Bundesliga: Schiedsrichter:Vorsicht, Comedy!

Wenn das menschliche Auge überfordert ist: Die gravierenden Fehlurteile in der Bundesliga zeigen, dass auch die Schiedsrichter energischer auf den Einsatz technischer Hilfsmittel drängen müssen.

Klaus Hoeltzenbein

Drin? Nicht drin? Die Frage war bei der WM 2010 viel einfacher zu entscheiden als bei der WM 1966. Aber beide Tore wurden von Romantikern wie Komikern miteinander verrechnet: Das strittige Wembley-Tor gegen jenen Schuss von Frank Lampard, der fast einen Meter hinter der Torlinie landete; 1966 profitierte England im Finale, 2010 die Deutschen im Achtelfinale. Sind wir jetzt quitt? Nach 54 Jahren? Die Frage wäre auch, was die einst Benachteiligten, die Schnellingers, Höttges oder Webers von solche Verrechnungen mit der Ewigkeit halten.

Borussia Moenchengladbach - VfB Stuttgart

Runter vom Platz: Thorsten Kinhöfer (links) weist Gladbachs Dante den Weg.

(Foto: dapd)

Borussia Mönchengladbach hat es leichter, Borussia hat nur wenige Wochen warten müssen, dann waren sie dort mit dem Schicksal wieder pari. Beim 1:0 zum Rückrunden-Start in Nürnberg wurden sie von den Pfiffen des Babak Rafati begünstigt: zwei Elfmeter und ein klares Tor hatte Rafati dem Gegner vorenthalten.

Am Samstag nun hat Thorsten Kinhöfer für seine Zunft mit voller Wucht ausgeglichen. Er hat Borussia erst das 3:2 versagt, dann einen Elfmeter - den zum 2:3 - falsch gepfiffen und dabei auch gleich Dante, den vermeintlichen Foulspieler, vom Platz geschickt, womit dieser fürs nächste Abstiegsduell gesperrt ist. Aber wer will so was? Wer will so ein Remis der inflationären Fehlurteile?

Die deutschen Schiedsrichter kollektiv anzugehen, wäre zu simpel, auch wenn der Eindruck wächst, dass ihr Urteilsvermögen schon besser war. Gerade in Schlüsselsituationen liegen sie in der Rückrunde oft daneben, zu beobachten an diesem Spieltag auch in Köln (Badstubers gnädig geahndete Notbremse gegen Novakovic) oder Mainz (ein klarer Elfmeter für den Bremer Marin).

Für solche Fehlurteile können die Schiedsrichter mildernde Umstände einfordern, denn seit 1966 ist dieses Spiel schneller, dichter, schlichtweg anders geworden. Nur: Wie wird fachlich darauf reagiert?

Auch die deutschen Schiedsrichter müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht energisch auf Unterstützung fürs überforderte Auge drängen. So begünstigen sie jene internationale Verschleppungstaktik, die seit Jahren den Torrichter, den Chip im Ball, den Videoentscheid diskutiert, aber nichts vorantreibt. Was ist das - anders als Eishockey oder Tennis - für ein Sport, der nicht alles daran setzt, dass seine zentrale Frage (Drin? Nicht drin?) zuverlässig und fair geklärt wird?

Szenen wie die in Gladbach belegen die Gefahr, ins Comedy-Fach abzugleiten. Dorthin, wo die Zurschaustellung menschlicher Schwächen und Fehler für Lachsalven sorgt.

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