Bundesliga:Warum Augsburg wieder vom Europapokal singt

TOR Michael Gregoritsch FC Augsburg 11 feiert seinen Treffer zum 0 1 mit Martin Hinteregger FC

"Hier weiß jeder, was zu tun ist": Augsburger Jubel beim 1:3 in Mainz.

(Foto: imago/Eibner)
  • Der FC Augsburg entwickelt sich mit dem sechsten Saisonsieg vom vermeintlichen Abstiegskandidaten zum heimlichen Europapokal-Anwärter.
  • Der Erfolg ist kein Zufall: Augsburg beschäftigt eines der gefährlichsten Angriffs-Duos der Liga.
  • Außenverteidiger Philipp Max hat sieben Tore vorbereitet - und ist laut Manager Stefan Reuter bald ein Kandidat für Joachim Löw.

Von Frank Hellmann

Die Frage entlockte Philipp Max nur ein müdes Lächeln. Wohin er nächsten Sommer verreise: Ballermann oder Russland? Der in eine Winterjacke eingepackte Linksverteidiger des FC Augsburg war im Nachgang des Sieges beim FSV Mainz 05 (3:1) so klug, diesbezüglich keine voreiligen Festlegungen zu treffen. Ein Urlaub mit den Kumpels auf Mallorca sei nicht geplant, beschied der 24-Jährige, und was die Nationalmannschaft und die WM 2018 angehe, könne er nur Altbekanntes wiederholen. Erst komme der Verein, dann vielleicht in ferner, ferner Zukunft die DFB-Auswahl: "Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen."

Den Kopf hat der aufgeweckte Sohn des ehemaligen Bundesliga-Torjägers Martin Max noch mal weiter rausgestreckt. Wer nach 14 Spieltagen sieben Torvorbereitungen von einer Problemposition des deutschen Fußballs auf dem Konto vorzuweisen hat, über den muss zwangsläufig gesprochen werden, zumal dessen Vorgesetzte das Thema so offensiv behandeln, wie der Spieler seine Rolle ausfüllt. "Er ist einer der besten Außenverteidiger in der Liga. Das zeigt er Woche für Woche", bekundete Augsburgs Trainer Manuel Baum. Manager Stefan Reuter beteuerte: "Früher oder später wird er dazu kommen." Die Beförderung in den weltmeisterlichen Dunstkreis wäre der letzte leuchtende Beleg für die Leistungsstärke des Augsburger Ausbildungsbetriebs. Grau sind beim FCA im Dezember 2017 nämlich nur noch die Trikots.

"Wir wissen ganz genau, wie jeder Gegner zu bespielen ist", erklärt Michael Gregoritsch

"Das waren keine glücklichen, sondern verdiente Punkte", sagte Torwart Marwin Hitz mit breiter Brust: "Wir stehen zu Recht so weit oben." Weil sich bei den bayerischen Schwaben der ausgeheckte Plan detailgetreu auf dem Platz wiederfindet. Und so gibt es für die Metamorphose vom vermeintlichen Abstiegskandidaten zum heimlichen Europapokalanwärter eine Reihe schlüssiger Erklärungen. Eine führt zu einem der torgefährlichsten Tandems der Liga: Alfred Finnbogason und Michael Gregoritsch haben nun schon so viele Treffer auf dem Konto wie ganz Mainz zusammen.

Der isländische Torjäger traf diesmal nicht nur zweimal (43./Foulelfmeter und 86.), sondern legte auch noch 36 Sprints hin - so viel wie kein anderer Akteur. Hinter ihm brillierte der österreichische Nationalspieler, der als Freigeist das 1:0 besorgte (22.) und den Strafstoß zum 2:0 herausholte. "Es macht Spaß, wenn man sich zu zweit im Sturm so gut versteht", erklärte Gregoritsch, der im vergangenen Sommer erst den Hamburger SV verlassen musste, um in einem ruhigeren Ambiente den nächsten Entwicklungsschritt zu machen. "Hier weiß jeder, was zu tun ist, und wir wissen ganz genau, wie jeder Gegner zu bespielen ist", artikulierte der gebürtige Grazer, der nach eigener Aussage durch die Vollbelastung auch "fitter" geworden sei. Ihm imponiere in neuer Umgebung zuvorderst, "dass wir ohne Ausreißer nach unten durch die Saison kommen". Augsburg war nur beim FC Bayern (0:3) chancenlos.

Gerade an Gregoritsch stachen neben Effektivität und Torinstinkt (zehn Scorerpunkte) auch Einsatzwillen und Aufopferungsbereitschaft heraus. Denn als sein Team den Tätigkeitsbereich nach der Pause vorwiegend in die eigene Hälfte verlagerte, tauchte der 1,93-Meter-Schlaks nicht unter, sondern ging als Leuchtturm voran, indem er Bälle herausköpfelte, Laufwege verstellte oder Grätschen ansetzte. Wenn ein Techniker solche Frondienste als Selbstverständlichkeit begreift, freut das einen Fußballlehrer. "Es macht ihm richtig Spaß: Er hat erkannt, dass das eine das andere nicht ausschließt", lobte Baum.

Störend am Mainzer Europakreisel war eigentlich nur, dass der Gästeblock eine Pyro-Show inszenierte, die der Stadionsprecher mit passenden Worten brandmarkte: "Macht doch den Scheiß aus! Nicht mal in der B-Klasse zündet man Bengalos!" Nachdem sich die stinkenden Rauchschwaden verzogen hatten, fiel dem FCA-Anhang zum Glück noch etwas Besseres ein: Sie trällerten Lieder vom Europapokal, den ihr Klub bereits vor drei Jahren als Underdog erreicht hatte. Solchen Szenarien verweigert sich allerdings die sportliche Leitung (noch) beharrlich. Baum könnte nach eigener Aussage genügend "abschreckende Beispiele" von Vereinen aufzählen, die für Träumereien später bestraft worden seien: "Deshalb geht für uns gleich am nächsten Tag die Arbeit weiter." Reuter fand die ergatterten Punkte deshalb so wichtig, "weil jetzt auch Werder Bremen gewonnen hat". Sollte heißen: Auch für diese internationale Ambitionen gibt es vom FC Augsburg nur ein müdes Lächeln.

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