BVB im DFB-Pokal:Dortmund stirbt fast den Chancentod

SV Wilhelmshaven v Borussia Dortmund - DFB Cup

Patrick-Emerick Aubameyang: In Wilhelmshaven von Gegenspielern umzingelt 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Borussia Dortmund muss den Regionalligisten SV Wilhelmshaven lange bearbeiten, um in der ersten Runde des DFB-Pokals die nötigen Treffer zu erzielen. Dabei fallen zwei junge Offensivkräfte auf. Für die Norddeutschen endet mit der Niederlage ein Hype, den der Klub noch nie erlebt hat.

Von Thomas Hummel

Dieser Nachmittag in Wilhelmshaven hätte durchaus ein paar Helden hergegeben. Aaron Siegl zum Beispiel, vor wenigen Wochen aus Oberbayern an den Jadebusen der Nordsee umgezogen. Beim FC Ingolstadt hatte es für den Torwart nur zu einem Platz in der zweiten Mannschaft gereicht - und jetzt spielte er mit dem Regionalligisten SV Wilhelmshaven gegen den Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund. Aaron Siegl machte eine famose Partie.

Oder Tim Scheffler, gekommen von der zweiten Mannschaft von Hertha BSC Berlin. Der 21-Jährige kam nach 58 Minuten in dieses Spiel des Jahrzehnts für Wilhelmshaven, neun Minuten später zog er alleine los und hatte nur noch BVB-Torwart Mitch Langerak vor sich. Doch Langerak blieb einfach stehen und entnervte Scheffler offenbar, der ihm den Ball gegen den Körper schoss. Es wäre in diesem Moment das 1:0 gewesen.

"Wir hatten die Chancen zum 1:0, damit hätten wir den BVB noch ein wenig mehr ärgern können", sollte Trainer Trainer Farat Toku später erklären. Während sein berühmter Kollege Jürgen Klopp abwiegelte: "Über das Weiterkommen habe ich mir auch keine Sorgen gemacht, als es nach 70 Minuten noch 0:0 stand."

Tatsächlich war Schefflers Möglichkeit die einzige für den Außenseiter im gesamten Spiel. Borussia Dortmund berannte zwar für seine Verhältnisse im Schlafwagentempo den weit hinten stehenden Regionallisten, fand aber nach 71 Minuten endlich den Weg ins Tor. Kevin Großkreutz traf zum 1:0, das Tor entschied die Partie. Die Widerstandskraft des Regionalligisten ließ nach, Marvin Duksch (83.) und Robert Lewandowski (89.) erhöhten auf 3:0.

Die Dortmunder mussten ihren unterklassigen Gegner lange bearbeiten, um die Treffer zu erzielen. Dabei schickte Klopp seine erste Elf auf den Rasen, nur Torwart Roman Weidenfeller (geschont) und Henrikh Mchitarjan (verletzt) fehlten, vorne bestritt Pierre-Emerick Aubameyang seine erste Partie von Beginn an.

Der Einkauf vom AS Saint-Étienne zeigte seine Schnelligkeit, fand kleine Lücken im Gestrüpp der Abwehrbeine rund um den gegnerischen Strafraum. Dass er auch ein Torjäger sein kann, zeigte Aubameyang allerdings nicht. Fünf schöne Gelegenheiten ließ er aus, meistens scheiterte er dabei an Torwart Siegl. Einmal hielt der unglaubliche Siegl einen Kopfball aus einem Meter Entfernung. Auch bei einem Freistoß von Nuri Sahin und einem Kopfball von Neven Subotic reagierte Siegl großartig, erhielt seiner Mannschaft und den 8000 Zuschauern im Jadestadion lange den Traum von der Sensation.

"Jetzt schaut die ganze Welt nach Wilhelmshaven"

Dabei war der Sportverein Wilhelmshaven vor wenigen Wochen noch kurz vor der Auflösung gestanden. Weil der Klub keine Ausbildungsentschädigung für einen Spieler an den argentinischen Klub River Plate Buenos Aires zahlen wollte, zog der Norddeutsche Fußball-Verband dem Regionalligisten sechs Punkte ab und Wilhelmshaven wurde am Ende der vergangenen Saison nur 16.

Weil keine Lizenz für die Oberliga beantragt wurde, drohte der Sturz in die Landesliga. Nur durch den Aufstieg von Holstein Kiel durfte Wilhelmshaven in der vierten Liga bleiben, da hatten aber schon 16 von 18 Spieler den Verein verlassen. Es kamen Trainer Toku und Manager Reinhold Fanz aus Wuppertal, und die beiden holten binnen weniger Tage 17 neue Spieler. Im TV-Sender Sky hieß es, dass diese durchschnittlich 1000 Euro im Monat bekämen und teilweise in Wohngemeinschaften zusammenlebten. Der Klub nimmt durch die Teilnahme am DFB-Pokal nun immerhin 97.677 Euro aus dem TV-Vertrag und Bandenwerbung ein, dazu kommt die Hälfte der Zuschauereinnahmen.

"Vor ein paar Wochen waren wir klinisch tot. Jetzt schaut die ganze Welt nach Wilhelmshaven und auf den SVW", hatte Präsident Hans Herrnberger vor dem BVB-Spiel erklärt. Fast 100 Journalisten hatten sich akkreditiert. "So einen Hype gab es noch nie, es gibt kein anderes Thema in der Stadt", sagte Pressesprecher Jörg Schwarz.

Und was bleibt für den BVB? "Es war sicherlich kein herausragendes Fußballspiel. Klar ist, dass unsere Chancenverwertung noch besser werden muss", sagte Trainer Klopp. Er setzt inzwischen häufig auf die jungen Duksch und Jonas Hofmann, die am 2:0 und 3:0 beteiligt waren. Dafür fiel Julian Schieber aus dem Kader, der frühere Stuttgarter kann sich in Dortmund wohl nicht mehr durchsetzen.

Wobei ja vorne noch das Problem Lewandowski verankert ist. Nachdem sich der Pole in der polnischen Zeitung Fakt bitterlich über den Klub beschwert hatte, weil dieser ihn nicht zum FC Bayern München hatte ziehen lassen, sogar mit einer laschen Einstellung drohte, kündigte Klopp ein klärendes Gespräch mit seinem Profi und dessen beiden Beratern an. "Alles, was es da noch zu besprechen gibt, wird intern besprochen. Sinn und Zweck der Veranstaltung ist, dass das Thema irgendwann komplett ruht. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Tagen alles klären können."

In Wilhelmshaven fügte sich Lewandowski in das zähe Offensivspiel seiner Elf ein, am Ende hob er den Ball geschickt zum 3:0 über Torwart Siegl. Ein Held ist er deshalb in Wilhelmshaven nicht geworden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: