male" sei man "in den Rücken der Abwehr" vorgestoßen und habe dabei "total tolle Tore" erzielt. Am Ende hieß es gegen den Wolfsberger AC, den biederen Widersacher aus der österreichischen Provinz, nach torloser erster Halbzeit dann 5:0.

Vergessen war das zähe und weitgehend planlose Anrennen in den ersten 45 Minuten, nach dem Abpfiff feierten mehr als 65.000 Zuschauer (deutscher Rekord in der Europa League) mit ihren Profis, die das Pflichtprogramm souverän hinter sich gebracht hatten. Der bleibende Eindruck speiste sich in erster Linie aus dem fulminanten Dortmunder Auftritt in der zweiten Hälfte, als die Millionentruppe ihren Gegner aus Kärnten fachgerecht auseinandernahm.

Hernach schwärmte Trainer Thomas Tuchel von "gutem Pressing, guten Passabständen und gutem Tempo". Seine Mannschaft habe es nach "mangelnder Positionsdisziplin" in der ersten Halbzeit "öfter geschafft, zwischen die Linien zu spielen und in den Sechszehner zu kommen". 5:0 im ersten Pflichtspiel vor heimischer Kulisse, der Start konnte sich sehen lassen.

45 Minuten jedoch hatten die Dortmunder das gegnerische Tor uninspiriert berannt und durften auch deshalb nicht jubeln, weil der Schiedsrichter kurz vor dem Halbzeitpfiff ein Foul im Strafraum an Marco Reus ungeahndet ließ. Vor allem aber, weil der BVB die alte Untugend des Chancenwuchers zu neuer Blüte trieb. Die einzige Sturmspitze Pierre-Emerick Aubameyang brachte den Ball selbst aus drei Metern Entfernung nicht im Tor unter - es waren altbekannte Bilder.

Doch Schwamm drüber, Trainer Tuchel dozierte lieber über die Tugenden seines Personals. Der Trainer ist kein Entertainer wie sein Vorgänger Jürgen Klopp, doch seine fußballphilosophischen Exkurse haben ebenfalls ihren Unterhaltungswert. Seine Mannschaft habe in Halbzeit zwei "disziplinierter und gleichzeitig freier" gespielt, was für den 41-jährigen Schwaben "keinen Widerspruch" bedeutet. Was Tuchel damit meinte, führte er in der Folge aus: Erst dadurch, dass die Spieler ihre Positionen besser hielten und die Räume verdichteten, brachten sie sich in die Lage, ihre üppig vorhandene Kreativität auszuspielen.

Mkhitaryan wird zum Helden des Abends

Die Tore von Reus, Aubameyang und dreimal Henrikh Mkhitaryan waren der Beleg dafür, wie viel Qualität im Dortmunder Ensemble steckt, wenn es Lust hat. Tuchel hatte nach dem ebenso zähen wie glücklichen 1:0 im Hinspiel versprochen, man werde sehen, dass seine Mannschaft eine Woche später im Trainingsprozess wesentlich weiter sei. Tatsächlich wirkte das Auftreten wesentlich gefestigter: "Wir konnten das Tempo hochhalten und den Gegner von unserem Strafraum fernhalten - und das über 90 Minuten", sagte Tuchel und prognostizierte bis zum Start in der Bundesliga eine weitere Steigerung: "Wenn wir die Trainingszeiten verkürzen, wird noch mehr Frische dazukommen."

Vor allem Mkhitaryan durfte sich dabei als Gewinner feiern lassen: Drei Tore innerhalb von 13 Minuten, das allein ist ja schon eine Leistung, die - wenn überhaupt - nur ganz selten im Verlaufe einer Karriere gelingt. Wenn sich dann auch noch ein Spieler wie der sensible Armenier zu einer solchen Ausnahmeleistung aufschwingt, dann wird das Ausrufezeichen noch größer.

Zwei Spielzeiten lang ist über die mannigfachen Qualitäten des Edeltechnikers berichtet worden, aber auch darüber, wie sich dieser Fußballer in den entscheidenden Momenten immer wieder selbst im Weg steht. Nun fielen an einem warmen Sommerabend einige Zweifel ab. Rechts unten, links oben und links oben - plötzlich traf der Armenier, als habe er vor dem Tor niemals eine Blockade gehabt. Später kam der 26-Jährige als Letzter aus der Kabine und sprach leise über seinen größten Auftritt im schwarz-gelben Trikot.

Seine Worte formulierte er auf französisch und ließ sie übersetzen, wobei nach wenigen Sätzen klar wurde: Ein Aufschneider wird dieser junge Mann nie. Mkhitaryan sprach leise und übte sich dabei in vornehmer Zurückhaltung: "Ich bin glücklich, weil ich der Mannschaft helfen konnte." Und weiter: "Jeder Spieler versucht, Tore zu schießen. Das ist auch mein Ziel."

Sein Trainer wurde da schon deutlicher. Tuchel lobte "Trainingsfleiß, Offenheit und Herzlichkeit", Mkhitaryan sei ein "absoluter Musterprofi, ich bin sehr glücklich, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen". So weit mochte Hummels nicht gehen. Der Kollege sei lediglich ein Spieler, der "ziemlich viel mitbringe". Sein breites Grinsen verriet, dass Dortmunds Kapitän untertrieben hatte. Seine wahre Meinung über den Kollegen verriet der Weltmeister wenig später: "Ich bin ein großer Fan vom Fußballer und Menschen Henrikh Mkhitaryan."

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