BVB im DFB-Pokal:Die Randale verändert Dortmund

Lesezeit: 3 min

  • Borussia Dortmund gewinnt im DFB-Pokal nach Elfmeterschießen gegen Hertha BSC - doch im Mittelpunkt steht die Dortmunder Fanszene.
  • Verein und Mannschaft versuchen, den sichtbar gewordenen Hass aus dem Leipzig-Spiel einzudämmen.
  • Hier geht's zu den Ergebnissen im Pokal.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Am Ende dieses aufwühlenden Abends durfte Dortmund endlich wieder Dortmund sein. Die Spieler standen vor der Trübune, die der Volksmund "Gelbe Wand" nennt, sie tanzten, rissen die Arme hoch und schunkelten mit ihren Fans. So ist das oft beim BVB, aber diesmal wussten alle, dass ein Statement nötig war. Es sind noch längst nicht alle Emotionen heruntergedimmt nach den Ausschreitungen, die die Borussia und weite Teile der Fußballbranche vier Tage zuvor beim Bundeligakick gegen RB Leipzig erschüttert hatten. Aber immerhin schaffte es der Verein an diesem Abend, sich wieder wie der ganz normale BVB zu fühlen. Ohne Randale, ohne hässliche Übergriffe, ohne schlimme Spruchbänder. Und mit sportlichem Erfolg.

Thomas Tuchel wirkte kurz vor Mitternacht recht gelassen. Überhaupt nicht so gestresst und mitgenommen, wie sich Trainer durchaus fühlen dürfen, wenn ihre Mannschaft ihnen die Qual eines Elfmeterschießens beschert. Es gab also deutliche Hinweise dafür, dass bei Borussia Dortmund einiges geradegerückt worden ist innerhalb von nur vier Tagen.

Zumindest gilt das für den sportlichen Bereich. Zwei Siege, zuerst der in der Liga gegen Leipzig und nun ein 4:3 (1:1, 0:1) im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Hertha BSC - da konnte auch Tuchel grinsend von Kamera zu Kamera spazieren. Kurioserweise schaltete der BVB nach Union das zweite Team aus Berlin hintereinander aus, beide Heimspiele wurden im Elfmeterschießen entschieden - und natürlich wollen die Dortmunder jetzt selbst in die Hauptstadt. Zum Pokalfinale.

Der Erfolg wirkt als Beruhigungsmittel

Vergessen waren in diesen Momenten auch die vermeintlichen atmosphärischen Störungen zwischen dem Trainer und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Der Erfolg wirkte in jeder Hinsicht wie Beruhigungsmittel für die Dortmunder Protagonisten.

Trotzdem muss sich der börsenorientierte Revierklub umso intensiver mit Teilen seiner Fans beschäftigten. Der Hass einiger Anhänger Richtung Leipziger Fans hat im Klub Denkprozesse angeregt. Vor dem Anpfiff der Pokalabends traf zum Beispiel der Stadionsprecher im Flutlicht den richtigen Ton: Norbert Dickel verzichtete darauf, wie sonst üblich "im schönsten Stadion der Welt die besten Fans" zu begrüßen, sondern sprach stattdessen über "die wahren Fans". Solche Demonstrationen sind auch nötig nach all den Turbulenzen.

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Kein Zweifel, die Randale, bei der auch Kinder, Frauen und Familien mit Pflastersteinen, Dosen, Flaschen und Farbbeuteln beworfen wurden, hat Dortmund verändert. Sie sei "durch nichts zu rechtfertigen", betonte Tuchel, der sich an seine Jugend erinnert fühlte, "als ich oft mit meinem Vater im Fußballstadion war. Es muss doch möglich sein, als Familie mit Kindern friedlich ins Stadion zu gehen." Auch Kapitän Marcel Schmelzer wurde für einen vor Anpfiff gezeigten Einspieler vor die Kamera beordert, in der er sich im Namen der Mannschaft für die Ausschreitungen entschuldigte.

Teile der BVB-Ultras in der Kurve plärrten dagegen an.

Dortmund hat weiter viel zu tun, um den Fanfrieden wiederherzustellen. Es wird noch einiges an Kommunikationsgeschick bedürfen, um Kontrolle über das Fanproblem zu bekommen, denn unter den fast 25 000, die die "Gelbe Wand" bevölkern, tummeln sich offensichtlich schwerst Belehrbare.

Dagegen ist der BVB in seinem Kerngeschäft Fußball auf einem guten Weg. Den merkwürdig mutlosen ersten Auftritten nach der Winterpause in Bremen und Mainz ließ die Borussia gegen Leipzig und Berlin zwei Willensleistungen folgen. Plötzlich zeigten die Spieler wieder Tempo, Drang und Gewitztheit - verkörpert vor allem durch Marco Reus, der Solomon Kalous 0:1 (27. Minute) ausglich (47.). "Wir stehen derzeit mit einer sehr guten Ausstrahlung, einem guten Spirit und Qualität auf dem Platz", lobte Tuchel.

Trainer Tuchel hadert trotzdem

Das Einzige, womit der Coach haderte, war der schlampige Umgang mit Torchancen. "Wir hatten so viele Möglichkeiten, das Spiel zu entscheiden", sagte Tuchel, "aber uns fehlt der Punch und der allerletzte Wille, die Sache zu entscheiden, wenn sie zu entscheiden ist."

Immerhin fanden die Dortmunder ihre Genauigkeit wieder, als es zum Drama vom Punkt kam. Das galt vor allem für Dauerwirbler Ousmane Dembélé, der in der Verlängerung bereits entkräftet vom Platz getragen werden musste, dann zurückkehrte, um beim Elfmeterschießen den ersten Elfer zu versenken. Neben Dembélé überzeugte auch Torhüter Roman Bürki, nachdem er den Strafstoß von Vladimir Darida pariert hatte, während Fabian Lustenberger (an die Latte) und Kalou (über das Tor) von selbst scheiterten. Mittelfeldspieler Julian Weigl lieferte ein passendes Fazit: "Wir haben die Nerven behalten und einen super Torwart."

Belohnt für ihre Courage wurden die Dortmunder kurz nach Mitternacht, als die Auslosung ergab, dass im Viertelfinale mit dem Drittligisten Sportfreunde Lotte ein machbarer Gegner wartet. Der BVB ist also in drei Wettbewerben gut dabei - und der Dortmunder Stimmungsumschwung schreitet voran.

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