Bundesliga: TV-Rechte:"War Room" erkämpft 1,6 Milliarden

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Mit dem neuen Rechtevertrag erhält die Bundesliga pro Saison 400 Millionen Euro. Nicht alle sind zufrieden. "Das Kartellamt hat uns umgegrätscht", heißt es.

Ch. Keil

Eine Woche lang hatten sich Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), und sein Team im Frankfurter Hof einquartiert, um ungestört das Bieterverfahren um die Vergabe der Fernsehrechte an der ersten und zweiten Bundesliga durchzuführen. An diesem Freitag stimmten die Klubs in Frankfurt dem neuen Vermarktungskonzept der DFL für die Zeit von 2009 bis 2013 zu.

Das Erste zeigt nun samstags und sonntags als Erstes Bilder von der Bundesliga. (Foto: Foto: ddp)

1,65 Milliarden Euro wird die DFL in diesem Zeitraum für die nationalen Fernsehrechte kassieren. Das durchschnittliche jährliche Mittel von 412 Millionen Euro liegt künftig über dem bisherigen von 405 Millionen. Neben der ARD und Premiere sind noch das ZDF, das DSF und die Deutsche Telekom (IP-TV, Mobile) an dem neuen Vertrag beteiligt.

Ursprünglich hatte Seifert allerdings andere Erwartungen geweckt. Im Oktober 2007 war die DFL mit der Sportrechteagentur Sirius - die zum Einflussbereich von Leo Kirch gehört - übereingekommen, dass von 2009 bis 2015 durchschnittlich 500 Millionen Euro pro Spielzeit garantiert werden, also beinahe ein Viertel mehr als nun erzielt wurde.

Eine klare Bedingung

Dass es eine Steigerung gab in dem vom Kartellamt stark beeinflussten Vergabeverfahren, ist auch angesichts der Wirtschaftskrise keine Selbstverständlichkeit und dokumentiert die Grenzen des Wachstums. Die Wettbewerbsbehörde machte in diesem Sommer enge Vorgaben: Eine Zusammenfassung am Samstag müsse im frei empfangbaren Fernsehen vor 20 Uhr zu sehen sein. Nur unter dieser Voraussetzung werde die grundsätzlich unzulässige Zentralvermarktung, also der gemeinsame Verkauf der Fernsehrechte aller 36 Vereine, genehmigt.

Damit war das erdachte Wettbewerbsmodell der DFL - mehr Exklusivität für Pay TV und damit höhere Vertragssummen - hinfällig. Sirius hätte die Erlaubnis gebraucht, mit einer Free-TV-Ausstrahlung nach 22 Uhr pokern zu können. Weil das Unternehmen nach dem Kartellamtsbeschluss ausstieg, kam auch der geplante Bundesligakanal nicht zustande, mit dem die DFL vor allem Kabelgesellschaften konfektionierte Spiele anbieten wollte. Beim aktuellen Bieterverfahren hatte kein Vertreter aus der Kabelbranche eine Offerte abgegeben.

Das Erste investiert angeblich nicht mehr als früher

Premiere kann wie bisher alle Spiele der ersten Bundesliga live übertragen und soll dafür im ersten Jahr 225, im vierten 275 Millionen Euro bezahlen. Das ist eine Steigerung zur bisherigen Leistung (circa 205 bis 220 Millionen). Wie wichtig die Bundesliga-Fernsehrechte für das Unternehmen sind, zeigte der Anstieg des Aktienkurses am Donnerstag dieser Woche, nachdem unter Vorbehalt verbreitet wurde, dass Premiere am nationalen Fußball wieder beteiligt wird.

Die ARD hat zur Highlightverwertung für die Sportschau am Samstag auch noch die Free-TV-Rechte für die Sonntagsspiele der Bundesliga erworben (von 21.45 Uhr an), außerdem den Zuschlag für Saisoneröffnungs- und Relegationsspiele bekommen (live). Ein führender ARD-Vertreter gab an, das Erste werde nicht mehr investieren als früher. Zuletzt bekam die DFL um 100 Millionen Euro von der ARD.

Vom linken Hotelflügel des Frankfurter Hofes aus lenkte DFL-Geschäftsführer Seifert das komplexe Bieterverfahren. Er und seine Mitarbeiter residierten inkognito in Salon3 unter dem Betriebsphantasienamen "Feinkost Hedtstück". Als vergangenen Freitag die erste Angebotsrunde (19 Bieter) bilanziert wurde, soll das Volumen nur bei 360 Millionen Euro gelegen haben.

DFL-intern hieß das kleine, rechteckige Zimmer im Frankfurter Hof War Room - eine Anspielung an Strategie- und Kommandozentralen in amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfen. Drei Fax-Geräte waren dort angeschlossen, ein Reißwolf und ein Kopierer installiert, und eine speziell für das Bieterverfahren entwickelte Software warf Charts und Zahlen an eine Leinwand: die Hieroglyphen der modernen Fernsehrechtevermarktung.

Seifert bekam früh eine Ahnung von den Auswirkungen der Banken- und Finanzkrise. Leicht sei die Lage jedenfalls nicht, soll er seinem Umfeld mitgeteilt haben. "Das ist kein Selbstläufer." Seine Strategie war, im Sinne der Sponsoren aller Bundesligisten die TV-Reichweite zu steigern, wenn das Erlösniveau kaum noch zu erhöhen ist. Mit der Vergabe der beiden Sonntagsspiele an die ARD ist ihm das gelungen.

Entscheidung im "War room"

Während im War Room täglich die Zwischenstände analysiert wurden, errechneten Seiferts Leute nebenher, wie kostspielig die Kartellamtsentscheidung am Ende für die DFL war. Hätte Sirius auch das Modell ohne eine Free-TV-Verwertung vor 22 Uhr ausschreiben dürfen, wäre den Profiklubs in den ersten vier Jahren der auf sechs Jahre ausgelegten Vereinbarung erst 460, dann 470, 490 und schließlich 520 Millionen Euro zugeflossen. Bei einem Jahresmittel von 412 Millionen Euro kommt man da jetzt auf ein Minus von 292 Millionen Euro. "Das Kartellamt", sagt einer mit Einfluss aus dem Ligaverband, "hat uns umgegrätscht."

Dass die Fernsehlizenzen für vier statt wie angenommen für drei Jahre ausgeschrieben wurden, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen braucht das neue News-Corp-Management von Premiere die Spanne. Das deutsche Pay-TV-Geschäft ist im europäischen Vergleich offenbar am schwierigsten aufzubauen. Zum anderen braucht die DFL Zeit, weil sie, wie Liga-Präsident Reinhard Rauball ankündigte, gegen die Kartellamtsentscheidung Klage erheben wolle. Die DFL rechnet mit einem zweijährigen Verfahren, und sie will die kommende Rechtevergabe zwölf Monate vor dem Ende der alten starten.

ZDF freut sich

Den 36 Profivereinen stehen in der erste Saison des neuen Abschlusses zunächst nur 390 Millionen Euro zur Verfügung, in der vierten dann 440. Nimmt man den durchschnittlichen Verdienst aus den Fernsehauslandsrechten (37 Millionen) und die durchschnittlich Marketingerträge (20 Millionen) ein, stehen der DFL im Mittel 469 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.

Während das ZDF sein exklusives Highlight-Recht prominent im Internet bewarb ("Samstagabendspiel: Erste Free-TV-Bilder im Sportstudio"), gab die ARD durch Programmdirektor Volker Herres Entwarnung für Anne Will. Die Moderatorin hat bis 2010 eine Talkshow-Vereinbarung mit dem Ersten. Die Zusammenfassung der Sonntagsspiele könnte im Bundestagswahljahr 2009 wohl auf die Dritten Programme der ARD verteilt werden. Das ist eine Zwischenlösung, mehr zunächst aber auch nicht.

© SZ vom 29.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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