Bundesliga: VfB Stuttgart:Des brauchet mir net

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Erst Gross, dann Keller, jetzt Labbadia: Dass der VfB Stuttgart so häufig die Trainer wechselt, liegt auch an einer seltsamen Haltung des Aufsichtsrates zum Thema Transfers.

Christof Kneer

Im Winter 2004 hatte der Trainer des VfB Stuttgart eine gute Idee. Also ging Matthias Sammer ins Büro von Erwin Staudt und sagte: Herr Staudt, ich finde, dieser Verein braucht einen Sportdirektor. Er hat dem Präsidenten dann erklärt, was ein Sportdirektor so macht, und zur Illustrierung seines kleinen Referates nutzte er diesen Brasilianer, der morgens plötzlich auf dem Trainingsplatz aufgetaucht war. Er heiße Elson, hatte dieser Brasilianer zu Sammer gesagt, und er komme jetzt öfter. Er habe einen Vertrag beim VfB.

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Es stellte sich dann heraus, dass es sich um einen Wiedergutmachungstransfer handelte. Kurz zuvor war dem VfB der berühmte Didi-Transfer unterlaufen; dieser Wunderstürmer war leider ohne Kreuzbänder geliefert worden -, als der VfB die Sendung reklamierte, konnte der brasilianische Klub nicht zahlen. Also kam Elson, dem der VfB gleich einen Viereinhalb-Jahres-Vertrag aufdrängte. Mit einem Sportdirektor, argumentierte Sammer, wären dem Klub weder Didi noch Elson passiert.

Als Jens Keller nun nach nur 59 Tagen als Chefcoach sein letztes Spiel vor der Entlassung verantwortete, stand Elson nach diversen erfolglosen Leihgeschäften wieder mal auf dem Platz - als Mahnmal für all das, was schief läuft in diesem Verein. Sammer hat damals vom Präsidenten Staudt übrigens die Antwort erhalten, dass "die Gremien" einem Sportdirektor skeptisch gegenüber stünden. "Skeptische Gremien" ist beim VfB ein Synonym für "Aufsichtsrat". Der vom dominanten Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt geführte Ausschuss prägt die Betriebsphilosophie dieses Klubs, die in einem schwäbischen "Des brauchet mir net" wurzelt.

Wer das Scheitern der Trainer Veh, Babbel, Gross und Keller analysiert, landet am Ende bei einem nicht sehr konstruktiven Transferklima in diesem Klub. Zwar wurde in Horst Heldt später doch ein Sportdirektor bewilligt, aber der ehemalige Spieler ist das Gefühl nie losgeworden, dass die "skeptischen Gremien" seinen Job für überflüssig hielten. Er hat immer gegen das eigene Haus antransferiert, er hat jeden Fehlpass seiner Neueinkäufe sofort als hausinterne Niederlage begriffen.

In diesem Klima ließ sich kein Trainer und keine Strategie durchhalten, und so kam es zur skurrilen Situation, dass der Klub seine hochmodern ausgebildeten Talente in einen monarchistisch angehauchten Profibereich entließ. Und dass die sparsamen Des-brauchet-mir-net-Schwaben einen Trainer (Gross) stattlich abfinden mussten und immer noch zwei (Labbadia, Keller) auf der Gehaltsliste haben.

© SZ vom 13.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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