Bundesliga: Schalke 04:Das Chaos regiert

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Geht Kevin Kuranyi oder bleibt er? Reiste Farfan zu seiner Freundin? Die Fälle der beiden Stürmer zeigen den Zustand von Schalke 04.

Philipp Selldorf

Weil Schalke 04 während der Hinrunde eine noch miesere Presse hatte als das traditionell üblich ist, beschlossen die Verantwortlichen, die "Außendarstellung" ihres Vereins zu verändern. Der Geschäftsführer und frühere Zeitungsmann Peter Peters wurde damit beauftragt, sich der Aufgabe anzunehmen. Er äußerte den Vorsatz, "die Vorgänge transparenter zu machen", warnte aber auch die Falschmelder im Ruhrgebiet: "Wir werden uns nicht mehr alles gefallen lassen." Nach zwei Wochen im neuen Dienst muss er allerdings feststellen, dass die Außendarstellung des aufgeregtesten Klubs der Liga schwerer zu bändigen ist als ein Wildpferd. "Warum ist bei Schalke immer alles so turbulent und hektisch, selbst wenn wir die normalsten Dinge tun?", fragt er sich.

Kevin Kuranyi: Geht er oder nicht? (Foto: Foto: dpa)

Tatsächlich hat Schalke selten ein verwirrenderes Bild abgegeben als in diesen turbulenten und hektischen Tagen. Auf dem Transfermarkt trat der Klub trotz der immer noch beschworenen Champions-League-Ambitionen als Verkaufsgrossist auf. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt weiterhin das Wort von Manager Andreas Müller: "Wir sind ein Spielball der Boulevardmedien."

Wobei Schalke durch offensivere Pressearbeit daran inzwischen seinen eigenen Anteil hat: Meldungen, die der Verein auf seinem eigenen Nachrichtenkanal verbreitet, stehen konträr zu dem, was Angestellte und führende Vertreter der Öffentlichkeit berichten. Berichte auf der Schalker Homepage müssen am nächsten Tag von der Schalker Homepage korrigiert werden. Spieler geben Erklärungen ab, um dann eigene Erklärungen zu erläutern.

Wahrheitsfindung wird auf diese Weise zu einem Abenteuer. Zum Beispiel die Geschichte mit Jefferson Farfans Großmutter. Am Montag meldete Schalke, dass der peruanische Stürmer mit Erlaubnis von Trainer Fred Rutten in die Heimat gereist sei, weil seine Oma, "mit der ihn immer ein besonderes Verhältnis verbunden hat", im Sterben liege. Farfan bitte aber darum, "dass dieses traurige Thema in den Zeitungen nicht groß thematisiert" werde.

Bild hielt sich nicht an die Bitte. Unter Berufung auf Informationen des peruanischen Massenblattes Trome erschien am Mittwoch ein Bericht über Farfans Oma - mit dem immerhin erfreulichen Inhalt, dass sich sowohl die eine wie die zweite Oma guter Gesundheit erfreue. Stattdessen, so hieß es, sei Farfan heimgereist, um einen Krach mit seiner Freundin Melissa zu besänftigen. Eine Posse also auf Kosten des gütigen Trainers Rutten? Oder eine internationale Medien-Intrige auf Kosten des Spielers und seines Vereins?

Schalke räumte am Mittwoch ein, bei Farfans Schilderung über die Gesundheit von Oma Peregrina habe es "einen Übersetzungsfehler" gegeben. Sie liege gar nicht im Sterben. "Aber dass es der Oma nicht gut geht, ist eine Tatsache", sagt Peter Peters, der den Fehler bedauert, die Reiseerlaubnis aber weiterhin verteidigt. Farfan kehrte am Mittwoch zurück aus Lima.

Wie das Publikum in der Gelsenkirchener Arena reagiert, wenn am Samstag Schalke mit Farfan zum Gipfel der Enttäuschten gegen Werder Bremen antritt, weiß noch keiner. Aber die Stimmung wird wohl gedämpft sein, denn die Nachrichtenlage bietet zurzeit wenig Vergnügliches. Außer Farfan und dem plötzlich zu Besiktas Istanbul gewechselten Stammspieler Fabian Ernst stand in den vergangenen Tagen wie immer Kevin Kuranyi im Mittelpunkt der Betrachtungen. Der umstrittene Stürmer ist immer für ein Drama gut. Am Wochenende hatte er seine Zweifel daran geäußert, ob ihn Schalke überhaupt behalten wolle.

Verwirrung um Kevin

Daraufhin erklärte ihn Manager Andreas Müller am Montag für "unverkäuflich", um dann am Dienstag zu berichten, dass Kuranyi vor dem Spiel in Hannover in seinem Hotelzimmer erschienen sei, um sich nach Angeboten anderer Vereine für ihn zu erkundigen. "Kevin sagte zu mir: Ich habe in den letzten drei Jahren richtig gelitten, so wie ich von den Fans behandelt wurde", erzählte Müller in einer Presserunde. Dass Kuranyi Schalke verlassen wolle, sagte Müller nicht. Am Mittwoch befindet Bild gewohnheitsmäßig, Schalke sei ein "Tollhaus" und titelt: "Kuranyi bat Müller um Freigabe".

Diese Schlagzeile sei "gegendarstellungsfähig", meint Peter Peters. Auf die Gegendarstellung verzichtet der Klub jedoch. Stattdessen publizierte Schalke ein Interview mit Kevin Kuranyi, in dem dieser gefragt wird: "Hand aufs Herz: Wollen Sie Schalke verlassen?" Kuranyi antwortet: "Heute sage ich: Nein!" Er habe das Gespräch mit Müller nicht gesucht, weil er wechseln wolle, sondern um die Angebotslage und die Sicht des Klubs in Erfahrung zu bringen.

Peters erläutert: "Es ist doch völlig normal, dass sich Spieler und Verein Gedanken machen, ob das noch alles richtig ist. Kevin hat nachgedacht, aber er hat nie den Schluss gezogen, dass er weg will, und er hat definitiv nie seine Freigabe verlangt." Außendarstellung und Innenleben finden nach wie vor schwer zusammen in Schalke.

© SZ vom 05.02.2009/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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