Bundesliga:Reus und Schiedsrichter Brych retten den BVB

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Marco Reus - auch abseits seines Tores wichtig für den Erfolg des BVB. (Foto: AFP)
  • Borussia Dortmund schlägt die TSG Hoffenheim mit 2:1 und hat Glück bei den Entscheidungen von Schiedsrichter Felix Brych.
  • Das Führungstor von Marco Reus war klar Abseits, anschließend gab es einen unberechtigten Elfmeter für Dortmund.
  • Hier finden Sie die Tabelle und die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga.

Von Martin Schneider

Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann sind zwei Trainer, die versuchen, die Sportarten Schach und Fußball zu verbinden. Welcher Spieler rückt wo hin? Welcher Zug bringt den Durchbruch zum gegnerischen König? Vor dem Spiel sagte Thomas Tuchel zum Beispiel: "Über das Zentrum das Spiel schnell machen, das wäre der Königsweg." Julian Nagelsmann meinte, die wichtigen Fragen seien: Wie viel Druck bekommt man auf den Ballführer? Wie viel Raum hat man dabei hinter sich?

Am Ende gewann Borussia Dortmund gegen die TSG Hoffenheim mit 2:1 - aber die Taktik spielte dabei nicht die Hauptrolle. Es gehört zu den immer wiederkehrenden Phänomenen des Fußballs, dass er sich aber partout nicht planen lassen will und es durchaus einen Grund gibt, warum Schachcomputer existieren, aber keine Fußballcomputer. Da entwirft man Angriffsstrategien, Matchpläne, verdichtet die Halbräume und geht dann durch die Großmutter aller Abseitstore in Führung.

Es waren kaum vier Minuten gespielt, da lupfte Raphael Guerreiro den Ball auf Gonzalo Castro, der leitete ihn mit der Hacke weiter auf den sprintenden Marco Reus und der wiederum tunnelte TSG-Torhüter Oliver Baumann zur Führung. Der Haken an diesem Tor? Reus stand beim Pass von Castro einen Meter im Abseits. Schiedsrichter Felix Brych schien bemerkt zu haben, dass an diesem Tor etwas seltsam war, er lief an die Seitenlinie, diskutierte lange mit seinem Assistenten und entschied dann auf Tor. Offenbar waren beide der Meinung, dass Castro den Ball nicht mehr berührt hatte.

"Dass das Tor abseits war, hat jeder gesehen. Der Schiedsrichter hatte keinen guten Tag", sagte Nagelsmann nach dem Spiel und auch Tuchel konnte das offensichtliche nicht leugnen. "Ich bin deshalb auch seit jeher ein Verfechter davon, jedes Tor zu überprüfen", meinte der BVB-Trainer.

Das Spitzenspiel des Spieltages, es war zunächst ein Spiel von Fouls und Fehlentscheidungen. Reus schubste Steven Zuber um und bekam früh Gelb, dann nahm er einen langen Pass klar mit dem Arm an - Schiedsrichter Brych sah es nicht. Reus flankte dann in den Strafraum, Pavel Kaderabek sprang der Ball an die Hand - und Brych pfiff Elfmeter für Dortmund. Eine doppelte Fehlentscheidung, die nur deswegen nicht heftiger diskutiert wurde, weil Pierre-Emerick Aubameyang den Strafstoß kraftlos am Tor vorbeischob.

Tuchel bekommt eine Halsschlagader in Gartenschlauchgröße

Das fröhliche Geholze ging erstmal weiter. Mark Uth stellte sich Julian Weigel in den Weg wie eine blau-weiße Schranke, sodass Thomas Tuchel auf den Platz stürmte und seine Halsschlagader sich der Größe eines Gartenschlauchs annäherte. In der gesamten ersten Halbzeit gab es 16 Fouls - und dass von zwei Mannschaften, die eigentlich dafür bekannt sind, Fußball zu spielen. Hoffenheim versuchte immerhin, sauber aus der Abwehr zu spielen - Dortmund verteidigte clever und schaffte es nicht, zu kontern - auch weil Aubameyang total aus dem Spiel war. Er hatte lange Zeit vier Ballkontakte - einer war ein verschossener Elfmeter.

Es war dann wieder Felix Brych, der der entscheidende Mann war. Sekunden vor der Halbzeit zog Sokratis Sandro Wagner im eigenen Sechzehner so stark am Trikot, dass der fast nackt am Elfmeterpunkt stand - Brych gab keinen Elfmeter.

Dann war Pause und Tuchels Team hatte mit drei Schiedsrichterentscheidungen Glück. Immerhin damit, mag er gedacht haben, denn er ist seit geraumer Zeit ja nicht nur Fußballtrainer, sondern auch Moderator und Krisenmanager. Sein aktueller Problemfall: Ein Interview des Vorstandsvorsitzenden Hans-Joachim Watzke, der der Funke-Mediengruppe vor dem vielleicht wichtigsten Spiel der Rückrunde drei Dinge sagte: Erstens, dass er mit Thomas Tuchel nach dem Anschlag über die Frage der Terminansetzung nicht einer Meinung gewesen sei. Zweitens deutete er zumindest an, dass Thomas Tuchel sich in der Öffentlichkeit anders verhalten haben soll als das intern abgesprochen war und drittens betonte er nochmal, wie wichtig Platz drei sei. "Mit Platz vier hätten wir unser Saisonziel in der Bundesliga nicht erreicht", wird Watzke in dem Interview zitiert.

So ein Interview erhöht den Druck auf den Trainer und sorgt dafür, dass der sich vor dem Spiel nochmal dazu äußern muss. Aber Tuchel sagte am Sky-Mikrofon, er verbiete sich, auf die Aussagen von Watzke einzugehen. Vor dem entscheidenden Spiel der Saison redeten die wichtigen Menschen bei Borussia Dortmund also über Mikrofone und Zeitungen miteinander. Oder halt nicht miteinander.

In der zweiten Halbzeit sah es dann kurz nach Fußball aus, ehe Sokratis mit der griechischen Beinschere Uth umsenste - er bekam Gelb, genau wie kurz nach ihm Ousmane Dembélé (erst Foul, dann Meckern) und Kerem Demirbay (Bodycheck gegen Ginter). Hoffenheims Ballbesitzwerte näherten sich darauf der 70-Prozent-Marke. Das Team von Julian Nagelsmann machte auswärts das Spiel - aber Dortmund hatte die besseren Chancen. Der BVB befreite sich mit einem langen Ball, der bei Marco Reus landete und der frei am super reagierenden Baumann scheiterte.

Überhaupt: Dass Borussia Dortmund nun wieder auf dem dritten Platz steht, hat viel dem Rückkehrer Reus zu tun. Dembélé zeigte erneut, dass er nunmal erst 19 ist und man in dem Alter halt ein paar falsche Entscheidungen trifft - auch wenn man in der Kindheit in einen Topf mit Fußballtalent gefallen ist. Und wenn Aubameyang dann auch noch einen schlechten Tag erwischt, braucht die Offfensive den erwachsenen Fußball des Marco Reus.

In der 76. Minute setzte Reus Dembélé ein, der spielte einen verheerenden Fehlpass in die Mitte. Hoffenheim, die mit Ballbesitzfußball die Dortmunder Abwehr nicht knacken konnten (und weil sie neun mal im Abseits standen - Saisonhöchstwert), durften kontern und wäre Wagner ein bisschen gedankenschneller gewesen, hätte er das 1:1 gemacht. So wurde er von Sokratis abgekocht.

Guerreiro köpft an den Pfosten

Stattdessen machte Dortmund aus der zweiten Chance der zweiten Halbzeit das entscheidende Tor. Nach einem starken Seitenwechsel auf Lukasz Piszczek wurde der nicht gestört, konnte unbedrängt flanken und fand Guerreiro. Der köpfte an den Pfosten und Aubameyang, dem bis zu diesem Zeitpunkt wirklich nichts gelang, staubte mit dem Kopf zum 2:0 ab.

Es lief auf eine sommerliche Schlussphase hinaus, aber Matthias Ginter entschied sich für eine Ringeinlage gegen Sandro Wagner - weil er das im Strafraum tat und Brych es auch sah, gab es Elfmeter für Hoffenheim. Kramaric verwandelte sicher zum Anschlusstreffer - und auch wenn Nadiem Amiri mit dem Ball zur Mittellninie sprintete, um noch ein paar Spielsekunden rauszuholen, reichte es am Ende nicht für einen Punkt.

Der BVB zieht in der Tabelle wieder an der TSG vorbei und würde sich direkt für die Champions League qualifizieren. Hans-Joachim Watzke dürfte damit sehr zufrieden sein. Thomas Tuchel auch.

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