Bundesliga: Transfers:Koketterie am Rande des Erlaubten

Zum Beispiel Jérôme Boateng, Arturo Vidal, Christian Träsch oder Dante: Die Fußball-Bundesliga lässt sich den Spaß am illusteren Transfergeschacher nicht verderben - schon gar nicht durch gültige Verträge.

Philipp Selldorf

Max Eberl hätte Grund zum Ärgern gehabt, als der brasilianische Abwehrspieler Dante in Begleitung eines deutschen Beraters in seinem Büro vorsprach und von seinem neuen Karriereplan berichtete.

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Ja wohin denn bloß? Hoffentlich nach München, denkt sich Jérôme Boateng.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Tags zuvor hatte Borussia Mönchengladbach mit dem 1:1 beim VfL Bochum den Klassenerhalt gesichert, am Niederrhein kurierte man noch die Folgen der nächtlichen Freudenfeiern aus, nun aber teilte der 27-Jährige dem Sportchef mit, dass er seiner Laufbahn einen neuen Antrieb geben möchte. Er wolle zu einem "großen" Klub wechseln und in der Champions League spielen.

Eberl entgegnete ihm, dass er diesen Plan nicht unterstützen werde, und blieb auch sonst gelassen. "Ich finde es nicht verwerflich, dass er so einen Anspruch stellt", sagt er, "aber das heißt nicht, dass wir ihm stattgeben müssen." Solange nicht Vereine wie Manchester United, Real Madrid oder Bayern München Interesse anmelden sollten, werde Dante sicherlich in Mönchengladbach bleiben, beharrt Eberl: "Er hat einen - natürlich subjektiven - Marktwert, aber es gibt keine Schmerzgrenze für uns, weil wir generell nicht über einen Verkauf von Dante nachdenken möchten."

Der Brasilianer hatte seinen Vertrag mit der Borussia im Sommer vorigen Jahres verlängert, der Verein lobte den Tag, an dem dies geschah: "Er ist in unserer jungen Mannschaft eine tragende Säule, ein Führungsspieler auf und neben dem Platz." Bis Juli 2014 verpflichtete sich Dante der Borussia, "und die deutliche Gehaltsaufbesserung hat er gern mitgenommen", wie es im Klub heißt. Doch schon im Herbst stellte er seine Garantie in Frage, er fand es "enttäuschend", dass der Klub wieder im Abstiegskampf steckte, statt die versprochenen Fortschritte in der Tabelle zu machen.

Derzeit ist Urlaubsruhe. Weder die Bayern noch Real Madrid noch sonst ein Klub haben wegen Dante angefragt, aber in Mönchengladbach wissen sie, dass das Thema jederzeit wieder akut werden kann. Die Wechselbörse ist bis zum 31.August geöffnet und bringt täglich neue Meldungen hervor, die Manager sondieren die Kandidaten und lassen sich durch das relativ restriktive Sportrecht nicht den Spaß verderben.

Laut Artikel18 des Fifa-Transferstatuts dürfen die Klubs mit Spielern grundsätzlich erst ein halbes Jahr vor Vertragsablauf Verhandlungen aufnehmen, es sei denn, der aktuelle Arbeitgeber erteilt auf Anfrage eine Erlaubnis. Aber dieser Paragraf bleibt in der täglichen Geschäftspraxis eine Randnotiz, die Bayern haben zunächst in aller Ruhe mit Jérôme Boateng die Vertragsmodalitäten erörtert, bevor sie nun darangehen, mit Manchester City die Ablöse zu verhandeln.

Unangenehm wird es für die Vereine allerdings, wenn ihre wichtigsten Spieler die Laufzeiten in den Arbeitsverträgen als ähnlich nebensächlich werten. So wie Arjen Robben in München, der im Frühling plötzlich sein Bleiben in Fragen stellte, wie Dante in Mönchengladbach oder wie Arturo Vidal in Leverkusen, der am Dienstag laut Bild erklärt haben soll: "Ich will nach München. Jetzt. Ich möchte unbedingt, dass sich die Vereine einigen."

Millionen aus München

Bei Bayer Leverkusen möchte man zwar nicht glauben, dass er das wirklich so deutlich gesagt hat, aber man weiß auch, dass es zunehmend schwierig wird, im Wettkampf um den chilenischen Nationalspieler zu bestehen. Trotz des bis Juli 2012 gültigen Vertrages.

Der FC Bayern hat der Form genügt und Bayer ein Angebot unterbreitet, das aber laut Sportchef Rudi Völler "nicht im Ansatz hoch genug war, um darüber nachzudenken". Im Klub herrscht die Auffassung, die Bayern müssten "richtig Geld regnen lassen", um Vidals Freigabe zu erreichen. Die schwache Stelle im Leverkusener Konzept ist jedoch der Wille des Spielers. Was tun, wenn Vidal in den passiven Widerstand eintreten sollte?

Entgegen aller Beteuerungen arbeitet der Klub also an einer alternativen Lösung. Mit den Millionen aus München - von der Ablöse müsste Bayer ein knappes Drittel an Vidals ehemaligen Verein Colo-Colo in Chile abgeben - ließe sich zwar kaum ein gleichwertiger Ersatzmann finden, das wissen sie in Leverkusen. Aber doch eine annähernd adäquate Lösung.

Die ergibt sich möglicherweise in Stuttgart, wo der VfB vergeblich versucht hat, den Nationalspieler Christian Träsch, 23, zur Vertragsverlängerung zu überreden. Träsch ist bis 2012 an den Klub gebunden. Erstaunlich bloß, dass Manager Fredi Bobic den vielseitig einsetzbaren Profi erst Anfang dieser Woche via Bild aufforderte, sich zügig zu entscheiden. "Jetzt liegt es an Christian, ob er unser Angebot annimmt", sagte er - dabei hatte der Betroffene in der vorigen Woche bereits dankend abgelehnt.

Dies durchaus in dem Bewusstsein, dass er somit womöglich nicht mehr für den VfB spielen wird, weil der Verein die letzte Gelegenheit wahrnehmen könnte, seinen Marktwert zu nutzen. Verschiedene Vereine sind interessiert, das leugnet nicht mal Träschs ansonsten sehr diskreter Berater Robert Schneider.

Träschs Entscheidung, die Offerte des VfB abzulehnen, ist möglicherweise also das Signal eines größeren Tauschhandels: Vidal könnte nach München gehen, Träsch nach Leverkusen. Und Dante wird wohl am Niederrhein bleiben müssen.

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