1. FC Köln:Die Profis ignorieren das Rette-sich-wer-kann-Prinzip

SV Werder Bremen v 1. FC Koeln - Bundesliga

Jonas Hector (links) und Timo Horn sind zwei Spieler, die den 1. FC Köln in Liga zwei eigentlich verlassen müssten. Doch kommt es auch dazu?

(Foto: Lars Baron/Getty)
  • Dem 1. FC Köln steht gegen Mainz 05 wieder einmal ein Abstiegs-Endspiel bevor.
  • Im Normalfall beschäftigen sich die besten Spieler eines Klubs zu diesem Zeitpunkt schon mit ihrem Weggang - doch in Köln läuft es anders.
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Von Philipp Selldorf, Köln

Die Menschenmenge brach in Beifall aus, als Timo Horn am Nachmittag den Trainingsplatz betrat. Opas waren mit ihren Enkeln gekommen, Väter mit ihren Söhnen, Mütter mit Kleinkindern, Männer mit Hunden, andere Männer mit Hüten sowie Scharen von Teenager-Mädchen mit Trikots, auf denen Namen wie Hutwelker und Klünter standen; es regnete ausdauernd, aber die Reihen hinter dem Zaun standen dicht beieinander, und mancher Besucher streckte dem Torwart des 1. FC Köln die Hand zum Abklatschen entgegen.

Horn lächelte, grüßte und schlug ein. Kurzum: Am Geißbockheim herrschte nicht das typische Bild vom Trainingsbetrieb einer Profimannschaft vom vorletzten Tabellenplatz, die ihr letztes Ligaspiel 0:6 verloren hatte. Aber auch kein Szenario, das die Betroffenen emotional überwältigt hätte. Armin Veh beobachtete das Geschehen aus seinem Geschäftsführer-Büro und fand seine Erwartungen bestätigt: "Die Leute wissen, dass wir in Hoffenheim einen rabenschwarzen Tag hatten und dass sich die Mannschaft nicht aufgegeben hat."

Unzweideutiges Debakel in Hoffenheim

Für den missratenen Auftritt am vorigen Samstag habe er weiterhin keine Erklärung, gesteht der Kölner Sportchef, er hat allerdings auch keinerlei Mühe darauf verwendet, die Ursachen zu erforschen. Einerseits hielten die Verantwortlichen die Untersuchung des unzweideutigen Debakels für Zeitverschwendung, andererseits stellte der Verzicht auf die Analyse den ersten Schritt zur Therapie vom Unheil-Erlebnis dar. Der 1. FC Köln kann es sich nicht leisten, seine Mannschaft mit Erfahrungen des Versagens zu verunsichern, schon gar nicht vor der Begegnung mit dem FSV Mainz 05 am Samstagnachmittag.

Die Kölner haben in dieser Saison das Endspiel zur Normalität erhoben, seit dem dritten Spieltag befindet sich der Klub im Abstiegskampf und hat seitdem ein vermeintliches Schicksalsspiel an das nächste gereiht, aber das Treffen mit Mainz erfüllt tatsächlich die Kriterien eines Ultimatums ohne Aussicht auf Aufschub. "So nah wie jetzt waren wir noch nie am Relegationsrang", sagt zwar der Trainer Stefan Ruthenbeck über die Erfolgsaussichten. Was er aber lieber nicht sagt: Dass die Alternative zum Sieg der (mutmaßliche) Untergang ist. "Wie viel am Samstag auf dem Spiel steht, darüber muss man nicht reden", meint Veh, 57, "das erklärt sich von selbst."

Veh versieht in Köln seit Dezember einen merkwürdigen Job: Zum Glück ist er viel komplizierter geworden, als er am Anfang aussah. Die erste Dienstreise mit dem neuen Verein führte Veh zum FC Bayern, der FC hatte drei Punkte auf dem Konto und befand sich im Status des unheilbaren Patienten. Doch seitdem hat die Mannschaft einen Überlebenswillen verwirklicht, der den Sportdirektor in seinen geradlinigen Planungen geradezu notorisch behindert. Immer, wenn er gerade dachte, dass er nun die Metamorphose vom Erst- zum Zweitligisten vorbereiten könnte, kamen wieder ein paar Punkte hinzu, die neuen Raum für die Hoffnung auf Rettung schufen. Auch die prominenten Spieler des FC machen Veh das Leben schwer.

Bleibt Hector etwa auch in der zweiten Liga?

Anstatt sich wie anständige Profis nach dem Rette-sich-wer-kann-Prinzip um bessergestellte Anschlussjobs zu bemühen, halten sie mit Gewalt am Erhalt ihrer Beschäftigung fest. Timo Horn hat bereits erklärt, er könne sich auch vorstellen, in der zweiten Liga im Tor zu stehen, und er scheint mit dieser Absicht kein Einzelfall zu sein. Das führt allerdings dazu, dass Veh mit den betroffenen Spielern bisher weder über Bleiben noch Gehen sprechen konnte. Verhandlungen mit Horn, Leonardo Bittencourt, Dominique Heintz oder Jonas Hector, deren Verträge allesamt Ausstiegsklauseln enthalten, wären im gegenwärtigen Stadium "kontraproduktiv", sagt Veh: "Sie müssten darüber sprechen, worüber sie nicht sprechen wollen. Sie wollen ja nicht absteigen. Wenn man aber darüber redete, dann könnte das eine Art Selbstprophezeiung werden."

Trotzdem registriert er gern, dass in diesem Klub die üblichen Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden. Beim Nationalspieler Hector etwa sei es "normalerweise zu 100 Prozent ausgeschlossen, dass er in der zweiten Liga in Köln bleibt - aber vielleicht ist es eben doch denkbar".

Was das Psychologische angeht, ist der Kölner Abstiegskampf ohnehin einer der kniffligsten und rätselhaftesten der Ligageschichte. Dem Stress, Woche für Woche die letzte, allerletzte sowie allerallerletzte Chance nutzen zu müssen, begegnet der Trainer Ruthenbeck mit einem Rezept, das sich schlichter anhört, als es wahrscheinlich ist: "Normalität leben, Rituale bewahren, auf Aktionismus verzichten, keine negativen Schlussfolgerungen anstellen."

Die ständigen Leistungsschwankungen zeugen davon, dass der Alltag eine permanente Herausforderung für den Trainer ist. Das Verhalten der Mannschaft in Hoffenheim empfand Ruthenbeck zwar als "ein No-Go, da haben wir uns blamiert", dennoch kam der Unfall nicht ganz unerwartet. Veh will nicht ausschließen, dass sich unterbewusst Erschöpfung breitmacht im Kölner Team. "Der ständige Stress, mit dieser Gefühlswelt umzugehen, das ist schon sehr anstrengend", sagt er. Nichts sei im Fußball eben schwieriger, als immer wieder aufzustehen - "und die Gefahr ist, dass du irgendwann nicht mehr aufstehst."

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