Bundesliga:Schiedsrichter pfeifen dramatisch oft für die großen Klubs

Bayern München - RB Leipzig

Stand zuletzt im Spiel zwischen Leipzig und dem FC Bayern im Mittelpunkt: Schiedsrichter Daniel Siebert.

(Foto: dpa)

Es vergeht kein Spieltag in der Bundesliga, an dem der Videobeweis nicht für Aufregung sorgt. Es wäre deshalb richtig, dem Mann am Bildschirm mehr Mitsprache gegenüber dem Feld-Referee zu geben. Aber der DFB verhindert das.

Kommentar von Thomas Kistner

Eine Binsenweisheit vorweg: Irren ist menschlich - wer mag das bestreiten?

Herzlich willkommen in der Schiedsrichterei. Dass sich der menschliche Irrtum just im Integritätszentrum des Fußballs zur Handlungsmaxime entwickelt hat, wirft ja durchaus Fragen auf. Zumal, wenn der Irrtum einer Gesetzmäßigkeit folgt: Es trifft meist die Schwächeren. Jüngst führte der Irrlauf eines Referees dazu, dass ein fulminant aufspielendes Team von RB Leipzig im Pokal gegen den FC Bayern einen Elfmeter aberkannt und einen zweiten nicht zuerkannt bekam, sodann eines Feldspielers beraubt wurde. Was Leipzig am Ende in die Knie zwang. Das Häufchen Elend kassierte Tage später beim selben Gegner die nächste Klatsche. Und die ewige Ordnung im deutschen Fußball war wieder hergestellt.

Ja, klar. Der Fußballgott! Seine Schlüsse sind rätselhaft, damit muss man leben. Nicht leben muss man mit denen der Referees. Die sollen ja nicht mystisch sein, sondern unparteiisch. In der Praxis aber neigen die Unparteiischen dramatisch oft dem jeweils stärkeren Branchenvertreter zu. Wer das nicht glaubt, braucht nur mal die Fan- mit der Lesebrille zu vertauschen, um Statistiken zu studieren.

Hier kommt der Videobeweis ins Spiel. Er soll das Kickergeschäft gerechter machen und transparent. Seit Saisonbeginn wird er in der Bundesliga angewandt. Seither verging kein Tag, an dem er nicht für Aufregung sorgte. Nicht, weil es so viele strittige Situationen gab. Sondern so viele Fehlentscheidungen. Die Fans reiben sich die Augen: Hat der DFB eine Schwäche für Sehschwache? Oder soll das Videoprojekt still torpediert werden? Motive gäbe es: Nach einem Scheitern könnte die Branche zurückkehren zur alten Tatsachenentscheidung, die - wie im (videofreien) Pokalspiel in Leipzig - folgenreiche Fehler zur obersten Wahrheit erhebt.

Und der Manipulation die Tore öffnet. Insofern ist dem Videobeweis jetzt eine verstörende Erkenntnis zu danken: Der Drang, schräge Urteile zu fällen, wurzelt so tief in manchem Referee, dass nicht mal klare Sichtverhältnisse helfen. Das ist pikant. Und führt in den aktuellen Schiedsrichter-Streit. Seit langem wird ja geraunt, dass im Schiedsrichterwesen Günstlingswirtschaft gepflegt werde. Uralte Kommandostrukturen schufen ein System aus Schweigen und Gehorsam; über allem herrschen nur ein, zwei Leute. Weshalb die Schiris nicht vor den Massen im Stadion zittern, sondern vor den paar Leuten, die ihnen Noten geben und so ihre Zukunft und Einkünfte regeln.

Der sensibelste Bereich des Milliardenbetriebs Fußball unterliegt einem diskreten Befehlsmonopol. Das fördert Missbrauch und schafft einen Tendenzbetrieb, in dem der Einflussreiche profitiert - sei es nur von vorauseilendem Gehorsam. Den Eindruck bestärken die Eklats um den Videobeweis, und auch die Hektik, in welcher der DFB nun nachzubessern versucht: Gut ist es, wie am Freitag geschehen, den umstrittenen Schiri-Chef Hellmut Krug zu entmachten. Jenseits dieser Personalie aber ist es richtig, dem Mann am Videoschirm mehr Kompetenzen gegenüber dem Feldreferee zuzuordnen, sonst bräuchte es keine Hightech-Hilfe. Es muss nur gesichert sein, dass die neuen Oberschiedsrichter nicht weiter exklusive Dinge sehen.

Der moderne Fußball braucht Richter, die auf dem Rasen wie im Leben agieren: Frei, unabhängig, manchmal mutig. Im Geschirr der Funktionäre geht das nicht. Die Schiedsrichterei gehört aus den Institutionen des Deutschen Fußball-Bundes ausgelagert und mit Persönlichkeiten verstärkt, die nicht aus dem eigenen Sud kommen. Mit Leuten, die Regelkunde mit Menschenkenntnis verbinden.

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