BVB beim FC Bayern:Erst Glück, dann Glauben, dann Können

  • Borussia Dortmund mischt im Pokal-Halbfinale gegen den FC Bayern viele Qualitäten ideal.
  • Nach dem Anschlag auf die Mannschaft zeigen die Spieler von Trainer Thomas Tuchel einen gestärkten Zusammenhalt.
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Von Martin Schneider

Im nasskalten Münchner April-Schneeregen stand Marco Reus und sprach vom Glauben. Die Wassertropfen liefen an seinem Gesicht herunter, seine Haarsträhnen hingen ihm in der Stirn, als ihn der Reporter fragte, ob die Mannschaft denn wirklich noch dran geglaubt habe. Bayern hatte doch die besseren Chancen, das 3:1 lag doch in der Luft. "Jaaaaa, du musst dran glauben", sagte Reus und grinste. "Ich denke, irgendwann hat keiner mehr mit uns gerechnet, außer wir selber."

Das Wort, das Marco Reus nicht verwendete, war "Glück", was insofern außergewöhnlich war, weil jeder andere Dortmunder nach diesem 3:2 gegen die Bayern und dem Einzug ins DFB-Pokalfinale davon sprach. Julian Weigl zum Beispiel ("Um hier in München zu gewinnen, braucht man das Quäntchen Glück"), Marcel Schmelzer ("Wir hatten das Glück auf unserer Seite"), Trainer Thomas Tuchel ("Es war klar, dass wir Spielglück brauchten") und auch Sportdirektor Michael Zorc ("Ich glaube, wenn es eine Mannschaft verdient hat, nach den letzten Wochen auch mal Glück zu haben, dann ist es Borussia Dortmund").

Bayern vergibt drei Riesenchancen

Auch Sven Bender sagte "Natürlich hatten wir in einigen Situationen Glück", und meinte mit "Situationen" vor allem seine famose Rettungstat gegen Arjen Robben, als er dessen Schuss noch irgendwie mit der Fußspitze an den Pfosten lenkte. Bender sagte aber auch. "Mentalität gehört im Sport immer dazu. Aber auch Qualität. Wir haben das optimal kombiniert."

Mit diesem Dreisatz kann man den Dortmunder Sieg gegen die Bayern dann tatsächlich am besten beschreiben: Erst Glück, dann Glauben, dann Können.

Glück war notwendig, weil die Borussia nach einem starken Beginn und der Führung durch Marco Reus nach einem Pfostentreffer von Raphael Guerreiro zu stark nachließ. Bayern dominierte das Spiel, schoss zwei Tore und hatte durch Javi Martínez (Kopfball an den Pfosten), Robert Lewandowski kurz vor der Pause (lief allein auf Roman Bürki zu) und eben Arjen Robben drei Riesenchancen zum 3:1. "Wenn das Tor fällt, ist es beinahe unmöglich zurückzukommen. Dann sitzen wir hier als verdiente Verlierer", sagte Tuchel auf der Pressekonferenz.

Es kam dann viel zusammen. Beim FC Bayern musste mit Mats Hummels der beste Mann raus, weil er nach seiner Verletzung nicht mehr konnte. Mit dem Wechsel von Erik Durm für Gonzalo Castro veränderte Tuchel die Statik des Spiels und gab seiner Mannschaft Sicherheit und die Münchner verzweifelten, weil der Ball nicht reinwollte.

Der Teamgeist in Dortmund wächst

Das alles verlieh Dortmund die Zuversicht, um die beiden Konter dann genau so perfekt zu Ende zu spielen. Auch wenn der BVB vorher vielleicht Dusel hatte: Die beiden Tore hatten nichts mit Glück zu tun, sie waren technisch auf höchstem Niveau rausgespielt. Saubere Pässe von Durm auf Ousmane Dembélé und von Dembélé auf Pierre-Emerick Aubameyang beim 2:2 und ein Millimeter-Schuss von Dembélé in den Winkel nach geschmeidiger Finte gegen David Alaba beim 3:2. Anschließend verteidigte Borussia Dortmund das Ergebnis bissig nach Hause. Erst kurz vor Schluss hatte Robben nochmal eine Chance, aber Roman Bürki hielt grandios.

Neben Glück und Glaube war da noch eine Sache, worüber die Dortmunder sprechen wollten: Teamgeist. Julian Weigl meinte: "Ich denke, dass man sieht, dass wir durch die ganze Geschichte auch zusammengewachsen sind." Die "ganze Geschichte" ist natürlich der Anschlag auf den BVB-Bus, bei dem mehrere Spieler hätten sterben können. "Wir konnten nur mit uns darüber sprechen, weil wir die einzigen waren, die im Bus saßen." Man habe das zusammen erlebt, verarbeitet, und jetzt wo die notwendige Zeit vergangen ist, sei ein ganz anderer Spirit in der Mannschaft.

"Wir haben uns nach dem Ereignis auf eine Art und Weise kennengelernt, die wahnsinnig werthaltig war. So etwas schafft Vertrauen zwischen den Spielern", sagte Tuchel. Die Gespräche innerhalb der Mannschaft, die mögliche Aufklärung der Tat und der Sieg in Gladbach am vergangenen Samstag - diese Kombination habe Energien freigesetzt. Und für das Selbstvertrauen seiner jungen Mannschaft sei so ein Sieg in München nach Rückstand natürlich unersetzbar.

Nun fährt Borussia Dortmund zum vierten Mal in Serie nach Berlin und wird gegen Eintracht Frankfurt die Tatsache verdrängen, dass das Team die letzten drei Finals verloren hat. "Wir wollen nach Berlin, um den Pokal zu gewinnen", sagte Tuchel. Das sei ein entscheidender Unterschied zum vergangenen Jahr, da habe man immer gesagt "Wir wollen nach Berlin", diesmal wolle man nicht nur nach Berlin. Sondern auch gewinnen.

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