BVB in der Bundesliga:In China Geld verdienen, im Ruhrpott daheim sein

Bayern Munich v Borussia Dortmund - German Cup DFB Pokal Final

Der BVB wird die Preise der Eintrittskarten nicht erhöhen.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Borussia Dortmund erzielt einen Rekordumsatz und hängt damit alle Bundesligisten außer Bayern ab. Aber wie lange schafft es der Verein noch, Heimatverbundenheit und Globalisierung zu verbinden?

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der Spagat gehört zu den Leibesübungen, für die Fußballer nicht gemacht sind. Schon der bloße Gedanke daran führt zu Verletzungsfantasien. Dabei sprechen die Chefs bei Borussia Dortmund andauernd von dieser Übung. Als vor wenigen Tagen der BVB mal wieder Rekorde bei den Umsätzen verkündete, war es der "Spagat zwischen Borsigplatz und Shanghai". Im Grunde geht es bei solchen Formulierungen immer nur um eine Frage: Was macht der Kommerz mit dem Fußball?

In Darmstadt oder Freiburg geht es um viel weniger Geld, aber natürlich würden alle am liebsten mitmachen beim Spagat zwischen Heimatfolklore und internationalem Auftritt, zwischen Fußball-Romantik und der Härte eines Milliardengeschäfts. In Dortmund ist der Spagat besonders extrem, weil die Chefs die gespreizte Übung stets verteidigen müssen - gegen die Ultras im Fanblock und andere Gralshüter des wahren Fußballs (was auch immer das sein mag). Im letzten Geschäftsjahr, das am 30. Juni endete, machte der BVB 376 Millionen Euro Umsatz, 36 Prozent mehr als im Jahr davor - das natürlich auch schon ein Rekordjahr war.

BVB-Chef Watzke weiß: "Die Flut hebt nicht alle Boote in gleichem Maße."

Im neuen Rekordumsatz stecken auch die Transfererlöse für Mats Hummels (zum FC Bayern) und Ilkay Gündogan (zu Manchester City), nicht aber jene für Henrikh Mkhitaryan, der erst nach dem Stichtag zu Manchester United wechselte. Doch selbst "transferbereinigt", wie es im Bilanzdeutsch heißt, also ohne den Sondereffekt aus den Weggängen, wurde der Umsatz immerhin um sieben Prozent gesteigert. Und das in einem Jahr, in dem der BVB nicht einmal den Geldregen der Champions League verspürte, sondern sich in der weniger lukrativen Europa League herumtrieb. Solche Rekorde muss Klubchef Hans-Joachim Watzke stets mit Vorsicht verkünden, um keine Fans zu kränken, die in Dortmund oft in grummelnde Opposition treten, wenn Nationalspieler wie Mario Götze oder André Schürrle für zusammen mehr als 50 Millionen Euro verpflichtet werden.

Die übrige Bundesliga fragt sich trotzdem, warum das alles in Dortmund geht - und anderswo nicht. Der FC Bayern marschiert zwar mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz weiter deutlich vorneweg, Dortmund bleibt den Münchnern mit respektvollem Abstand aber auf den Fersen. Alle anderen hängen immer weiter hinterher. "Die Flut", sagt Betriebswirt Watzke, "hebt nicht alle Boote in gleichem Maße." Selbst der ruhmreiche HSV aus der reichen Hansestadt Hamburg hat nur noch ein Drittel des Umsatzes des BVB.

Die finanzielle Kluft muss nicht immer zu einem sportlichen Unterschied führen. Gerne wird derzeit auf Leicester City verwiesen, das sich in der besonders finanzgesteuerten Premier League in England vor allen Klubs von Scheichs und Oligarchen den Meistertitel sicherte. Watzke nickt das ab. "Das kommt mal vor", sagt er, "aber generell gilt: Die Wahrscheinlichkeit von sportlichem Erfolg steigt mit dem Umsatz. Je mehr Umsatz, umso besser."

Das Verteilungsmodell der Bundesliga, mit dem seit eh und je das Geld aus der innerdeutschen Fernsehvermarktung nach beinahe sozialistischem Schlüssel verteilt wird, soll eigentlich für mehr Wettbewerbs-gleichheit sorgen. Inzwischen aber wird der Unterschied in der Liga nicht mehr über das deutsche Fernsehgeld definiert, das überwiegend vom Pay-TV-Sender Sky kommt. Sponsorengeld und globale Einnahmen katapultieren alle internationalen Top-Klubs in andere Sphären - auch Bayern und Dortmund. Der HSV zum Beispiel soll für seinen Ausrüstervertrag mit Adidas fünf Millionen Euro erhalten, kleinere Bundesligisten bekommen ein bis zwei Millionen. Manchester United kassiert vom selben Werbepartner zwischen 80 und 90 Millionen Euro jährlich, nur fürs Tragen von Trikots und Schuhen; die Bayern erhalten fast 40 Millionen.

Mehr Fans, mehr Aufmerksamkeit, mehr Kult, mehr Geld

Borussia Dortmund, das immer ein wenig mit seinen Wurzeln als Arbeiterklub in der ehemaligen Schwerindustriestadt kokettiert, hat viele Zahlen analysiert. Anderes Beispiel: Die Bayern verkaufen 1,2 Millionen Trikots an Fans, der BVB 500 000, ein typischer Großstadt-Klub wie der HSV etwa 50 000 pro Saison. Die Bayern haben etwa 17 Millionen erklärte Fans, Dortmund zehn Millionen. Schalke als Dritter in der Liga kommt noch auf drei Millionen. Je mehr Fans, desto mehr Aufmerksamkeit, desto mehr Kult, lautet die Gleichung.

"Wir machen die Erfahrung", sagt Watzke, "dass sich in den letzten fünf, sechs Jahren bei den großen internationalen Sponsoren etwas verändert hat. Gerade die Großen gehen nur noch nach Bekanntheitsgrad und Marktwert deiner Marke als Klub. Die fragen sofort: Wo steht ihr im Ranking?" Die Bayern liegen in der offiziellen Uefa-Rangliste auf Rang zwei, Dortmund auf Platz acht, trotz des Europa-League-Abstiegs im vorigen Jahr. "Eine Fußball-Marke ist schwer zu beschreiben, sie hat natürlich mit Erfolg und Tradition zu tun, aber auch mit weniger rationalen Imagefaktoren."

Wer einmal zu den Großen gehört, für den öffnen sich die wahren Finanztöpfe

Aus internationaler Sicht steht Bayern München als Marke für den Spagat zwischen Laptop und Lederhose, für Modernität und Folklore. Schon der Name "Bayern" überträgt Gefühle von Oktoberfest und Brezn. Dortmund steht für Authentizität, ehrliche Arbeit, Bodenständigkeit, die Wucht großer Industrien und einen ganz besonderen Menschenschlag. Die meisten anderen Klubs tun sich da schwer. Und so driftet das Gemeinwesen Bundesliga wirtschaftlich immer mehr auseinander. Der BVB ist dabei nicht einmal mehr durch den Verlust von 40 oder 50 Millionen aus dem einjährigen Verpassen der Champions League zu stoppen.

Der Vizechef von Dortmunds Hauptsponsor Evonik, Christian Kullmann, gestand dem Handelsblatt: "Zwei Drittel der Menschen haben uns kennengelernt über das BVB-Sponsoring. Viele finden Evonik sympathisch, obwohl sie gar nicht genau wissen, was wir machen." Evonik ist ein Ableger der ehemaligen Ruhrkohle, weltweit aktiv, vor allem in Asien. Kullmann findet Asienreisen des BVB deshalb besonders attraktiv. Das sympathische Image der Dortmunder wird transferiert auf den Industriepartner. So geht das heute. Wer einmal zu den Großen gehört, für den öffnen sich die wahren Finanztöpfe. Der BVB kassiert schon jetzt 30 Millionen allein durch Fernsehgeld aus dem Ausland - doppelt so viel, wie die ganze Mannschaft von Darmstadt kostet.

Völlig ergeben hat sich Dortmund der Jagd nach dem Geld aber offenbar nicht. "Bei den Eintrittskarten setzen wir auf Nullwachstum. Da ändern wir nichts, vor allem nicht für die 28 000 Stehplatz-Fans", sagt Watzke. Der BVB nimmt deshalb, trotz seiner konstant 81 000 Zuschauer, kaum mehr aus Tickets ein, als es mit 60 000 oder 65 000 Sitzplätzen der Fall wäre. Und auch bei den Trikotfarben gibt es keine Kompromisse: "Wir würden nie auf die Idee kommen, in etwas anderem als Schwarz-Gelb zu spielen", sagt Watzke: "Nicht für alles Geld."

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