BVB:"Das war das schlechteste Spiel, seit ich Trainer beim BVB bin"

BVB: Daniel Opare (links) im Zweikampf mit Christian Pulisic.

Daniel Opare (links) im Zweikampf mit Christian Pulisic.

(Foto: AFP)
  • Borussia Dortmund schlägt den FC Augsburg mit 2:1. Yarmolenko trifft mit der Hacke, Kagawa per Lupfer.
  • Aber vor allem in der zweiten Halbzeit stellt der BVB das Fußballspielen fast komplett ein und kommt irgendwie über die Runden.
  • Trainer Peter Bosz kritisiert seine Mannschaft. Er will, dass das nicht zur Gewohnheit wird.

Von Maik Rosner, Augsburg

Ganz am Ende erlaubte sich Peter Bosz einen kleinen Scherz, dabei war ihm eigentlich nur bedingt zum Spaßen zumute. Jemand hatte den Dortmunder Trainer auf jene Noten von eins bis zehn angesprochen, mit denen er seine Spieler stets bewertet - verbunden mit der Frage, wie sein Urteil denn diesmal ausfalle. Bosz setzte also das Gesicht eines ziemlich umfangreich enttäuschten Pädagogen auf und nahm einen Statistikzettel in die Hand. "Okay, dann fangen wir an", hob er an, legte eine Pause ein und sagte: "Nein, das ist für mich." Bosz lächelte in einer Mischung aus Schalk und Strenge.

Doch auch ohne öffentliche Verlesung war zuvor sehr deutlich geworden, dass sich seine Belegschaft nach dem mühseligen 2:1 (2:1)-Sieg beim FC Augsburg auf einen Abfall des Notenschnitts einstellen muss. "Das war das schlechteste Spiel, seit ich Trainer beim BVB bin", hatte der Niederländer bilanziert. "Sehr glücklich" sei er dennoch. Allerdings nur über das Ergebnis, das der Borussia den Verbleib auf dem ersten Platz der Bundesliga während der Länderspielpause garantiert, unabhängig vom Ausgang des Spiels der Bayern am Sonntag bei Hertha BSC.

Die Art und Weise, wie der letzte Beitrag zur beachtlichen Zwischenbilanz von sechs Siegen und einem Unentschieden sowie 21:2-Toren zustande gekommen war, möchte Bosz allerdings nicht allzu oft erleben. "Unsere Stärke ist das Fußballspielen und nach vorne gehen. Das haben wir heute nicht gemacht", sagte er. Arbeitssiege wie dieser widerstreben ihm und seiner Lehre des schönen Offensivstils. Derartige Auftritte dennoch für sich zu entscheiden, wird zwar gemeinhin als Nachweis einer Titelreife betrachtet. Doch Bosz hält offenbar wenig davon, die Mühsal zur Cleverness zu verklären. "Ich hoffe nicht, dass das eine Qualität von uns wird", sagte er. Immerhin, das tröstete auch ihn über den vor allem in der zweiten Halbzeit spielerisch dürftigen Auftritt hinweg: "Ich glaube, jede Mannschaft hat zwei solche Spiele in der Saison - und die gewinnt man meistens nicht."

Dortmunds Auftritt war der Gegenentwurf zum bisherigen Stil

Den Dortmundern war - vier Tage nach dem 1:3 in der Champions League gegen Real Madrid - der Sieg durch die Tore von Andrej Jarmolenko (4.) und Shinji Kagawa (23.) auch deshalb gelungen, weil die Augsburger trotz einiger guter Chancen nur Caiubys zwischenzeitlichen Ausgleich erwirtschaftet hatten (11.). Vor allem in der zweiten Halbzeit war der FCA einem Remis nahe gekommen. Auch deshalb, weil Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang das mögliche 3:1 schon in der ersten Halbzeit äußerst lax vergeben hatte - und in der Schlussviertelstunde auch noch einen Foulelfmeter in die Arme von Torwart Marwin Hitz lupfte.

Bosz legte dennoch umgehend fest, dass Aubameyang erster Schütze bleibe, obwohl dessen Erfolgsquote schon in der Vorsaison bei nur 50 Prozent gelegen hatte. Und nun hofft Bosz, dass sein Stürmer - wie die gesamte Mannschaft - tatsächlich nur zwei unterdurchschnittliche Auftritte für diese Spielzeit vorgesehen hat.

In Augsburg war Dortmunds Auftritt phasenweise zu einem Gegenentwurf zum bisherigen Stil geraten. Vor allem in der zweiten Halbzeit, als Augsburg das Geschehen bestimmte und sich die müden Künstler des BVB "an den Punkten festgekrallt" hatten, wie es Sportdirektor Michael Zorc anerkennend formulierte. In der ersten Halbzeit war noch zweifelsfrei erkennbar gewesen, dass es sich um die Borussia von Bosz handelt. Kleinkunstwerke wie Jarmolenkos Hackentor und vor allem Kagawas formschöner Lupfer von der Strafraumgrenze über Hitz hinweg zum 2:1 ließen sich bestaunen. Auch in weiteren Szenen lieferten die Dortmunder Nachweise, dass sie das Fußballspiel als konstruktives Schaffen begreifen. Demgegenüber standen allerdings wieder Lücken und Abstimmungsprobleme in der Defensive, die in der Bundesliga bisher zwar folgenlos blieben, in der Champions League aber die beiden 1:3-Niederlagen gegen Tottenham Hotspur und Real Madrid mindestens begünstigt hatten.

Dortmunds Glück: Caiuby ist nicht Kane

Diesmal wirkte es teilweise beinahe so, als wolle der BVB aus Freude am Offensivfußball jeglichem destruktiven Charakter des Spiels entsagen. Wie bei Caiubys Ausgleich, als Philipp Max an seinem 24. Geburtstag vor seiner Flanke von der linken Seite ungefähr so unbehelligt blieb wie beim Anschneiden der Geburtstagstorte. Weil der BVB offenbar gerade in Geberlaune war, wurden auch Caiuby beim Kopfball zum 1:1 erstaunliche Freiheiten gewährt. Und vermutlich hätten Spieler wie Reals Cristiano Ronaldo oder Tottenhams Harry Kane auch noch etwas gemacht aus jenen Chancen, die besonders Caiuby in der zweiten Halbzeit vergab.

In der Vorsaison, erinnerte Sokratis hinterher ziemlich vergnügt, habe man derartige Spiele nicht gewonnen. Ob es denn stimme, dass Meister werden könne, wem das gelinge, wurde der Grieche gefragt. "Natürlich", antwortete er. Sein Trainer mit dem Faible für den konstruktiven Fußball dürfte ihm die Wertschätzung für Arbeitssiege nachsehen. Sokratis ist Innenverteidiger.

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