BVB auf Rang 15:Mitten im Albtraum

Borussia Dortmund - Hannover 96

Jürgen Klopp: Keine Freude in der Bundesliga

(Foto: dpa)

Die Lage bei Borussia Dortmund ist bedenklich, auch weil niemand die Ursache für die Krise findet. Jürgen Klopp zeigt eine gewisse Ratlosigkeit - doch er kann sie sich erlauben.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Fragen türmen sich in Dortmund allmählich zu einem Stapel, Antworten gibt es dagegen kaum. Wie kann es sein, dass eine Mannschaft, die in der Champions League die Gegner in Grund und Boden spielt, in der Bundesliga zugleich in Serie verliert? Wie kommt es, dass selbst eine biedere, ersatzgeschwächte Elf wie die aus Hannover den überlegenen BVB 1:0 besiegt? Wie ist es möglich, dass eine überragend besetzte Dortmunder Elf schon sechs von neun Bundesliga-Spielen verloren hat, mehr als jeder Konkurrent?

Gäbe es Antworten, man würde sie in Dortmund wohl liebend gerne zum Fenster hinaus brüllen. Am vorigen Mittwoch noch Galatasaray Istanbul mit einem Highlight-Spiel 4:0 niedergemacht - und dann dieses Spiel gegen Hannover: Hundert Chancen, kein Treffer, und dann ein Freistoßtor kassiert. Wer soll das erklären?

Aber das ist das Tückische an psychologischen Abwärts-Spiralen wie jener, in der der BVB seit Wochen steckt: Sie lassen sich logisch kaum erklären. Man kann nur in ihnen herumirren und irgendwie versuchen, aus dem Albtraum aufzuwachen.

Je begabter eine Mannschaft ist, desto schwieriger scheint es zu sein, berechtigten Anspruch und absurde Wirklichkeit wieder zusammenzubringen. "Solche Spiele", fand Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, "können dazu führen, dass man sagt: Das macht alles keinen Sinn mehr." Um zu ergänzen: "Aber das werden wir nicht tun." Das Samstags-Spiel gegen Hannover 96, das zuletzt selbst dreimal nacheinander verloren hatte, es war von BVB-Sportchef Michael Zorc vorher als "megawichtig" eingestuft worden.

Einstweilen bleibt weiterhin nur die Erkenntnis: Dortmund tut sich gegen tief gestaffelte Gegner schwer. Fast alle Bundesliga-Gegner, abgesehen von den vier, fünf Spitzenklubs, verrammeln sich gegen Dortmund, genau wie sie das gegen den FC Bayern tun. Gegen Hannover aber gab es dennoch genügend Chancen, um in Führung zu gehen.

Dortmunds Nonchalance ist verschwunden

Allein Marco Reus, ansonsten bester Borusse, vergab drei sehr gute; einmal parierte Ron-Robert Zieler einen vermeintlich perfekt platzierten Kopfball von Mats Hummels. Hannover genügte ein einziger Freistoß durch den bis dahin unauffälligen Hiroshi Kiyotake - und schon war es aus mit dem vermeintlich frischen Selbstvertrauen aus dem jüngsten Champions-League-Triumph.

Gleich nach dem Spiel bekrittelte Mats Hummels im frischen Frust, dass der Freistoß-Ball "lange in der Luft" gewesen sei, mit anderen Worten: Torwart Weidenfeller hätte ihn halten können. Am Sonntag, nach einer Nacht voll Schlaf, nahm Hummels den Vorwurf lieber wieder zurück.

In besseren Zeiten, nicht nur in der Champions League, hätte Dortmunds Mentalität so ausgesehen: Wenn der Gegner ein Tor macht, dann machen wir eben eines mehr. Aber diese selbstverständliche Nonchalance ist Klopps Truppe auf merkwürdige Weise abhanden gekommen.

Der Ursprung der Negativ-Spirale lag noch in den Spieltagen, als es beim BVB scheinbar mehr verletzte als gesunde Spieler gab; da gab es noch einfache Erklärungsmuster für so manchen Misserfolg. Inzwischen aber sind die meisten wieder an Bord und halbwegs einsatzfähig.

Lewandowskis Weggang ist keine Erklärung

Und auf einmal merkt die Elf, dass sie sich kein einziges Gegentor mehr erlauben kann, weil es vorne unendlich schwer zu sein scheint, selbst gegen schwache Gegner zu treffen. "Wir drehen an allen Schrauben", sagt Klopp, der im Gegensatz zu anderen Trainern in ähnlichen Situationen den unschätzbaren Vorteil hat, auf die Nibelungen-Treue des Managements, des Anhangs und offenbar auch seiner Spieler bauen zu können.

Ob der Trainer sich und seiner um Stabilität ringenden Elf aber einen Gefallen getan hat, die Aufstellung im Vergleich zum Mittwoch erneut auf einigen Positionen zu ändern? Ob Ciro Immobile nicht die bessere Wahl als Strafraumstürmer gewesen wäre als Adrian Ramos? Ob Ilkay Gündogan wirklich schon in der Form ist, dass er eine Hilfe ist? Solche Fragen blitzen jetzt immer mal auf - aber sie verblassen auch bald wieder, weil derartige Nuancen nicht wirklich als Schlüssel zu taugen scheinen.

All das scheint keinen wirklichen Einfluss zu haben auf jene Sekunden-Bruchteile, in denen sich selbst Spieler wie Reus oder Henrikh Mkhitaryan fürs falsche Abspiel entscheiden, für oder gegen ein Eins-gegen-eins-Dribbling. Auch der Weggang von Stürmer Robert Lewandowski ist als Erklärung nicht ausreichend, denn in den bisherigen Pflichtspielen hat allein der starke Pierre-Emerick Aubameyang neun Tore erzielt, zusammen mit Immobile und Ramos sind es schon 19. Allerdings treffen sie nicht unbedingt in den Spielen, in denen Tore eine echte Befreiung wären.

Mit Ballast zu St. Pauli

"Wir haben heute schon besser gespielt als bei den letzten Malen", befand Jürgen Klopp, der es sich in Dortmund leisten kann, über die Gesamt-Situation eine gewisse Ratlosigkeit einzugestehen. "Dass die Dinge so laufen, wie sie laufen, liegt an unserer langen Negativserie", sagt er. Und Mittelfeldspieler Sven Bender widmete der Lage später die Standard-Formel des modernen Profis: "Wir gucken nicht nach oben, das hat zurzeit keinen Sinn, wir gucken nur aufs nächste Spiel." Aktuell sind die Champions-League-Plätze schon in bedenkliche Entfernung gerückt.

Am Dienstagabend müssen die Dortmunder nun mit all ihrem Ballast auf den hängenden Schultern beim Zweitligisten FC St. Pauli zum Pokalspiel antreten. Danach geht es in der Bundesliga endlich gegen zwei Gegner, die sich selbst auf Champions-League-Niveau bewegen und sich keine Defensiv-Orgien leisten werden. Zuerst gegen Bayern München, dann gegen Mönchengladbach.

Gegen Hannover hatten die Dortmunder offiziell einen Extra-Antrag bei der DFL gestellt, um ausnahmsweise in den Champions-League-Trikots spielen zu dürfen. Es hat am Ende auch nicht geholfen, aber vielleicht hilft jetzt der Name Bayern München. Der Name hört sich so schön nach Champions League an.

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