BVB gewinnt gegen den FC Bayern:Das Lächeln des Jürgen Klopp

Borussia Dortmund gewinnt gegen den FC Bayern 1:0 und schlägt den Rekordmeister zum vierten Mal in Serie. Entschlossen und angstfrei bearbeitet die Borussia den Gegner und steht kurz vor der Titelverteidigung. Auch wenn die Münchner die Meisterschaft noch nicht abschreiben wollen.

Jürgen Schmieder, Dortmund

Lange saß Uli Hoeneß nach dem Schlusspfiff auf seinem Platz in der Dortmunder Arena, zehn Minuten sah er den Dortmunder Spielern beim Feiern zu. Einmal drehte er sich um und wollte etwas zu Karl Hopfner sagen, doch der starrte auf sein Handy. Hoeneß sah hinüber zu Karl-Heinz Rummenigge, doch der starrte auf den Rasen. Also sah Hoeneß wieder aufs Spielfeld, dann erhob er sich und folgte der mittlerweile ritualisierten Präsidentenroute: kurz in die Kabine, wortlos an den Journalisten vorbei, hinein in den Bus.

Der Präsident des FC Bayern wirkte nach dem prägenden Bundesliga-Spiel gegen Borussia Dortmund nicht wütend. Er wirkte auch nicht trotzig oder genervt. Er wirkte ernüchtert. Sein Verein hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mal zu Endspielen stilisierte Partien verloren, damit kann Hoeneß umgehen - wenn auch nur ungern. Werder Bremen (4:1 im Jahr 1993) und der VfL Wolfsburg (5:1 im Jahr 2007) spielten sich jeweils in einen Rausch, Schalke 04 profitierte beim 3:1 im Jahr 2001 von grotesken Fehlern der Münchner.

Was diesmal auffiel: Die Dortmunder mussten sich nicht berauschen, sie brauchten auch keinen fehlerhaften Tag des Rivalen. Dortmund gewann zum vierten Mal in Serie gegen München - an diesem Abend verdient mit 1:0, weil der FC Bayern bis auf wenige Minuten am Ende der Partie schrecklich ungefährlich daherkamen. Die Borussen dagegen agierten frech und forsch, letztlich aber auch überaus stabil und abgeklärt. "Besser als heute können wir kaum spielen, Hut ab vor meiner Mannschaft", sagte Jürgen Klopp nach der Partie. Sebastian Kehl ergänzte: "Glück gehört dazu, aber wir standen fast 90 Minuten lang sehr sicher."

Es war ein Fußballspiel, das an ein imaginäres Szenario erinnerte, das Physiker und Philosophen seit Jahren beschäftigt: Eine unaufhaltsame und unzerstörbare Macht trifft auf ein unbewegliches und unzerstörbares Objekt. Was passiert?

An diesem Mittwochabend versuchten die Dortmunder mit Wucht, dieses eine Tor zu erzielen, das diese Partie würde entscheiden können. Sie bearbeiteten ihren Gegner über die gesamte Spieldauer kraftvoll. "Der FC Bayern hat zahlreiche Spieler, die gefährliche Situationen erzeugen können", sagte Kehl nach dem Spiel, "aber die Tatsache, dass wir bis auf die Schlussphase kaum etwas zugelassen haben, ist doch ein Beweis für unsere Sicherheit."

Dortmund wartete nicht ängstlich, vielmehr schienen sie den FC Bayern einzuschüchtern. Exemplarisch dafür stand Außenverteidiger Lukasz Piszczek, der erkannte, dass man Franck Ribéry am meisten ärgert, wenn man ihn zum defensiven Arbeiten zwingt. Nach Ballgewinn rückten Piszczek und seine Kollegen entschlossen nach vorne und erspielten sich sehenswerte Gelegenheiten.

Lewandowski mit der Hacke

Dass der Siegtreffer durch glückliche Wendungen - Kevin Großkreutz traf den Ball nicht richtig, Arjen Robben hob das Abseits auf, Robert Lewandowski lenkte den Ball mit der Hacke über Linie - begünstigt wurde, steht außer Frage. Nur haben sich die Dortmunder den Treffer und auch den Sieg nicht erduselt, sie haben ihn erzwungen und verdient.

Der FC Bayern wankte lange Zeit nicht - er war aber auch nicht wirklich gefährlich. In der ersten Halbzeit war ein Kopfball von Mario Gomez zu vermerken und ein Distanzschuss von Toni Kroos. Mehr nicht. In der zweiten Halbzeit wirkten die Münchner dominanter, es gab einige schöne Dribblings von Franck Ribéry, David Alaba und Arjen Robben, doch für das Zählen der Torchancen hätte auch in diesem Abschnitt eine Hand ausgereicht.

Wäre die Schlussphase nicht überaus dramatisch gewesen - Ribéry schoss knapp vorbei, Robben vergab einen Elfmeter und eine Riesenchance, beide Vereine trafen die Latte -, hätte Kehl nicht einschränken müssen: "Ich glaube, dass der neutrale Zuschauer zugeben wird, dass wir diese Partie verdient gewonnen haben." Er hätte sagen können, dass selbst Fans des FC Bayern anerkennen müssten, dass da die bessere Mannschaft gewonnen hat.

"Sportlich haben wir zuletzt gezeigt, dass wir mithalten können", sagte Kehl. Dazu werten die Dortmunder den Zugang von Marco Reus zur kommenden Saison als Zeichen, auch in anderen Bereichen aufgeholt zu haben. "Dennoch sind wir noch Jahre entfernt", gab Kehl an. Die Dortmunder haben Respekt vor dem FC Bayern, aber keine Angst mehr.

Die Münchner vermieden es nach der Niederlage, von einer Entscheidung in der Liga zu sprechen. "Die Chancen in der Meisterschaft liegen jetzt bei Dortmund, für uns wird es jetzt sehr schwierig mit dem Titel", sagte etwa Jupp Heynckes. Sportdirektor Christian Nerlinger gratulierte zum Sieg, nicht aber zur Meisterschaft. Die Spieler wählten ähnliche Worte, der Tenor war: Wir haben verloren, aber wir geben noch nicht auf. Die Aussagen wirkten nicht zuversichtlich oder trotzig - sondern so, als hätte ihnen jemand geraten, genau das zu sagen.

Jürgen Klopp übrigens stand nach dem Abpfiff auch lange herum. Das war in der Interviewzone, als er darauf wartete, Jupp Heynckes zur Pressekonferenz zu begleiten. Klopp stand einfach nur da und starrte auf einen Bildschirm. Dort wurde die Tabelle der Bundesliga gezeigt. Eine Minute lang stand Klopp da, sah auf den Bildschirm und lächelte. An dieses Bild könnten sich die Münchner gewöhnen müssen.

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