BVB gegen Wolfsburg:"Das sind schreckliche Bilder"

SOCCER-GERMANY/DOR-BAN

Die leere Südtribüne beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg.

(Foto: REUTERS)
  • Wegen der Sperrung der Südtribüne dürfen 56.906 Fans das 3:0 von Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg verfolgen.
  • BVB-Boss Hans-Joachim Watzke klagt vor dem Spiel, Spieler und Fans nehmen die Situation aber pragmatisch.
  • Trainer Thomas Tuchel sagt später: "Die Stimmung war richtig gut."

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Die Südtribüne des Signal-Iduna-Parks war am Samstag vermutlich einer der meistfotografierten Orte Deutschlands. Dabei passierte dort überhaupt nichts. Genau deshalb war es ja etwas so Besonderes.

Wenn Borussia Dortmund ein Heimspiel hat, dann stehen auf dieser Tribüne normalerweise knapp 25.000 Menschen. Am Samstag stand auf den vielen grauen Stufen niemand, kein einziger Mensch, weil sich beim Heimspiel gegen Leipzig zwei Wochen zuvor viele BVB-Fans mit diffamierenden Bannern gegen das Leipziger Fußballprojekt gewendet hatten und weil es vor dem Stadion überdies zu Gewaltattacken gegen Leipziger Anhänger gekommen war. Zur Strafe musste "die Süd", wie Eingefleischte in Dortmund sagen, diesmal leer bleiben. Die Zugänge waren mit Baugittern zugesperrt, zudem bewachten Ordner das Areal wie einen Sicherheitstrakt. Weil aber trotzdem noch knapp 57.000 Zuschauer im größten Stadion Europas weilten, war die Partie weit davon entfernt, wie ein Geisterspiel zu wirken. "Die anwesenden Zuschauer haben es gut ausgeglichen", lobte BVB-Abwehrspieler Marcel Schmelzer.

81.360 minus 24.454 macht 56.906. Das sind die exakten Zahlen, die die Verhältnisse am Samstag im Dortmunder Stadion darlegten. Normalerweise versammeln sich in der Arena im Süden Dortmunds noch sehr viel mehr Menschen auf so wenig Raum, allein die Südtribüne bietet 24.454 Zuschauern Platz. So viele passen anderswo in ein ganzes Stadion. "Es war ein komisches Gefühl", sagte Schmelzer, "weil wir in der ersten Halbzeit auch noch auf die leere Südtribüne gespielt haben", ergänzte Lukasz Piszczek.

Die BVB-Anhänger übernehmen die Blöcke 60 und 61 im Norden

In den Blöcken 60 und 61 auf der gegenüber liegenden Nordtribüne, in denen normalerweise die Gästefans stehen, war diesmal alles gelb. Die Dortmunder Anhänger hatten den Gästeblock übernommen, die Fahnen der drei Ultras-Gruppen 'Desperados', 'Jubos' und 'Unity' waren gut zu erkennen. Selbst wenn wenige Gästefans mitreisen, sind die Blöcke 60 und 61 sonst nie komplett in Dortmunder Hand. Diesmal waren dort nur BVB-Fans, auch Ultras, das war auffällig. Die nicht einmal 2000 Wolfsburger Fans standen allesamt im Nord-Ost-Block, im ersten Stock, nahe der Eckfahne. Die Wolfsburger Fußballer waren ein bisschen verwirrt, als sie vor dem Spiel zum Aufwärmen auf den Rasen kamen und dabei bereits in Richtung ihrer Fanblocks klatschten, um dann verwundert festzustellen, dass dort alles gelb war. Die Wolfburger Fans waren in ihrem Eck-Block schwerer auszumachen.

Viele Fans der verwaisten "Süd" hatten sich auf die Kneipen in der Stadt verteilt, einige hatten sich auch Sitzplatztickets auf der Haupt- und Nebentribüne gesichert. Dass der Verein drastisch bestraft wurde, lag nicht nur an den Vorkommnissen beim Leipzigspiel, sondern auch daran, dass gegen Bewährungsauflagen verstoßen wurde. Die BVB-Fans waren also ohnehin angezählt gewesen.

"Die Stimmung war richtig gut", lobt BVB-Trainer Thomas Tuchel

"Wir sollten der ganzen Welt heute unsere BVB-Familie zeigen", rief Stadionsprecher Norbert Dickel vor dem Anpfiff voller Pathos in sein Mikrofon und ermunterte das Publikum, die Ausfälle auf der Südtribüne akustisch zu kompensieren. Die Blöcke 60 und 61 auf der Nord waren gewissermaßen eine Mini-Süd. Von dort kamen während des Spiels nahezu alle Gesänge.

Nach dem Spiel absolvierten die BVB-Spieler gleich eine Ehrenrunde, weil sie an ihrem angestammten Ort vor der Südtribüne nichts zu tanzen hatten. "Es hat schon was gefehlt", sagte Piszczek, aber alle trösteten sich damit, dass es vermutlich eine einmalige Konstellation bleibt. Rund ums Stadion hat es am Samstag bis zum frühen Abend keinerlei Probleme gegeben, keine Proteste, keine Ausschreitungen. Der 3:0-Sieg durch ein Eigentor von Wolfsburgs Jeffrey Bruma (20.) und den Toren von Lukasz Piszczek (48.) und Ousmane Dembélé (59.) wirkte auch in dieser Hinsicht wie ein Balsam. "Die Stimmung war richtig gut", lobte BVB-Trainer Thomas Tuchel.

Dramatisch äußerte sich bloß der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. "Das sind schreckliche Bilder", wehklagte er vor dem Spiel beim TV-Sender Sky, "das ist eine tiefe Zäsur, der BVB ohne Südtribüne ist wie Fußball ohne Ball." Und ohne Ball wirkte der BVB ziemlich souverän.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: