Bundesliga:Unvermittelte Wendung schockt Werder

Werder Bremen - FSV Mainz 05

Völlig bedient: Bremens Robert Bauer nach Spielende.

(Foto: dpa)

Auch unter Interimscoach Alexander Nouri verliert Werder Bremen - diesmal auf tragische Weise gegen Mainz. Wie es auf der Trainerbank weitergeht, ist ungewiss.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Er wolle "die Herzen der Spieler erreichen", hatte Alexander Nouri, seit Montagmorgen neuer, zumindest vorübergehender Chefrainer des SV Werder, als Ziel ausgegeben. Das klingt erstmal schön und sagt nichts, und nach dem frustrierenden 1:2 der Bremer gegen den FSV Mainz 05 kann man höchstens eine Ahnung haben, was er meinte. Die Bremer, in allen vier Pflichtspielen zuvor gedemütigt vom jeweiligen Gegner, waren mit Willen zur Ordnung und Mut zum Angriff, mit hoher Laufbereitschaft und auch einer Prise Kampfgeist nah dran, ihre Negativserie zu stoppen. Dass sie sich fortsetzte, würde Nouris Vorgänger Viktor Skripnik vermutlich so kommentieren: So ist Fußball.

Das erste Spiel nach einem Trainerwechsel ist auch im hochprofessionellen Alltag einer Bundesliga-Mannschaft immer wieder ein besonderes Erlebnis. Es mischen sich unterschiedliche Gefühle, Schuld und Sühne einerseits, weil die Entlassung des Chefs auf der Bank letztlich immer das Resultat der Leistungen auf dem Platz ist; andererseits aber auch die Befreiung von den Fesseln einer aufzehrenden Debatte, die sich Woche für Woche wiederholt: Geht es mit dem noch? Erreicht er die Mannschaft nicht mehr?

Mannehs Weg ins Werder-Trikot ist eine Geschichte für sich

In Bremen haben sie diese ersten Spiele nach Trainerwechseln nicht allzu oft, Alexander Nouri, 37, der Anfang der Woche den glücklosen Viktor Skripnik, 46, abgelöst hatte, ist erst Werders zehnter Trainer in den letzten 35 Jahren - andere Klubs schaffen das in 35 Monaten. Das leicht übermütige Publikum in der Ostkurve zündete zu Ehren des neuen Übungsleiters ein stinkendes, qualmendes Bengalo-Feuerwerk, und der von der zweiten Mannschaft der Bremer zumindest vorübergehend in die Chefetage beförderte Nouri schenkte der Bundesliga zum Einstand gleich mal einen neuen Spieler. Aus der U 23 brachte er den gambischen Stürmer Ousman Manneh, 19, mit.

Pablo de Blasis trifft in der Nachspielzeit

Dessen Weg ins grüne Trikot mit der Nummer 47 ist eine Geschichte für sich, vor zwei Jahren erst war der schlaksige Angreifer aus seinem Heimatland geflohen, kam im Bremer Norden in einem Flüchtlingsheim unter, kickte in der A-Jugend des Blumenthaler SV und wechselte schließlich ins Gewächshaus des örtlichen Bundesligisten, wo er von Nouri gepflegt wurde. Im vergangenen Sommer schoss er in einem Testspiel gleich mal vier Tore auf tiefem Boden für die erste Mannschaft, doch in den Bundesligakader führte ihn das noch nicht. Jetzt, wo Skripnik weg ist, ist Manneh da und beschäftigte die Mainzer Abwehr auf recht überzeugende Weise. In der 3. Minute hätte er fast das 1:0 erzielt.

Das schoss dann wenige Minuten später die zweite Idee, die Nouri, selbst einst Spieler unter anderem beim VfL Osnabrück, für sein erstes Bundesligaspiel hatte. Der Bosnier Izet Hajrovic, der unter Skripnik eine in Richtung Unsichtbarkeit strebende Laufbahn eingeschlagen hatte, wurde von Nouri in die Startelf befördert und traf nach extrem feiner, willensstarker Einzelleistung aus großer Distanz zur Bremer Führung (11.). Weil sich der SV Werder ganz gegen sein Naturell die nächsten 76 Minuten auf eine stabile Ordnung konzentrierte und Mainz 05 ungewohnt langweilig angriff, sah es so aus, als bliebe das der Endstand - ehe erst Malli (87.) und dann Pablo de Blasis mit dem 1:2 in der Nachspielzeit die Partie unvermittelt drehten.

Viktor Skripniks erstes Spiel vor rund zwei Jahren, damals auswärts, hatten die Bremer noch gegen denselben Gegner gewonnen. Die Chancen von Alexander Nouri, den Job auf der Trainerbank der ersten Mannschaft auf Dauer zu behalten, schmälert die späte Niederlage vermutlich, obwohl eine solche Lösung schnell, günstig und reibungslos umzusetzen wäre für den Sportchef Frank Baumann. Bis zum Samstag, wenn Bremen den VfL Wolfsburg empfängt, wird jedenfalls kein anderer Trainer mehr die Weser heraufschwimmen.

Die Leistung der Bremer war sicherlich die beste in der bisherigen Saison. Ob Nouri wirklich die Herzen der Spieler erreicht hatte, weiß niemand. Die der leidenschaftlichen Fans sind jedenfalls erstmal gebrochen.

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